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# taz.de -- Soziales Netzwerk für Muslime: Allahs digitale Gemeinde
> Das Soziale Netzwerk MyUmma ist ein Beispiel dafür, wie eine neue
> Generation junger konservativer Muslime versucht sich auch online stärker
> zu Wort zu melden.
Bild: Westlich-soziales Netzwerk, muslimische Werte - Forscherin Dantschke nenn…
In das soziale Netzwerk MyUmma kommt man nicht einfach so. Bevor
Interessierte beitreten dürfen, müssen sie ihren Aufnahme-Wunsch begründen
und darlegen, was sie für die Gemeinschaft aller Gläubigen tun wollen.
MyUmma ist eine Art muslimisches StudiVZ, der Name bedeutet so viel wie
Gemeinschaft aller Muslime. Ziel des Portals sei es, aktive Muslime im
deutschsprachigen Raum zu vernetzen und gemeinsam nachhaltige Projekte zu
entwickeln, heisst es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Islamexpertin Claudia Dantschke betrachtet die Seite als ein offenes
Netzwerk zur Selbstvergewisserung junger Muslime: „Es sind vor allem
konservative, aber zugleich gut ausgebildete Menschen, die dort miteinander
diskutieren.“ Es gehe darum, den Islam mit dem Alltag in Deutschland zu
vereinbaren.
Bisher hat das 2008 gegründete Netzwerk etwa 850 Mitglieder. Und ist damit
im Vergleich zum Sozialen Netzwerk StudiVZ mit seinen knapp sechs Millionen
registrierten Nutzern winzig.
Mitglieder tauschen sich bei MyUmma über praktische Dinge aus - über
Frauenschwimmen-Angebote im Ruhrgebiet, über islamische Schulen und
Kindergärten. Oft geht es darum, Mitstreiter zu finden für einen
islamischen Infostand, einen Übersetzer für eine Webseite oder etwa Werbung
zu machen für die neue Dependance der Hilfsorganisation Islamic Relief in
Essen. Ein inzwischen gelöschtes Mitglied suchte „Schwestern, die im Hijab
(einem Ganzkörperschleier, die Redaktion) vor der Kamera stehen würden für
kurze Koch-Podcasts.“
Auf viele Nutzer passe der Begriff des Pop-Islam ganz gut, sagt Claudia
Dantschke. Dessen Erfinderin, die Islamwissenschaftlerin Julia Gerlach,
beschreibt diese „Form von streng religiöser, islamischer Jugendkultur“,
als eine Bewegung, die Symbole der westlichen Popkultur übernehme und mit
islamischen Vorzeichen versehe.
Charakteristisch sei, dass dazu eher erfolgreiche Jugendliche zählten, die
eine gute Ausbildung hätten und aus der Mittelschicht kämen. „Es sind die
Jugendlichen, von denen man bislang gedacht hatte: "Naja, es dauert noch
ein paar Jahre und dann sind die so wie wir", also wie der Westen, dass sie
ihre Religion also hinter sich lassen würden.“, sagte Gerlach in einem
Interview. Das sei aber nicht passiert.
Stattdessen werde mit der Haltung „Muslim zu sein, ist etwas Gutes“
selbstbewusst der Versuch unternommen, aktiv zu werden und eine
Definitionshoheit über das vorherrschende Islambild zu gewinnen, das in den
Medien oft verkürzt und negativ ist, sagt Claudia Dantschke. Auf der
Grundlage des Islam wollen sie gute Bürger sein und sich in die
Gesellschaft und in soziale Projekte einbringen. Das Befürworten von Gewalt
werde in diesen Kreisen kategorisch abgelehnt, sagt Dantschke. Für die
meisten Nutzer gelte wohl, dass sie weder mit Radikalen noch mit
benachteiligten Jugendlichen aus schwierigen Bezirken wie etwa
Berlin-Neukölln in einen Topf geworfen werden wollen.
Im Gegensatz zu traditionellen islamischen Strömungen, bei denen Frauen als
Hausfrau und Mutter an den Herd verbannt werden, seien Bildung und Arbeit
von Frauen von vielen Nutzern des Portals ausdrücklich erwünscht, glaubt
Dantschke. Mit einer Einschränkung: Wenn diese täglichen Praktiken mit dem
Islam vereinbar sei, man etwa am Arbeitsplatz beten oder ein Kopftuch
tragen könne. Rechte und Pflichten gebe es nach diesem Modell für beide
Männer und Frauen – problematisch sei allerdings eine Reduzierung beider
Geschlechter auf ihre biologische Beschaffenheit.
"In der muslimsichen Community gibt es ein größeres Bedürfnis, sich durch
Forenbeiträge und Weblogs stärker in die öffentlichen Debatten
einzumischen", sagt die Bloggerin [1][Kübra Yücel]. "Das Netzwerk MyUmma
bietet dabei eine optimale Plattform für muslimische Jugendliche, um sich
auszuprobieren." Sie ist selbst nicht in dem Portal aktiv, ist aber wie
viele ihrer muslimischen und nicht-muslimischen Freunde bei StudiVZ
angemeldet.
Ihr eigenes Blog „Ein Fremdwörterbuch“ beschreibt sie als Versuch, der
Gesellschaft deutlich zu machen, dass der Alltag einer jungen Muslima dem
der meisten anderen Deutschen sehr ähnele. Dass sie inzwischen gut mit
anderen muslimischen Bloggern vernetzt sei, habe sich eher zufällig durch
Themenüberschneidungen ergeben, sagt sie. “Anfangs hatte ich kaum
muslimische Blogbekanntschaften“, sagt Yücel. Bloggende Freunde waren
überwiegend Journalisten.
Über ihr Blog wurde auch das Internetportal MyUmma auf Yücel aufmerksam –
und berief die Politikstudentin prompt in die Jury zu einem Blogwettbewerb
für deutschsprachige Muslime. Das Ziel: Mehr Muslime zum Bloggen zu bewegen
und die Popularität bestehender Blogs zu steigern.
7 Aug 2009
## LINKS
[1] http://ein-fremdwoerterbuch.blogspot.com/
## AUTOREN
Anne Onken
## TAGS
Islam
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