Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hosen-Prozess im Sudan: Die Angeklagte klagt zurück
> Die ehemalige UN-Mitarbeiterin Lubna Ahmed Hussein muss im Sudan erneut
> vor den Richter. Sie soll mit dem Tragen einer Hose gegen die
> "öffentliche Moral" verstoßen haben.
Bild: Hussein nimmt für die Rechte der Frauen auch mögliche Peitschenhiebe in…
Am nächsten Montag wird der Regierung in Sudan und ihrem Sittengesetz der
Prozess gemacht - und zwar im eigenen Gerichtssaal. Dann nämlich wird das
Verfahren fortgesetzt, auf dessen Durchführung die sudanesische
Journalistin und ehemalige UN-Mitarbeiterin Lubna Ahmed Hussein bestanden
hat, als sie Anfang Juli von der Sittenpolizei des Landes festgenommen
wurde.
Ihr Vergehen: das Tragen einer Hose. Lubna Ahmed Hussein hat dafür gesorgt,
dass nicht nur sie auf der Anklagebank sitzt, sondern auch das Regime von
Präsident Omar Hassan al-Bashir. Ihr drohen Geldstrafe und Peitschenhiebe,
dem Regime die Bloßstellung.
Und darum geht es der gläubigen Muslimin, die zurzeit strikt die
Fastenzeiten des Ramadan einhält. Sie will diesen Prozess, um fortzusetzen,
was die Journalistin in ihrer Kolumne "Männersachen" seit Jahren betreibt:
Kritik an der Männergesellschaft und am islamistisch geprägten Regime des
Präsidenten Bashir.
Besonders wichtig: Der Paragraf 152 des Strafgesetzbuches soll endlich
verschwinden. Der Paragraf stellt Verstöße gegen die "öffentliche Moral"
unter Strafe. Und genau das wirft die Sittenpolizei der 34-Jährigen vor.
Zusammen mit 12 weiteren Frauen war sie am Abend des 3. Juli von
Sittenwächtern festgenommen worden. Sie waren auf einer öffentlichen Feier
in der Hauptstadt Khartum. Prominente, Künstler und Journalisten waren
unter den Gästen. Männer und Frauen - mit und ohne Begleitung.
Doch die Beamten hatten es nur auf die Frauen abgesehen. Leichte Beute. Sie
fingen an, nach "unanständig" angezogenen Frauen zu suchen. "Die Herren
Polizisten haben sogar die Damentoiletten durchsucht", sagt Hussein der
taz, "gibt es etwas Unsittlicheres?"
Sie trugen alle Hosen. Lubna Ahmed Hussein eine grüne Stoffhose, eine Bluse
und ein Gewand bis zum Knie. "So bin ich und viele andere Frauen auch in
Khartum öfters angezogen. Der Islam verbietet Hosentragen nicht."
Kein Argument für die Sittenpolizei. Auf der Wache müssen die Frauen hin
und her laufen, damit die Beamten feststellen können, wie eng die Hosen
sitzen. Zehn der Frauen werden im Eilverfahren zu zehn Peitschenhieben und
einer Geldbuße verurteilt. Das Urteil wird sofort vollstreckt und die
Frauen werden entlassen.
Nur Lubna Ahmed Hussein und zwei andere bestehen auf einem Prozess. Eine
Überraschung für die Sittenwächter; das sind sie nicht gewohnt. "Sie gehen
davon aus, dass wir mit sinkendem Kopf die Strafe annehmen, um schnell
entlassen zu werden. Wer will was mit einer Frau zu tun haben, die schon im
Knast saß? Nicht mal die eigene Familie", sagt die 34-Jährige.
Mit den gesellschaftlichen Regeln kennt sich die Journalistin aus. In ihrer
Kolumne "Männersachen" in einem linksgerichteten Blatt plädiert sie für
mehr Freiheiten für Frauen und für die Abschaffung des Paragrafen 152. "Der
ist ein Erbe aus der Alleinherrschaft Bashirs und seiner Partei nach dem
Putsch von 1989", sagt sie.
Jahrzehntelang bekämpfte das von Islamisten gestützte Bashir-Regime im
christlich-afrikanischen Süden des Sudan Rebellen, die sich unter anderem
gegen das islamische Scharia-Recht wandten und auf Selbstbestimmung für
ihren Landesteil hofften. 2005 schlossen beide Seiten Frieden.
Als Teil des Abkommens, das die Südrebellen in die Regierung in Khartum
aufnahm, sollen auch die Sicherheits- und Sittengesetze im Sudan gelockert
werden - eine Forderung, die auch viele Muslime teilten und die Eingang in
die neue Einheitsverfassung fand.
Trotzdem gehen die Sittenwächter in Khartum ihrem "Erziehungsauftrag"
weiter nach. 2008 wurden allein in Khartum 48.000 Frauen ausgepeitscht.
"Das sind keine Angaben von NGOs. Sondern von den Behörden selbst. Für die
ist das ein Erfolg", sagt Hussein.
Ende Juli wurde sie zur Anhörung eingeladen. "Kein gewöhnlicher Vorgang",
sagt sie, "nur weil ich noch bei der UN beschäftigt war, sollte es kein
Verfahren geben." Mitarbeiter der UN dürfen im Sudan strafrechtlich nicht
verfolgt werden. Doch die Journalistin wollte den Prozess, kündigte ihren
Job und ließ ein paar hundert Einladungen ausdrucken: "Zum Prozess und
anschließend zur Auspeitschung".
Am 4. August, dem ersten Tag der Verhandlung, folgten viele ihrer Einladung
und demonstrierten vor dem Gerichtssaal. Die meisten Demonstrantinnen
trugen Hosen als Protest. Lubna Ahmed Hussein auch. Die Polizei ging mit
Schlagstöcken und Tränengas dazwischen, und der Richter verschob die
Verhandlung auf den 7. September. Er will überprüfen, ob der Prozess
fortgesetzt werden darf, weil die Angeklagte zum Zeitpunkt der "Straftat"
noch UN-Mitarbeiterin war und damit Immunität genoss, so die Begründung.
"Auspeitschung ist demütigend und menschenverachtend", sagt Lubna Ahmed
Hussein. Sie schweigt einen Moment. "Es geht aber nicht um mich.
Zehntausende Frauen werden regelmäßig ausgepeitscht und keiner erfährt
davon. Um sie alle und um die hart erkämpfte Verfassung geht es in diesem
Prozess." Ob sie Angst hat? Sie lacht. "Ja. Davor, dass sie das Verfahren
einstellen." Bashir, sein Regime und der Paragraf 152 würden so dem Prozess
entkommen. "Doch mal schauen, wer am Ende ausgepeitscht wird."
5 Sep 2009
## AUTOREN
Khalid El Kaoutit
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.