# taz.de -- Harald Schmidt ist zurück: Mein Schnösel-Block | |
> Die Sommerpause ist für Harald Schmidt vorbei und Pocher weg. Jetzt muss | |
> der Meister nur noch seinen Ehrgeiz ein wenig zügeln und seinen | |
> Mitarbeitern mehr Luft lassen. | |
Bild: Er gehört wohl wieder zu Familie - Harald Schmidt in seiner neuen Show. | |
Doch, ja, Harald Schmidt kann es noch. Aber kann man ihm schon wieder | |
trauen? Will er es wirklich ernsthaft nochmal versuchen? Können wir all die | |
Enttäuschungen vergessen? Die Sportstammtische mit Waldemar Hartmann? Die | |
verunglückte Affäre mit Oliver Pocher? Die zur Schau gestellte | |
Lustlosigkeit? | |
Mit Schmidt und seinen Zuschauern ist das wie in einer alten Ehe, und man | |
muss leider sagen, dass diese Ehe in den letzten Jahren nicht besonders | |
glücklich verlaufen ist. Der brillante, witzige Harald Schmidt, dem man | |
damals, vor vielen Jahren, ewige Treue an der Fernbedienung geschworen | |
hatte, war zuletzt immer launischer geworden, schaute nur noch unregelmäßig | |
vorbei und strengte sich bei seinen sporadischen Besuchen immer weniger an, | |
geistreich oder auch nur unterhaltsam zu sein. Jetzt will er uns nochmal | |
erobern. | |
Und er gibt sich alle Mühe. Hat sich extra wieder einen Bart stehen lassen, | |
damit man rätseln kann, warum. Hat kein einziges Thema des Sommers | |
ausgelassen: Wahlkampf, TV-Duell, Afghanistan, Schweinegrippe, Althaus, | |
sogar für einen kleinen Propofol-Gag im Gedenken an Michael Jackson war er | |
sich nicht zu schade. Und das alles, um uns zu gefallen. So haben wir ihn | |
lange nicht mehr erlebt. Das neue Format steht ihm gut. | |
Wie schon das ZDF mit seiner auf ganzer Linie missratenen "heute-Show" | |
versucht seit Donnerstag auch Harald Schmidt sich an einer Eindeutschung | |
der US-amerikanischen "Daily Show" mit Jon Stewart. Ihm ist, wie zu | |
erwarten war, mehr gelungen als nur eine tumbe Kopie. Der Eröffnungsmonolog | |
ist jetzt unterbrochen von Einspielfilmen, und wenn Schmidt gut drauf ist | |
und die Einspieler zünden, dann kann das funktionieren. So wie der | |
Zusammenschnitt des TV-Dreikampfes von Westerwelle, Trittin und Lafontaine | |
- das hatte schon stewartsche Qualitäten. | |
Auch das Team von "Korrespondenten" und "Experten" hat sich Schmidt bei | |
Stewart abgeschaut. Stewart nimmt sich bei den Auftritten der | |
Korrespondenten auch mal zurück und überlässt die Gags den anderen. Nicht | |
so Schmidt. Er traut seinen Bühnenpartnern nicht, schon gar nicht bei der | |
ersten gemeinsamen Sendung. Seine wunderbare Scholl-Latour-Parodie zum | |
Beispiel hätte bestens auch ohne Katrin Bauerfeind funktioniert, ebenso das | |
Gespräch über Kinofilme: Bauerfeind durfte nur Stichworte geben und adrett | |
im Bild sitzen. | |
Man kennt das von Harald Schmidt. Aber es war doch anders. Diesmal hatte | |
man nicht den Eindruck, Schmidt sabotiere seine Mitstreiter aus Langeweile | |
oder purer Lust an der Gemeinheit, so wie er das bei Feuerstein, Andrack | |
oder Pocher so oft getan hat. Nein, diesmal war Schmidt übermotiviert. Er | |
wollte unbedingt gut sein. Da macht er lieber alles selbst. Jan Böhmermanns | |
Film über seinen Undercover-Einsatz als Schweinegrippe-Patient in den | |
ProSieben/Sat.1-Nachrichten konnte dann auch nur deshalb gelingen, weil er | |
nicht gegen den Chef anspielen musste. Dabei kann man nur verlieren. | |
Entweder man kommt, wie Bauerfeind, kaum zu Wort. Oder man darf nur ein | |
vorher abgesegnetes Programm abspulen. Denn was auf der Bühne geschieht, | |
lässt Schmidt offenbar so lange einstudieren, bis der Meister zufrieden und | |
jede Spontaneität verloren gegangen ist. Wie zum Beispiel im neu | |
eingeführten Schnösel-Block, dem Kontrastprogramm zur Pocherschen | |
Schenkelklopferei, mit dem Schmidt sich offenbar wieder für seine alte | |
Rolle als Chef-Intellektueller des deutschen Fernsehens empfehlen möchte. | |
Zu diesem Zweck hat er sich, nur keine Experimente, den Schauspieler | |
Christian Brey aus seiner Heimatbasis Stuttgart eingeladen, mit dem er ein | |
offenbar vom ersten bis zum letzten Wort penibel auswendig gelerntes | |
satirisches Kulturfachgespräch führt. Die beiden hatten ihren Text so gut | |
studiert, dass sie ihn im Affenzahn herunterrasselten. Namedropping im | |
Sekundentakt. Im Studiopublikum wurde es ganz still dabei. | |
Auch die "Live-Schalte" zum FAS-Journalisten Peter Richter war eher bemüht | |
als geistreich. Dass Schmidt sich Richter ins Team geholt hat, lässt sich | |
wohl nur so erklären: Er will das Feuilleton verwirren. Er will sich daran | |
ergötzen, wie die Schreiber über ihren Kollegen herfallen. Geschenkt. Nach | |
Richters Zuschaltung durfte dann schnell nochmal Katrin Bauerfeind mit | |
einer ebenso auswendig gelernten Kunstsatire in Hochgeschwindigkeit über | |
die Bühne hetzen. Atemlos wirkt diese erste Ausgabe, als wolle Schmidt in | |
einer Sendung alles nachholen, was er in den letzten Jahren versäumt hat: | |
Politik, Kultur, Anspruch. | |
Da war der Gast Wolfgang Grupp, Inhaber des Trigema-Affens, eine wahre | |
Erholung. Grupp entschleunigte die Sendung, auch Schmidt entspannte sich. | |
Die Sendung war da ja schon fast geschafft, und Grupp - keine Experimente! | |
- ein Landsmann aus dem Schwabenland. Die beiden verstanden sich so gut, | |
dass Grupp Schmidt am Ende einen Platz in seiner Familiengruft anbot. | |
Gehört Schmidt jetzt also wieder zur Familie? Darf er wieder dauerhaft auf | |
unserem Bildschirm wohnen? Seien wir hoffnungsvoll. Hoffen wir, dass er | |
sich etwas beruhigt. Hoffen wir, dass sich sein Team noch entwickelt. | |
Hoffen wir, dass ihm nicht in drei Monaten schon wieder alles scheißegal | |
ist. Denn eines ist ja klar: Mit ihm geht es auf die Dauer nicht. Aber ohne | |
ihn noch viel weniger. | |
19 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Stefan Kuzmany | |
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