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# taz.de -- Größtest deutsches Solarkraftwerk am Netz: Immer der Sonne nach
> 400 Haushalte soll das Kraftwerk mit Strom versorgen und Vorbild für
> Projekte in Afrika sein. Das Solarthermiekraftwerk in Jülich könnte ein
> Exportschlager werden.
Bild: Ganz schön viele Spiegel: 2000 so genannte Heliostaten bündeln das Lich…
Sie sind alle auf diesen einen Turm ausgerichtet. 2.000 Spiegel. Die
Solarforscher nennen sie Heliostaten. Alle fünf Sekunden ändern sie ihre
Position - der Sonne nach - und lenken die Strahlen auf die Spitze des
Turmes, bis sie zu leuchten beginnt. Der Turm ist ein wissenschaftlicher
Leuchtturm. Es ist das einzige Kraftwerk dieser Art in Deutschland. Die
gebündelten Sonnenstrahlen erhitzen Luft auf bis zu 750 Grad Celsius, mit
der Wasserdampf erzeugt wird. Der treibt eine Turbine an, um Strom zu
produzieren. Die für Großanlagen geeignete Technik ist billiger als die
Stromerzeugung mit Solarzellen.
An diesem Donnerstag geht in Jülich das erste deutsche
Solarthermie-Kraftwerk offiziell ans Netz. Umweltminister Sigmar Gabriel
(SPD) wird da sein und sagen, dass Solarthermie für die Energieversorgung
der Zukunft unverzichtbar sei. "Durch die Förderung regenerativer
Energieformen stärken wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutscher
Unternehmen", steht in seinem Redemanuskript. Es passt alles gut in den
SPD-Wahlkampf. Der "Green New Deal" der Genossen soll auch mit
Umwelttechnik Jobs schaffen.
Jülich ist ein guter Ort, um Stimmung für erneuerbare Energien zu machen.
Es ist ein symbolischer Ort. Dort sitzt auch ein Forschungszentrum, das
einmal Atomforschungszentrum genannt wurde. Es betrieb bis 1988 einen der
größten Forschungsreaktoren Europas. Für die Solarthermie ist Jülich streng
genommen allerdings nicht der beste Ort. "Die Technologie eignet sich
besser für heiße Länder mit mehr Sonnentagen", sagt Hans Müller-Steinhagen
vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) der taz.
Das DLR ist zusammen mit der Fachhochschule Jülich Bauherr der Anlage, an
deren Finanzierung auch das Umweltministerium, die Länder Bayern und
Nordrhein-Westfalen und die Stadtwerke Jülich beteiligt waren. 24 Millionen
Euro hat das Kraftwerk gekostet, das als Forschungsprojekt dienen soll -
aber auch zur Stromerzeugung. 1.000 Megawattstunden Strom soll das
Versuchskraftwerk jährlich in öffentliche Netze leiten. Das entspricht dem
Bedarf von 400 Haushalten.
Die Technologie ist als Exportschlager gedacht. Eingesetzt werden soll sie
in Afrika - vor allem in Nordafrika und im Nahen Osten, den sogenannten
Mena-Ländern. Das Umweltministerium hat schon eine Machbarkeitsstudie in
Algerien in Auftrag gegeben. Dort soll langfristig ein Kraftwerk nach dem
Jülicher Vorbild gebaut werden. In den vergangenen Wochen haben
Wissenschaftler darüber diskutiert, ob Afrika als Sonnenstromlieferant für
Europa taugt. Das Projekt "Desertec" soll mit Sonnenkraftwerken in der
Wüste Strom erzeugen. Auch dafür könnte das Kraftwerk aus Jülich geeignet
sein, heißt es im Umweltministerium.
Bis 2050 sollen 15 Prozent des europäischen Strombedarfs aus den
Mena-Ländern kommen, sieht Desertec vor. Mitte Juli haben etwa der
Versicherer Münchner Rück, der Elektrokonzern Siemens, der Energieversorger
Eon und die Deutsche Bank die Initiative gegründet, die für den Bau von
Solarkraftwerken rund 400 Milliarden Euro veranschlagt.
Im Desertec-Beirat sitzt auch der Wissenschaftler Müller-Steinhagen. Das
DLR forscht seit 30 Jahren über Sonnenenergie. "Es gibt bereits eine
Zusammenarbeit, und es wurden bereits Verträge unterschrieben", sagt er.
Auch Gäste aus Algerien haben das Jülicher Kraftwerk bereits besichtigt,
das ebenso für die Ausbildung von Fachpersonal aus den Mena-Ländern genutzt
werde, sagt Ingenieur Thomas Hartz von den Jülicher Stadtwerken.
Wenn Deutschland die Technologie dorthin liefern würde, könnte das neue
Arbeitsplätze bedeuten, ganz im Sinne von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter
Steinmeiers Plan, 4 Millionen neue Stellen zu schaffen. Bis zum Jahr 2020,
schätzt die European Solar Thermal Electricity Association, sind etwa
40.000 zusätzliche Jobs in der Produktion von Solarthermie möglich - in
ganz Europa. Insgesamt hat das Umweltministerium deshalb in den letzten
fünf Jahren 30 Millionen Euro zur Förderung von Solarkraftwerken auch im
Ausland ausgegeben.
Doch Arbeitsplätze sind nicht der einzige Aspekt, der das Vorhaben
attraktiv macht. Auch der Handel mit Rechten zur Emission des
Treibhausgases Kohlendioxid (CO2-Zertifikate) spielt eine Rolle. Deutsche
Unternehmen sollten in Nordafrika solche Kraftwerke bauen, sagt Stephan
Kohler, der Geschäftsführer der Deutschen Energie Agentur (Dena).
"Dadurch können sie durch CO2-Einsparungen mehr Zertifikate erwerben, die
sie verkaufen oder für die Erzeugung konventioneller Energie einsetzen
können." Ein Nullsummenspiel für die Umwelt also? "Unsinn", behauptet
Kohler, "hier ist die Politik in der Pflicht." Wenn man bereits 2015 das
ursprünglich für 2020 gesetzte Ziel erreicht hat, 30 Prozent weniger CO2 zu
produzieren, dann sollte seiner Meinung nach die Politik die Umweltvorgaben
anpassen.
19 Aug 2009
## AUTOREN
J. Gernert
K. El Kaoutit
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