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# taz.de -- Verlage beuten freie Journalisten aus: Meister der Enteignung
> Indem sie ihre freien Mitarbeiter in Knebelverträge zwingen, zerstören
> die Verleger langfristig die Grundlage ihres Geschäfts: die
> journalistische Glaubwürdigkeit.
Bild: Anfangs noch ein Internetpionier, heute hetzt er gegen Google und Co.: Ve…
Es muss etwas Einschneidendes im Leben von Hubert Burda passiert sein, wenn
sich ausgerechnet er, der Internetpionier früherer Tage, im Netz verfangen
hat. Anfang der neunziger Jahre hatte der Münchener Verleger mit einem
ganzen Bündel von Webmagazinen und dem Flagschiff Focus Online die ersten
Internetangebote deutscher Verlage gestartet.
Doch die Zeiten, in denen alles, was mit Online betitelt war,
Verlegerfantasien befeuerte, sind offenbar vorbei. Anfang Juli bat Burda in
einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ganz offen die Politik
um Hilfe: "Suchmaschinen, aber auch Provider und andere Anbieter
profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten. Doch
wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen. Sonst
sehen wir der schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten tatenlos
zu." Hubert Burda hat Angst davor, enteignet zu werden - was ist bloß
geschehen?
Dies: Burda, der auch den Verband der deutschen Zeitschriftenverleger
anführt, hat erkannt, dass die deutschen Verlage in eine Krise
existenziellen Ausmaßes geschlittert sind. An der tragen sie aber
Mitschuld. Einerseits beschweren sie sich darüber, dass andere, allen voran
Google, mit ihrer Arbeit Geld verdienen, andererseits stellen sie diese
Inhalte selbst kostenlos ins Netz.
Bislang ist es keinem Verlag gelungen, ein funktionierendes Modell zu
entwickeln, mit dem man im Internet mit journalistischen Angeboten Geld
verdienen kann. Das bedroht in Zeiten, in denen sich Journalismus immer
weniger durch Anzeigen und den Verkauf von Zeitungen und Magazinen
finanzieren lässt, die Geschäftsgrundlage des Journalismus insgesamt.
Was Burda in seinem Hilferuf verschweigt: Die Rechtsabteilungen der Verlage
haben in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Kreativität an den Tag
gelegt, um selbst zu Meistern der Enteignung zu werden - im Umgang mit
ihren freien Journalisten. Man kann es nicht anders als bigott nennen, wie
Verlagsverantwortliche derzeit Politik in eigener Sache machen: Sie
beschweren sich über die vermeintliche Enteignung durch Google, zwingen
ihren Autoren aber gleichzeitig Total-Buy-Out-Verträge auf, mit denen sie
sich sämtliche Rechte an deren Stücken sichern. Diese Knebelverträge machen
es möglich, eingekaufte Texte beliebig oft zu benutzen und
weiterzuverkaufen, ohne dass die Autoren davon profitieren.
Für die Verlage steht gerade ein ganz anderes Thema im Vordergrund: Burdas
Beitrag war Teil einer Kampagne, die Anfang April mit einem Beitrag des
Rechtsanwalts Jan Hegemann begann, ebenfalls in der FAZ. Hegemanns
Lösungsvorschlag für die Misere der Verlage: ein Leistungsschutzrecht nach
dem Vorbild der Musik- und Filmbranche einzuführen. Damit sollten die
unternehmerische und die kreative Leistung des Presseverlegers künftig
besser geschützt werden, schrieb Hegemann.
"Schließlich adelt er den einzelnen Beitrag allein dadurch, dass dieser
unter der Marke einer bestimmten Zeitung oder Zeitschrift mit der daran
geknüpften Qualitätserwartung erscheint." Das Stück des Autoren erhält
seinen Wert also erst dadurch, dass es in einem Rahmen erscheint, der für
seine Glaubwürdigkeit bekannt ist.
Glaubwürdigkeit aber muss jeden Tag verdient werden, durch gründlich
recherchierten Journalismus. Und der kostet Geld. Die Realität für freie
Journalisten aber, auf deren Arbeit die Verlage nach den vielen
Kürzungswellen mehr denn je angewiesen sind, sieht so aus: Die
Zeilenhonorare sind so niedrig, dass 500 Euro für einen Artikel, in dem
eine Woche Arbeit steckt, keine Seltenheit sind, sondern die Norm, auch bei
den renommiertesten Tages- und Wochenzeitungen.
Dem freien Journalisten bleiben deshalb nur zwei Auswege, wenn er genauso
unternehmerisch agieren will wie die Verlage: Entweder passt er seinen
Arbeitsaufwand dem Honorar an und steckt weniger Zeit in die Recherche.
Oder er sucht nach besser bezahlten Alternativen: Die PR-Branche etwa
spannt freie Journalisten dafür ein, ihre Botschaften in die Medien zu
hieven. So aber entsteht ein irreparabler Schaden an genau dem, wodurch das
einzelne Stück geadelt werden soll: an der Glaubwürdigkeit. Damit zerstören
die Verlage langfristig selbst die Grundlage ihres Geschäfts. Und wenn es
keine journalistische Leistung mehr gibt, die es zu schützen lohnt, hilft
auch kein Leistungsschutzrecht mehr.
Es gehe um die Wahrung eines Kulturguts, lautete das Fazit von Hubert
Burda. In der Tat: Für das Problem, wie sich der Journalismus in der
Medienmoderne überhaupt wird finanzieren lassen, ist bislang keine Lösung
in Sicht. Deshalb ist es erst recht an der Zeit, dass wir alle gemeinsam
nach neuen Wegen suchen, ihn zukunftsfähig zu machen. Dafür müssen die
Verlage aber zunächst sich selbst ein Enteignungsverbot erteilen. Wer ein
Kulturgut retten will, muss auch die Kultur einer seriösen Zusammenarbeit
mit denen wahren, die es jeden Tag produzieren.
17 Aug 2009
## AUTOREN
Kai Schächtele
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