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# taz.de -- Experten geben Schulen Tipps: 83 Tipps gegen Amokläufe
> Ein Expertenkreis hat Maßnahmen ausgearbeitet, wie Schulen sich im Fall
> von Amokläufen besser schützen können. Schützenvereine bleiben jedoch
> verschont.
Bild: Ein erneutes Drama verhindern: Albertville-Realschule in Winnenden nach d…
Die Vorschläge betreffen viele, vom Schützenverein über die Politik bis zu
den Medien: 83 knappe und deutliche Punkte hat der "Expertenkreis Amok"
zusammengestellt, den die baden-württembergische Landesregierung nach dem
Amoklauf von Winnenden am 11. März einberufen hat. "Wir müssen alles
Menschenmögliche tun, um das Risiko erneuter Amokläufe zu reduzieren",
teilte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) gestern mit.
Eine oft benutzte Sprechformel, die gleichzeitig die Aussage des Berichts
trifft: Grundsätzlich verhindern lassen sich Amokläufe nicht. 13 Mitglieder
zählte die Kommission, darunter Kriminologen, Psychologen sowie einige
Politiker wie der Oberbürgermeister von Winnenden. Für eine weitere
Verschärfung des Waffenrechts wird sich Baden-Württemberg allerdings nicht
einsetzen. Auf dem Feld könne man keine großen Erfolge erzielen, sagte
Justizminister Ulrich Goll (FDP). Die neuen Gesetze werde man mit
"Augenmaß" umsetzen, sagte Innenminister Heribert Rech (CDU): "Wir werden
Waffenbesitzer freundlich und höflich auffordern, nachzuweisen, dass sie
einen Waffenschrank haben." Dazu genügt es, den Behörden ein Bild oder
einen Kaufvertrag vorzulegen. Die Verantwortlichkeit liege, so Rech, beim
Waffenbesitzer. Das könnten Kontrollen nicht abschaffen.
Nun bleibt es den Schützenvereinen vorbehalten, ihre Waffenbestände zu
reduzieren oder auf "besonders gefährliche Waffen" zu verzichten, wie es im
Bericht heißt - darauf solle man den Vereinen gegenüber "hinwirken". Wann
wie wer auf die Vereine einwirken soll, ließen die Experten aber offen. Sie
hörten auch Vertreter von Schützenvereinen und Verbänden an.
Konkret hingegen sind die Forderungen nach mehr Sicherheit im Falle eines
Amoklaufs: Warnsignale an Schulen sollen verbindlich eingeführt,
Schulleiter mit Pagern für eine Warnung ausgestattet werden oder Türen mit
einem Knaufsystem schnell verriegelt werden können. Zudem sollen Polizisten
den Ernstfall laufend trainieren und mit besserem Schutz wie etwa
kugelsicheren Helmen ausgestattet werden.
Aber auch beim Jugendschutz wollen die Experten ansetzen: Sie plädieren für
ein Verbot von "tötungsähnlichen" Spielen. Die Behörden sollten zudem mit
mehr Personal ausgestattet werden, um den Jugendschutz durchzusetzen. Auch
solle die Kompetenz von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Medien
ausgebaut werden. Hierzu hat das Land bereits angekündigt, 2,8 Millionen
Euro zu investieren. Unter anderem sollen jährlich bis zu 500 Schülerinnen
und Schüler zu Medien-Mentoren für ihre Altersgruppe ausgebildet werden.
Scharf kritisierte Innenminister Rech die Berichterstattung der Medien über
den Amoklauf von Winnenden. Es habe "mediale Auswüchse gegeben, die man
nicht mehr hinnehmen darf". Rech sagte nicht, wen er meinte, er dürfte
jedoch unter anderem die Bild im Sinn gehabt haben. Sie zeigte Zeichnungen
mit einem feuernden Amokläufer und zu Boden sinkenden getroffenen Menschen.
Die Rektorin der betroffenen Albertville-Realschule beklagte sich über
Reporter, die Kindern Geld für Geschichten anboten. Die
Innenministerkonferenz will mit dem Deutschen Presserat nun Richtlinien
erarbeiten. Der Stuttgarter Expertenkreis fordert dazu wissenschaftlich
fundierte Regeln, um keine Nachahmer zu weiteren Taten zu animieren.
Der Expertenkreis zog auch Konsequenzen aus der Vorgeschichte des
Amokläufers Tim K., der vor seiner Tat in psychologischer Behandlung war.
Sie empfehlen, dass Ansprechpartner von problematischen Jugendlichen besser
untereinander vernetzt werden, Schulen, Polizei, Jugendamt und Psychologen
möglicherweise Daten austauschen. Auch soll ein Forschungsprojekt der FU
Berlin unterstützt werden und eine Stiftungsprofessur geschaffen werden -
beides zur Forschung an Früherkennung und Prävention. Mehr Berater,
Psychologen und Sozialarbeiter an Schulen sollen zudem mit einem
entsprechenden Leitfaden ausgestattet werden.
Die einzelnen Fachministerien in Baden-Württemberg beschäftigen sich nun
mit den Empfehlungen. Was davon umgesetzt wird, will die Regierung prüfen.
Ohnehin könnten viele Maßnahmen nur durch Bundesgesetze geregelt werden.
Trotzdem versprach Oettinger, möglichst viel davon umzusetzen - was im
Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes möglich ist.
1 Oct 2009
## AUTOREN
Ingo Arzt
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