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# taz.de -- Krieg in Afghanistan: Bundeswehr unter Beschuss
> Vermutlich starben etwa 125 Menschen durch den Nato-Luftangriff bei
> Kundus, darunter viele zivile Opfer. Verteidigungsminis- ter Jung stellt
> sich hinter die Bundeswehr.
Bild: Ein NATO-Untersuchungsteam untersucht die Stelle der Luftangriffe auf die…
BERLIN rtr/ap/afp/taz | Nach dem umstrittenen Luftangriff im Einsatzbereich
der Bundeswehr nahe Kundus in Afghanistan sind Nato und Isaf um politische
Schadensbegrenzung bemüht. Zugleich wurde deutliche Kritik von
Nato-Partnern und EU-Repräsentanten am Vorgehen der Bundeswehr laut. Der
französische Außenminister Bernard Kouchner sprach bei einem Treffen mit
seinen EU-Kollegen in Stockholm von einem "großen Fehler", der
luxemburgische Außenamtschef Jean Asselborn von einer "nicht hinnehmbaren
Katastrophe", und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner nannte den
Angriff eine "große Tragödie".
Der Isaf-Oberkommandierende, US-General Stanley McChrystal, besuchte am
Wochenende den Ort des Angriffs in Afghanistan und wandte sich in einem
ungewöhnlichen Schritt per Fernsehansprache an die afghanische Bevölkerung.
Für ihn stehe der Schutz von Zivilisten an erster Stelle, versicherte der
US-General. Wie viele Menschen bei dem von der Bundeswehr angeforderten
Luftangriff der US-Armee auf zwei von den Taliban gestohlene Tanklastwagen
wirklich getötet wurden, ist unklar: Die Nato geht in einem Bericht von 125
Todesopfern aus, darunter etwa zwei Dutzend Zivilisten.
Verteidigungsminister Franz Josef Jung wies diese Zahl zurück und sprach
von 56 Getöteten, die ausschließlich Taliban-Kämpfer gewesen seien. Er nahm
den für die Anforderung der Luftunterstützung verantwortlichen Kommandeur
in Schutz. Der Einsatz sei geboten gewesen, weil die von den Taliban
gestohlenen Tanklaster eine Gefahr für das Bundeswehrlager dargestellt
hätten, sagte der CDU-Politiker. Jungs Sprecher dementierte zudem die
Darstellung, die Entscheidung für den Luftangriff habe auf der Basis von
Angaben nur eines einzigen Informanten beruht.
Die amerikanische Zeitung Washington Post hatte am Wochenende berichtet,
der deutsche Einsatzbefehl habe nur auf Grundlage einer Quelle beruht. Der
deutsche Oberst hätte in der Nacht zum Freitag ein Livevideo aus einem
US-Kampfjet F-15E gesehen, auf dem mehrere Menschen als schwarze Punkte um
die Tanklastwagen herum zu sehen waren. Ob sie Waffen getragen hätten, sei
nicht zu erkennen gewesen. Dann habe ein afghanischer Informant bei einem
Geheimdienstmitarbeiter angerufen, der angegeben habe, es handele sich
ausschließlich um Aufständische. Daraufhin habe der deutsche Oberst
angeordnet, die beiden Lkw mit jeweils einer 500-Pfund-Bombe anzugreifen,
berichtete die Washington Post. Nach der neuen Nato-Strategie zur
Vermeidung ziviler Opfer muss aber einer Entscheidung über einen Angriff
immer mehr als eine Quelle zugrunde liegen.
Ein hoher Bundeswehroffizier in Kundus wies am Sonntag den Bericht aus der
Washington Post zurück, wonach der Luftangriff aufgrund der Angaben eines
einzelnen afghanischen Informanten angefordert worden sein soll.
Tatsächlich habe es Informationen aus mehreren Quellen gegeben, sagte der
Offizier.
Kritik an der Bundeswehr und Verteidigungsminister Jung gab es auch
innenpolitisch. Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter
Steinmeier sprach von einem sehr schwerwiegenden und gravierenden Vorfall.
Deshalb müssten deutsche und alliierte Stellen die Sache schnellstmöglich
und gründlich aufarbeiten. Die Opposition verlangte schonungslose Klarheit:
"Wir fordern absolute, totale und ungeschönte Aufklärung", sagte
Grünen-Chefin Claudia Roth. Ihre Partei forderte Kanzlerin Angela Merkel
(CDU) auf, im Bundestag "eine Regierungserklärung zu dem Bombardement"
abzugeben. Merkel und Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU)
"beschwichtigen und vertuschen die Wahrheit über das fatale Bombardement in
Afghanistan", so Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Selbst der
Oberkommandierende der Isaf gehe von zivilen Opfern aus.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi nannte die Tötung von Zivilisten
unentschuldbar. Seine Fraktion beantragte eine Aktuelle Stunde im
Bundestag.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft unterdessen, ob ein
Ermittlungsverfahren gegen den verantwortlichen deutschen Offizier
eingeleitet werden muss. Der Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Junker
sagte der Bild am Sonntag: "Wir prüfen einen Anfangsverdacht wegen eines
eventuellen Tötungsdeliktes gegen den deutschen Oberst, der diesen
Luftangriff befohlen beziehungsweise angefordert hat."
Bei einem Selbstmordanschlag auf die deutschen Truppen in Kundus wurden am
Samstag fünf Soldaten und ein einheimischer Dolmetscher verletzt, wie die
Bundeswehr mitteilte. Der Attentäter habe mit einem Fahrzeug eine deutsche
Kolonne angegriffen und einen Sprengsatz ausgelöst.
Der deutsche Einsatzbefehl soll nur auf Grundlage einer Quelle beruht
haben, so die "Washington Post"
6 Sep 2009
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