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# taz.de -- Streik der Praktikanten: Protest ist peinlich
> Überstunden, kein Geld und das alles für ein Zeugnis – Praktikanten haben
> es nicht überall gut. Das Creative Village ruft jetzt Praktikanten zum
> Streik auf: Geht auf die Straße!
Bild: In einer taz-Beilage rufen die Praktikanten zum Streik auf.
Seit Wochen fahre ich mit einem Fahrrad durch Berlin, an dessen Lenkrad ein
Pappschild baumelt: "[1][Prakti-Streik 2009]" steht da drauf. Ich liebe,
wie es schief im Wind hängt. Strampelnd ernte ich viele Blicke:
aufmunternde von den Älteren (50+), abfällige von den Mittleren (35-50),
gar keine von den Jüngeren (20-35).
Die schauen meist auf den Boden, hören Musik, sind mit den Sinnen woanders.
"Was macht der Teenie-Aufstand?", fragt mein bester Freund Sven, der in
einer Werbeagentur 5.000 Euro im Monat verdient und versucht, mein
Pappschild herunterzureißen. "Geht", sage ich, halte das Schild fest und
denke an all die jungen Augen, die tot an den roten Ampeln stehen.
Ich gehöre zu einer Generation, die am liebsten gar keine Generation mehr
wäre; einer Generation von Einzelkämpfern, die sich ihr gemeinsames
Lebensgefühl bei Sartre ausgeliehen hat: L‘enfer, c‘est les autres, die
Hölle, das sind die anderen – und zwar mitnichten die Vorgesetzten, die
nicht zahlen aber viel verlangen, sondern die Mitabsolventen, die einem den
eigenen Platz an der Sonne streitig machen.
Dass nach dem summa cum laude erst einmal ein Prakti cum laude folgen muss,
hat diese Generation längst akzeptiert – und so vollständig in den eigenen
Lebensentwurf integriert, dass sich das Bild des ausbeuterischen Chefs oder
der sklaventreibenden Chefin oft erübrigt: Der junge Akademiker und die
junge Akademikerin erniedrigen sich munter selbst, Hilfe Dritter bedarf es
da wenig.
Wäre vor zehn, fünfzehn Jahren höchstens hinter vorgehaltener Hand
zugegeben worden, dass die eigene Arbeitskraft für Nichts hergegeben wird,
ist ein unbezahltes Praktikum heute zum Statussymbol avanciert: Je nobler
die für den Lebenslauf gesammelte Büroadresse, umso lauter darf über sie
geredet werden, umso größer fällt die Anerkennung der Umstehenden aus. Und
während zumindest im engsten Familienkreise der Jammer über die
finanziellen Nöte groß ist, wird in der Firma hofiert und gesäuselt, was
das Zeug hält.
Dabei teilt diese Generation laut einer Studie des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales durchaus hehre, wenngleich etwas konservativ anmutende
Ziele: Eine Arbeit mit einem verlässlichen Einkommen zu finden, die
obendrein noch Spaß macht bewerten 92% bzw. 89% der Befragten als sehr
wichtige Aspekte im Berufsleben, dicht gefolgt von der Sicherheit am
Arbeitsplatz (89%) und einer würdigen Behandlung durch die Vorgesetzten
(85%).
Paradoxerweise sind es jedoch keineswegs diese rechtschaffenen Forderungen,
die meiner Generation ein Gesicht geben – vielmehr ist das Gegenteil der
Fall: Geeint sind wir vor allem in der Bereitschaft, das, was wir im
Berufsleben als wichtig erachten, mit Füßen zu treten – und zwar so lange,
bis irgendwann auch ein Platz frei wird für uns.
Und so sitzen der und die Prakti bis spät abends noch hörig vor ihrem
Computer-auf-Zeit, verzichten auf Urlaubstage, feiern niemals krank –
während die Chefs sich ins Fäustchen lachen. Doch Recht haben sie, denn wer
nichts fordert, verdient weder Geld noch Respekt. Wir sind Ehrenamtliche
ohne Ehre noch Amt, doch protestieren, nein, das wagen wir nicht.
Mein Pappschild werde ich auch in den nächsten Wochen spazieren fahren. Ich
werde es gegen Aggressoren verteidigen, vielleicht noch ein zweites an den
Gepäckträger montieren. Und wenn meine Generation an roten Ampeln nach
unten blickt, dann mache ich Krach – eine Hupe habe ich bereits.
24 Sep 2009
## LINKS
[1] /taz/pdf/streikbeilage09.pdf
## AUTOREN
Anna Mauersberger
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