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# taz.de -- die wahrheit: Waschtag für Wauwaus
> Dreckig durch die Wirtschaftskrise. Die Deutschen reinigen immer seltener
> ihre Autos - dabei sind sie doch so für ihre Sauberkeit am Samstag
> bekannt.
Samstag war Waschtag. Die Nachbarn reinigten ihre Autos, Mama putzte die
Fenster, und ich durfte in die Badewanne. Mein Vater hat unseren Volkswagen
zum Glück nie in stundenlanger Handarbeit gesäubert. Wir sind mit dem Wagen
grundsätzlich in eine Waschanlage gefahren. Das war fast so gut wie eine
Geisterbahn. Wenn das Auto auf dem Laufband stand und mit riesigen Bürsten
eingeschäumt wurde, wenn das Wasser gegen die Windschutzscheiben prasselte
und wir im Wagen kein Wort mehr verstanden, hatten wir Kinder den Eindruck,
in eine ganz ferne und gefährliche Welt einzutauchen. Wir stellten uns vor,
wie wir von den bösen Mächten der Waschstraße angegriffen wurden. Wir
mussten gegen Wassermassen um unser Leben kämpfen. Erstaunlicherweise aber
überlebten wir jede Waschstraßenfahrt. Und freuten uns auf die nächste.
Derzeit soll es dem Autowaschgewerbe gar nicht gut gehen. Liegt das an der
Wirtschaftskrise? Oder ist das der letzte Beleg dafür, dass wir Deutschen
zu wenig Kinder in die Welt setzen? Wer, wenn nicht die Kleinen, wird
künftig noch von Mama und Papa fordern, in die Waschstraße zu fahren?
Sigrid Pook, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Tankstellen und
gewerbliche Autowäsche, behauptet: "Das Auto ist den Deutschen nicht mehr
das liebste Kind." Wer es als Frau in einem Bundesverband, der für
Tankstellen und Autowäsche zuständig ist, zur Geschäftsführerin gebracht
hat, weiß Bescheid. Mögen wir Deutschen es in diesen unsicheren Zeiten also
lieber dreckig?
Wer sich umschaut, wird sich wundern, denn die Autohygiene scheint sich
tatsächlich verschlechtert zu haben. Die Karosserien sind staubig, die
Radkappen ölig. Selten glänzt mal ein Mercedes. Fest steht: Die meisten
Gemeinden haben vor langer Zeit das öffentliche Autowaschen verboten. Und
selbst wenn die Vorschriften hier und da nicht ganz so streng sind, die
manuelle Fahrzeugpflege gilt heute als spießiges Putzritual
unterbeschäftigter Männer. Wobei es durchaus eine Kunst ist, den Wagen
ordentlich zu reinigen. Vorwaschen, Waschen, Trocknen, Unterbodenwäsche,
Konservierung - das will gelernt sein. Wie mein Freund Ralf zu berichten
weiß.
In seiner Garage finden sich ein Hochdruckreiniger, riesige Vorräte von
Putzlappen, diverse Dosen mit Spezialwachs, das er auf den Unterboden
aufsprüht, um Rost, Marder und anderen Ärger fernzuhalten. Die Prozedur
dauert Stunden! Wenn Ralf unterm Auto liegt, kommt er so schnell nicht
wieder hervor. Zumal er zur Reinigung hochmoderne Nano-Technologie
verwendet. Er versiegelt den Wagen in zwei Arbeitsschritten: Erst wird ein
Acrylpolymer aufgetragen, schließlich kommt das Wundermittel zum Einsatz,
die Nano-Tinktur NC 50 II. Ralfs Wagen sieht nach dieser Reinigung aus, als
käme er frisch aus der Fabrik.
Aber Ralf ist ein Sonderfall. Um herauszufinden, was mit den Autofahrern
los ist, gehe ich durch mein Viertel und spreche jene an, die aus einem
dreckigen Fahrzeug steigen. "Na ja, ich habe mir einen Wagen zugelegt",
sagt der eine. "Abwrackprämie und so. Da habe ich zwar was gespart, aber
gleichzeitig viel zu viel ausgegeben. Schön blöd war das. Jetzt muss ich
halt bei der Sauberkeit sparen." Und eine selbstbewusste Dame meint: "Der
Dreck ist mir doch egal. Die Karre fährt doch." Ja, es gibt einen
Mentalitätswandel. Was früher Fetisch war, ist heute vor allem
Fortbewegungsmittel. Demnach dürfen Fahrzeuge im 21. Jahrhundert auch
dreckig sein. Ist das nicht ein gutes Thema für eine
sozialwissenschaftliche Doktorarbeit? Auch ohne Forschung wissen wir: Die
Reinigung des Autos wird immer häufiger dem Regen überlassen, und wenn zwei
Wochen lang die Sonne scheint und der Wagen staubig wird, ist das auch
nicht weiter schlimm.
Die Waschstraßenbetreiber müssen sich allerdings nach neuer Kundschaft
umsehen, was gar nicht so einfach ist: Die britische Firma THI Dogwash soll
eine Hundewaschstraße an einen Hamburger Tankstellenbetreiber verkauft
haben. Insbesondere an regenreichen Tagen, wenn Mutter Natur die Fahrzeuge
säubert und die Kundschaft auf professionelle Hilfe verzichtet, sollen
jetzt die stinkenden Fiffis für den Umsatz sorgen. Das ist clever. Selbst
wenn die Deutschen ihr Auto nicht mehr lieben, die Gefühle für den
bellenden Vierbeiner werden sich ja wohl nicht ändern.
THI Dogwash sieht übrigens aus wie eine Kombination aus Mikrowelle und
Babywanne. Auf Bildern sind diverse Schläuche und große Schaltflächen zu
erkennen. Ob in dem Gerät auch Katzen und Vögel geduscht werden können?
In England, wo die Mehrheit der Bevölkerung kein Geld mehr für ein eigenes
Auto hat, ist die Anlage ein Renner. Dort gibt es Waschanlagen nur noch für
Wauwaus. Die Frage ist: Wann haben wir in Deutschland englische
Verhältnisse?
24 Aug 2009
## AUTOREN
Carsten Otte
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