# taz.de -- Hüttendorf bei Calais: Raus aus dem Dschungel | |
> In Nordfrankreich leben hunderte Menschen unter Plastikplanen – jetzt | |
> will die Regierung das Lager räumen. Die Lage der Flüchtlinge sei ein | |
> europäisches Problem, sagen Aktivisten. | |
Bild: Ein europäisches Problem, sagen Aktivisten. | |
Noch vor Ende der nächsten Woche will der französische Minister für | |
Immigration und nationale Identität den "Jungle" räumen. In dem Zeltlager | |
in einem Wäldchen am Ortsrand der nordfranzösischen Stadt Calais lebten am | |
Sommeranfang rund 700 meist sehr junge Migranten. | |
Während Gerüchte zirkulieren, dass das Lager schon am Montag, direkt nach | |
dem Ende des Ramadan, geräumt werde, halten sich dort Ende dieser Woche nur | |
noch rund 300 Menschen auf. Die Mehrheit von ihnen stammt aus Afghanistan, | |
Pakistan, dem Irak und dem Iran. Eine Minderheit kommt aus Somalia, Eritrea | |
und dem sudanesischen Darfur. Alle nennen Großbritannien, auf der anderen | |
Seite des Ärmelkanals, als ihr Ziel. | |
Minister Eric Besson will, indem er die aus Plastikplanen, Holz und Metall | |
zusammengezimmerten Unterkünfte räumen lässt, nach eigenem Bekunden "ein | |
Zeichen gegen die Schleppermafia setzen". Und zugleich gegen die | |
"zunehmende Kriminalität" in Calais kämpfen. Besson bietet den Migranten | |
"individuelle Lösungen" an. Damit sind unter anderem Beihilfen zur | |
"freiwilligen Rückkehr" in deren Herkunftsländer gemeint. | |
Die Parteibasis der rechten UMP und manche Anwohner des klandestinen Lagers | |
applaudieren dem Minister. Hilfsorganisationen hingegen, die den Migranten | |
mit Essen, Kleidung und Medikamenten zur Seite stehen, versichern, dass | |
eine Räumung das Problem bloß verlagere. "Die Migranten haben sich längst | |
auf viele kleinere Lager in der Region verteilt", sagt Charles Framezelle, | |
ein Freiwilliger, der seit Jahren in Calais gestrandete Jugendliche | |
betreut. "Je größer die Hindernisse für sie werden, desto stärker werden | |
sie in die Arme von Schleppern getrieben", ergänzt Jean-Pierre Alaux von | |
der Migrantenhilfsorganisation Gisti. | |
Das Zeltlager, das sowohl die Bürger von Calais als auch die Migranten | |
"Jungle" nennen, ist nach der Räumung eines anderen, freilich legalen | |
Lagers in unmittelbarer Nachbarschaft von Calais entstanden: Im Dezember | |
2002 schloss der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy in | |
Absprache mit seinem britischen Kollegen das Durchgangslager von Sangatte. | |
Damals wie heute halten sich die Migranten oft monatelang in Calais auf. | |
Sie sind auf heimlichen, langen und extrem teuren Wegen von Schleppern bis | |
nach Frankreich gebracht worden. Von der französischen Hafenstadt aus | |
versuchen sie, entweder durch den Eisenbahntunnel des Eurostar oder auf | |
Fähren versteckt auf die britische Insel zu kommen. | |
Manche der freiwilligen Helfer in Calais sind wegen "Hilfe zum illegalen | |
Aufenthalt in Frankreich" bereits selbst angeklagt worden. Michael | |
Dauvergne, von der Hilfsorganisation C-Sur in Calais, versteht sein | |
Engagement nicht nur als humanitär. "Die Lage der Migranten bei uns ist | |
Ausdruck eines europäischen Problems", sagt Dauvergne. "Unsere Hilfe ist | |
ein Tropfen in einem Ozean des Elends. Wir müssen auf europäischer Ebene | |
eine Lösung für ihre Lage suchen." | |
18 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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