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# taz.de -- Gängeviertel: Die in die Gänge kommen
> Selbstkritische Debatte aller vier Fraktionen in der Bürgerschaft über
> die Künstlerbesetzung des Innenstadtquartiers und die Pläne des Investors
> Hanzevast.
Bild: "Ideen" fehlen zwar nicht in den Türen des Gängeviertels, dafür aber b…
Auf Bier, Sekt oder Selters hat der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert
Hackbusch (Linke) am Mittwochabend die anderen 120 Mitglieder der Hamburger
Bürgerschaft in das Gängeviertel eingeladen. "Machen Sie sich selbst ein
Bild", forderte er die VolksvertreterInnen aller Fraktionen in der Debatte
der Bürgerschaft auf: "Kommen Sie in die Gänge."
Das historische Quartier im Schatten des Springer-Verlags ist vor zehn
Tagen von einer Künstlerinitiative besetzt worden. Die rund 200 Künstler
wollen auf den Atelier-Notstand in Hamburg aufmerksam machen und die seit
Jahren leer stehenden Gebäude vor dem Verfall bewahren. Denn im 4.500
Quadratmeter kleinen Viertel sollen nach Plänen des niederländischen
Investors Hanzevast Wohnungen, Büros und Gewerbefläche entstehen.
Die ausstehende Baugenehmigung sei am gestrigen Mittwoch vom Bezirksamt
Mitte erteilt worden, verkündete der SPD-Abgeordnete Andy Grote. Im
Parlament eine unerwartete Neuigkeit, die auch Kultursenatorin Karin von
Welck (parteilos) überraschte. Als langjähriger Abgeordneter der
Bezirksversammlung Mitte verfügt Grote über den direkten Draht zu
SPD-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber.
"Verträge sind zu erfüllen", rief von Welck eine Binsenweisheit in
Erinnerung. Zugleich ließ die Senatorin durchblicken, dass sie über den vor
einem Jahr geschlossenen Vertrag gar nicht mehr glücklich ist. Es gebe
"baulichen Handlungsbedarf für Kreativschaffende", formulierte von Welck
blumig über den Mangel an bezahlbaren innenstädtischen Atelierräumen
hinweg. Für die Künstlerinitiative werde auf jeden Fall eine
Zwischennutzung möglich sein. Sollte Hanzevast, dem finanzielle Probleme
nachgesagt werden, seine Baupläne jedoch kurzfristig nicht umsetzen können,
"gibt es Zeit, alles neu zu überdenken".
Noch deutlicher räumte die GAL-Kulturpolitikerin Eva Gümbel ein, dass die
Aktion der Künstler "als Hinweis auf Missstände berechtigt" sei. Sie will
darin "den subkulturellen Kontext für die kreative Stadt" erkannt haben.
Und selbstkritisch müsse zugegeben werden, dass der jahrelange Leerstand
und der Verfall des Gängeviertels ein Fehler gewesen sei.
Mit exakt der gleichen Kritik hatte Hackbusch die von der Linken
angemeldete Debatte eröffnet - und sich dafür den Vorwurf des
CDU-Abgeordneten Jörg Hamann eingefangen, im Gängeviertel "einen
sozialistischen Streichelzoo" eröffnen zu wollen. Und als Hackbusch am Ende
die "konstruktive Debatte aller Fraktionen" lobte und daraus den Schluss
zog "Besetzungen lohnen sich doch", wurde er von Brigitta Martens (CDU)
dafür gerüffelt, "zu Hausbesetzungen aufzurufen".
Abgesehen von diesen individuellen Aussetzern besteht in der Bürgerschaft
Konsens, dass der Künstlerinitiative Dank gebührt. Hamburg müsse künftig
"sein kulturelles Erbe mehr achten" und Flächen nicht einfach an
Großinvestoren "zu Höchstpreisen ausverkaufen". Ob diese Einsicht noch
rechtzeitig für das Gängeviertel kommt, ist vorläufig allerdings noch
offen.
2 Sep 2009
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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