# taz.de -- Prinzip Bayern: Das Duell, das nie eins war | |
> In der Tabelle sieht es aus wie ein Spitzenspiel und manche wähnen sogar | |
> eine historische Rivalität zwischen dem Hamburger SV und dem FC Bayern. | |
> Aber der FC Bayern war immer eine Klasse für sich. Der HSV konnte nur | |
> gelegentlich mithalten. Vielleicht heute wieder? | |
Bild: Eine von vielen Begegnungen: HSV-Stürmer Karsten Bäron (l.) scheitert a… | |
Die Bayern sind der Job, den du nicht kriegst, weil ein dicker Glatzkopf | |
die besseren Verbindungen hat. Die Bayern sind das Mädchen, das du nicht | |
kriegst, weil der andere etwas hat, was du nicht hast und von dem du weißt, | |
dass du es nie bekommst. Die Bayern sind der größte Haufen, auf den der | |
Teufel scheißt. | |
Die Bayern zeigen, dass es eine Soziologie des Sports gibt. Oben und unten. | |
Sie sind die Klassenstruktur, an der man sich den Kopf einrennt. Die Bayern | |
zerstören die Illusionen, die man sich vom Fußball macht. Von den Bayern | |
kann man lernen, wie der Fußball funktioniert, und viel über das, was nicht | |
Sport ist. Weil die Bayern zeigen, dass es kaum Unterschiede gibt, zwischen | |
dem Sport und allem anderen. Manchmal kann man sie austricksen, aber da | |
muss viel zusammenkommen. | |
Jeder hat sein Bayern. Für den FC St. Pauli ist der HSV Bayern. Für den VfL | |
Osnabrück ist der FC St. Pauli Bayern. Für Altona 93 ist der VfL Osnabrück | |
Bayern. Für Bayern wiederum ist der FC Barcelona Bayern. Und für den FC | |
Barcelona ist es Manchester United. Nur ManU hat kein Bayern. | |
Einmal in seiner Geschichte stank der Hamburger SV gegen den Bayern-Haufen | |
an. Das war Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre. Von diesen | |
Jahren träumen sie noch heute. Der HSV-Manager hieß Günter Netzer, die | |
Trainer Branko Zebec und Ernst Happel. In den Jahren 1979, 1982 und 1983 | |
wurde der HSV Deutscher Meister. Da hatten die Bayern eine Schwächephase: | |
1982 Dritter, 1983 Vierter, 1984 Vierter. Während sich die Fans aller | |
Vereine an die Titel ihrer Clubs erinnern, erinnern sich Bayern-Fans an | |
Jahre, in denen sie leer ausgingen. | |
Bayern-Fans sind anders. Wollen nichts lernen übers Verlieren und die Liebe | |
zum Verlierer. Wie viele Bayern-Fans hier leben, wurde deutlich am letzten | |
Spieltag der Saison 1999/2000. Schalke gewann in Unterhaching mit 5 : 3 und | |
sah wie der Meister aus. In Hamburg köpfte Sergej Barbarez in der 90. | |
Minute das 1 : 0 gegen die Bayern. Markus Merk ließ so lange nachspielen, | |
bis Mathias Schober im Tor des HSV einen Rückpass, der keiner war, aufnahm. | |
Das Unheil nahm seinen Lauf. Merk pfiff indirekten Freistoß. Stefan | |
Effenberg legte vor, Patrik Andersson schoss, durch die Mauer ins Tor zur | |
Meisterschaft. Wenn man wissen will, was die Bayern sind: das. | |
Und sie sind eine Wurstfabrik, katholisch, Lederhosen, gemütlich und böse, | |
hart und machen, als es dem FC St. Pauli schlecht ging, beim | |
Weltpokalsiegerbesieger ein Freundschaftsspiel, weil Manager Uli Hoeneß, | |
seit April 1979 im Amt, weiß, was die Menschen über seinen Club denken, und | |
erfolgreich auch darin ist, sie zu verunsichern. | |
Zwischen den Bayern und dem HSV gab es nie einen Zweikampf. In der großen | |
HSV-Phase waren die Bayern weg. Sie kamen wieder. Sind immer wieder | |
gekommen. In den Neunzigerjahren war der HSV ein schlecht geführter, | |
mittelmäßiger Club, dem der Abstieg drohte. Im Unterschied zu den Bayern | |
kam der HSV aus solchen Situationen nie durch Geld heraus, sondern durch | |
richtige Entscheidungen. Dietmar Beiersdorfer zum Sportdirektor zu machen | |
war eine, die weitere richtige Entscheidungen nach sich zog: | |
Niederländische Trainer, junge niederländische Spieler, Akzent auf die | |
Nachwuchsarbeit. Das brachte den HSV auf den Weg nach oben. Falsche | |
Entscheidungen, wie Beiersdorfer herauszuekeln, führen zu weiteren | |
Fehlentscheidungen: Die tölpelhafte Suche nach einem neuen Sportdirektor; | |
die Wiedereinsetzung eines gescheiterten Jugendleiters; die talentierten | |
Stürmer Maxim Choupo-Moting (1.FC Nürnberg), Änis Ben-Hatira (MSV Duisburg) | |
auszuleihen - und Euzebiusz "Ebi" Smolarek zu testen … | |
Kann sein, dass der HSV schon wieder auf dem Weg nach unten ist. | |
Die Bayern haben dem deutschen Fußball wenig gegeben. Den Libero immerhin. | |
Den wir Zlatko Cajkovski und Franz Beckenbauer verdanken, und an dem die | |
Bayern, die deutsche Nationalmannschaft und der deutsche Fußball 25 Jahre | |
festhielten. Spät führte Ottmar Hitzfeld die Raumdeckung bei den Bayern | |
ein. Den Anschluss an den Fußball, der international erfolgreich ist, | |
versucht mit Louis van Gaal nun der dritte Trainer herzustellen. Felix | |
Magath und Jürgen Klinsmann scheiterten daran. | |
Branko Zebec und Ernst Happel ließen beim HSV modernen Fußball spielen. Da | |
war der HSV weiter als die Bayern. Die Bayern, und das ist die Strafe der | |
Erfolgreichen, hatten es nie nötig, etwas zu ändern, weil es meistens | |
reichte. Es ist schwierig, einer Mannschaft klarzumachen, dass sie mehr und | |
schneller laufen soll, wenn sie Meister geworden ist. Deshalb tun sich die | |
Bayern schwer, fußballerische Entwicklungen nachzuvollziehen. Und Initiiert | |
haben sie, anders als der SSV Ulm 1846, der SC Freiburg und die TSG | |
Hoffenheim, nie eine. | |
Auch in dieser Saison haben sie, was sie nicht hatten, gekauft. Taktische | |
Innovation durch van Gaal, Tempo durch Arjen Robben. So haben sie es immer | |
gemacht. Und wenn es irgendwie geht, bei Neuverpflichtungen die Konkurrenz | |
schwächen. Das war so bei Daniel van Buyten, Ivica Olic, Mario Gomez … | |
Der FC Bayern München beherrscht die Liga auch publizistisch. Dank | |
Springer. Er hat mit dem DSF einen Haussender, den er eigentlich nicht | |
braucht, weil er ja den Bayerischen Rundfunk hat. Vor der Saison blasen die | |
alle uns ein, dass gegen die Bayern keiner eine Chance hat. | |
Nicht oft war der HSV vor einem Spiel gegen die Bayern Tabellenführer. Noch | |
seltener war er es hinterher. Also los! | |
25 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
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