# taz.de -- Nazi-Aussteiger: Die braunen Jahre sind vorbei | |
> Wenn am Freitag die NPD gegen das Hamburger Schanzenfest demonstriert, | |
> wird er nicht dabei sein: der 23-jährige Frank Försterling. Nach fünf | |
> Jahren ist er ausgestiegen. | |
Bild: Früher wäre Frank Försterling bei Nazi-Aufmärschen wie diesem auch vo… | |
"Schanzenfest abschalten" werden an diesem Freitagabend NPD und freie | |
Kameradschaften am Berliner Tor in Hamburg fordern. An der Elbe | |
protestieren die Neonazis um den NPD-Bundesvize Jürgen Rieger gegen das | |
links-alternative Stadtteilfest. Mehr 100 Demonstranten hat Rieger | |
angekündigt, die Behörden erwarten mehr. Einer wird nicht mehr | |
mitmarschieren: Frank Försterling. "Was für einen Mist habe ich da | |
gemacht", fragt sich der 23-Jährige. Nach fünf Jahren ist er aus der | |
Neonaziszene ausgestiegen. | |
"Verschwendete Zeit", sagt Försterling. Den Kopf mit der Basecap leicht | |
schräg haltend, überlegt er bevor er spricht. Seit Anfang des Jahres ist | |
der NPD-Funktionär aus der Hamburger Szene raus. Lange galt er als | |
zuverlässig. Försterling, der Abitur hat, möchte nicht wie andere | |
Aussteiger klingen - befürchtet Standardsätze. Er sitzt da, stark gepierct | |
mit großen Ohrringen und räumt ein, den Zeitpunkt an dem es nicht mehr | |
passte nicht so genau nennen zu können. "Ich hatte schon etwas Ärger mit | |
früheren Kameraden", sagt er, aber: "Ein Schlüsselerlebnis hat es nicht | |
gegeben. Klingt komisch, aber mir wurde klar, dass diese Ideen nichts mehr | |
mit meinen Vorstellungen von Leben gemein haben." Diese Hass- und | |
Herrschaftsfantasien berauschten ihn nicht mehr. | |
Denn hinter verschlossenen Türen wäre es schnell vorbei mit dem | |
"bürgerlichen Erscheinungsbild" der NPD. "Da sind immer wieder | |
Holocaustvorstellungen zu hören: Alle die nicht so denken wie sie sollen | |
ins Lager - ausgerottet werden." Bei "Kulturveranstaltungen" trügen manche | |
auch T-Shirts mit Hakenkreuzen. Zu einer Faschingsparty hätten sich viele | |
als Ku-Klux-Klan-Anhänger verkleidet. | |
"Der Szene habe ich mich, wenn ich ehrlich bin, nicht bloß wegen der | |
Gemeinschaft, dem vermeintlichen Zusammenhalt angeschlossen, sondern eben | |
auch, weil ich so tickte. Fand die Sprüche gut, teilte die Einstellung." | |
Ein Klischee folgt, er weiß es, doch so war es eben: "Über die Musik kam | |
ich zu der Szene." Rechtsrockbands fand Försterling schon damals gut. Durch | |
die Songs verinnerlichte er die neonazistischen Einstellungen. Ein Zufall | |
beschleunigte seine rechte Karriere. 2003 traf er, damals 17 Jahre alt, im | |
Bus Neonaziskinheads. "Viele Kisten Bier hatten die mit, machten Party." | |
Später war ihm nur Party und Rechtsrock zu wenig, er wollte "Politik für | |
Deutschland" machen, sich gegen "Überfremdung" und "Übervorteilung" der | |
"Ausländer" wehren. Der Partei beizutreten war für ihn damals ganz logisch. | |
In der NPD wurde Försterling "Jugendbeauftragter" für den Hamburger | |
Stadtteil Harburg. "Wer regelmäßig erscheint, zuverlässig ist, wird dort | |
was", sagt er, denn "viele sind ,nur' Mitläufer, gestalten nicht". Keine | |
Veranstaltung, kein Infostand an der Elbe, wo er nicht mitwirkte. Bei den | |
Aktionen fällt er auf: Er bepöbelt Passanten, wenn sie NPD-Flugblätter | |
ablehnen, droht Gegendemonstranten Gewalt an, lichtet sie mit dem | |
Fotoapparat ab. Sein Spitzname, wegen seines Gewichts und der Kamera vorm | |
Bauch: Frank "The Tank". | |
Bei "Stammtischen", berichtet Försterling, stimmen NPD- und | |
Kameradschaftler ihre Politik ab, bereiten Aktionen vor. In drei | |
Gaststätten an der Bramfelder Chaussee und am Gänsemarkt finden die Runden | |
statt. An diesen Abenden verwischen die Grenzen zwischen Partei und | |
Kameradschaft. Manche Stammtische seien für alle Kameraden offen, andere | |
nur für "ausgewählte Vertreter". | |
"Nachdem Jürgen Rieger 2007 den Landesvorsitz übernahm, radikalisierte sich | |
der Verband", sagt Försterling. In der Szene genieße Rieger großes Ansehen. | |
"Er ist ein mächtiger Mann, wird aber wegen seinem heidnischen Fimmel auch | |
skeptisch betrachtet." Großen Applaus würde Rieger nach seinen Reden bei | |
Saalveranstaltungen dennoch erhalten. Ihn selbst nervte mehr und mehr der | |
Ablauf: "Nach den Reden bei deutschem Essen, folgten kaum Diskussionen. Das | |
nächste Bier war vielen wichtiger", sagt er. Die organisatorische | |
Parteiarbeit würde Rieger selbst nicht machen. Jan-Steffen Holthusen aus | |
Bramfeld kümmere sich um die Parteimitglieder, pflege Kontakte und baue die | |
Strukturen auf. Der Versicherungsangestellte kommt vom verbotenen | |
"Hamburger Sturm" (HS). "Holthusen macht im Hintergrund die gesamte | |
Parteiarbeit. Er kennt jeden", sagt Försterling. Gerüchten zufolge | |
bezeichne sich Holthusen als SA-Mann. | |
Die Mannschaft hinter Rieger, sagt Försterling, wolle den Status quo des | |
Landesverbandes halten, die Mitgliederstruktur ausbauen und in der | |
Öffentlichkeit verstärkt sichtbar sein, aber "immer im sicheren Bereich". | |
Einige führende NPDler huldigten Adolf Hitler, sagt Försterling. Diese | |
Einstellung würde in der NPD toleriert. Straftaten gegen Ausländer würden | |
nicht immer beklatscht, man wolle die Strukturen nicht gefährden. | |
Nun ist Försterling raus aus der Szene: "Als ich nicht mehr kam, schrieb | |
mir Holthusen einen bösen Brief", sagt er und: "Druck machen, das verstehen | |
die unter Kameradschaft." Er reagierte nicht. "Ich hab mich entschieden. | |
Vielleicht habe ich meine Zukunft noch nicht ganz verbaut." | |
10 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
A. Speit | |
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