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# taz.de -- Leichtathletik-WM ohne Gedenken an Nazivergangenheit: Nazis fehlen …
> Die Nazivergangenheit des Olympiastadions ist während der
> Leichtathletik-WM kein Thema. Eine kleine Ausstellung über jüdische
> Sportler steht versteckt in Mitte, ein Kinofilm läuft erst im September
> an.
Bild: Geschmückt für die Leichtathletik-WM: das Olympiastation
Im Rampenlicht stand ein kleines Telefon. Denn bei der Deutschlandpremiere
von "Berlin 36" fehlte am Donnerstagabend am Potsdamer Platz die
Hauptperson: Gretel Bergmann. Der Film erzählt die Geschichte der
Hochspringerin, die bei Hitlers Olympiade 1936 in Berlin nicht antreten
durfte, weil sie Jüdin war. Bergmann ist heute 95 Jahre alt, heißt jetzt
Lambert und wohnt in New York. Nach der Premiere ging Produzent Gerhard
Schmidt auf die Bühne und rief sie an. Das Publikum ehrte die einstige
Weltklassesportlerin mit lautem Applaus. In New York flossen Tränen.
Paradoxerweise kommt der Film erst am 10. September in die Kinos - mehr als
zwei Wochen nach Ende der Leichtathletik-WM, die noch bis Sonntag an
gleicher Stelle stattfindet wie die Olympischen Spiele 1936. Auch sonst
erinnert anlässlich des sportlichen Großereignisses wenig an diese Spiele,
die Hitler als Propaganda-Show missbrauchte. Zwar läuft eine kleine
Ausstellung unter dem Titel "Vergessenen Rekorde", die das Schicksal
jüdischer Sportler - darunter auch das von Gretel Bergmann - im Dritten
Reich thematisiert. Doch nicht im Olympiastadion, sondern im Centrum
Judaicum in Mitte.
Die Organisatoren der Ausstellung hätten diese auch gerne im Olympiastadion
gezeigt. "Das war finanziell nicht zu machen", bedauert Berno Bahro vom
Institut für Sport- und Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam,
das die Ausstellung inhaltlich verantwortet. Die Wissenschaftler selbst
hätten sich zwar zunächst ausdrücklich für den Standort an der
Oranienburger Straße entschieden, damit die Ausstellung insgesamt länger
gezeigt werden kann, als die WM dauere. Doch eine Kopie davon ins
Olympiastadion zu stellen und damit das Gedenken den WM-Besuchern näher zu
bringen, sei dann aus Kostengründen nicht mehr möglich gewesen.
Der Hauptsponsor der Ausstellung ist das Berlin Organising Committee, das
auch die neuntägige WM veranstaltet. 6.500 Euro ließen sie für die
"Vergessenen Rekorde" springen, die aus insgesamt 14 Schautafeln und
einigen Sportutensilien wie eine Fechtmaske besteht. Von dem Wunsch der Uni
Potsdam, die Erinnerungsausstellung auch im Stadion zu zeigen, habe man
jedoch nichts gewusst, sagt Heinrich Clausen, der Geschäftsführer des
Organisationskomitees. "Auf den Ausstellungsort konnten und wollten wir
keinen Einfluss nehmen", so Clausen. Zudem wäre ein auch "nur annähernd so
würdevoller Ort im Olympiastadion" nicht vorhanden gewesen.
Die mangelhafte Absprache zwischen Universität und WM-Veranstaltern sei vor
allem darauf zurückzuführen, dass die Ausstellung erst kurzfristig
organisiert wurde, berichten beide Seiten. Vom Stadion, das für Hitlers
Spiele mit viel NS-Schick gebaut wurde und wo derzeit fast alle
WM-Wettbewerbe stattfinden, müssen interessierte Sportfans erst nach Mitte
fahren und die Sicherheitsschleusen der Neuen Synagoge passieren.
Diese Distanz stößt auf Kritik - auch wenn die WM bereits fast vorbei ist.
An die Olympiade 1936 müsse man besser erinnern, fordert die
sportpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Felicitas
Kubala. "Eine Ausstellung vor Ort wäre angemessen gewesen."
Sportfunktionäre betonten immer wieder die gesellschaftliche Bedeutung und
die Vorbildfunktion des Sports, so Kubala. "Den eigenen Anspruch erfüllen
sie mit dieser kaum wahrgenommen Ausstellung aber nicht."
Auch Gabi Hiller, sportpolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisiert
den nur oberflächlichen Blick auf 1936, den die Hinweistafeln im Stadion
bieten, und vermisst ein Gedenken, das präsenter ist. "Platz ist ja im
Stadion. Das hätte man dichter an die Zuschauer tragen können", sagte sie
der taz. Warum der Senat - dem die Linkspartei angehört - nicht dahin
gehend Druck gemacht hat, konnte sie am Freitag nicht sagen. Vielleicht
regt ja der Film "Berlin 36", der ebenfalls mit Unterstützung der
WM-Veranstalter entstanden ist, diese Debatte noch einmal an.
21 Aug 2009
## AUTOREN
Bastian Brinkmann
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