| # taz.de -- Korenaische Doku: Liebe und Ehe in Südkorea | |
| > Ulrike Ottinger schätzt die visuellen Reize asiatischer Alltagskulturen. | |
| > Ihre Dokumentation "Die koreanische Hochzeitstruhe" handelt von Liebe und | |
| > Ehe in Südkorea. | |
| Bild: Reste vom Wal und dem, was man für dessen Fang braucht: Strand an der Be… | |
| Die östlichen Kulturen haben es Ulrike Ottinger angetan. Unter den rund 20 | |
| Filmen der Fotografin, Grafikerin, Film- und Opernregisseurin sind einige, | |
| die den visuellen Reichtum asiatischer Alltagskulturen, die Vielfalt | |
| exotischer Farben und Formen und nicht zuletzt die Rituale beschwören, die | |
| der mythische Urgrund dieser Traditionen sind. | |
| Ulrike Ottinger ist Sammlerin. Sie lebt mit Masken und Skulpturen, die das | |
| Alltagsgesicht des modernen Asiens transzendieren. Früh schon siedelt sie | |
| ihren Spielfilm "Johanna dArc of Mongolia" an einer der letzten Etappen der | |
| Transsibirischen Eisenbahn an, schuf eine Melange aus ethnologischer | |
| Erkundung und mondänem Reiseabenteuer aus weiblicher Sicht. Mit ihren | |
| Sitzfleisch fordernden Dokumentarfilmen "China. Die Künste. Die Menschen", | |
| "Taiga" und "Exil Shanghai" gehörte sie zu den Pionieren, die lange vor dem | |
| touristischen Boom die Schönheiten dieser Regionen für westliche Augen | |
| sichtbar machten. | |
| Oberfläche und Details im Farben- und Formenkanon asiatischer Kulturen | |
| faszinieren Ulrike Ottinger seit ihrer Kindheit. Die intensive Vorbereitung | |
| auf ihre Filmprojekte in der Fremde haben sie zu einer kunsthistorischen | |
| und kulturgeschichtlichen Expertin gemacht. Und doch konnte man sich in | |
| ihren großen Dokumentationen gelegentlich nicht des Eindrucks erwehren, | |
| dass die Impression und Ornamentik, die harmonische Balance der Phänomene | |
| in den Bildern manchmal für sie attraktiver schienen als eine tiefere | |
| Analyse menschlicher Verhältnisse. Vielleicht aber verdankt sich diese | |
| Wirkung ihrem Sinn für Diskretion und Distanz, für das feinere Regelspiel | |
| des Miteinander, das asiatische Umgangsformen prägt. | |
| Vor zwei Jahren wurde Ulrike Ottinger zum ersten Mal nach Korea eingeladen. | |
| Zum zehnjährigen Jubiläum des größten asiatischen Frauenfilmfestivals in | |
| Seoul sollte ein Episodenfilm mit zehn internationalen Beiträgen zum Thema | |
| "Seoul. Women. Happiness" entstehen. Zwischenzeitlich sollte sich das | |
| Projekt mit "Unhappiness" auseinandersetzen, weil man den Veranstalterinnen | |
| Finanzen entzog, doch die Berliner Filmemacherin fuhr nach Seoul, ging in | |
| den Straßen spazieren, nahm die Inspirationen des alltäglichen Lebens auf | |
| und begann zu filmen. | |
| Neben dem Beitrag zum Festival-Geburtstag entstand auf diese Weise viel | |
| Material zum Thema Liebe, Ehe, Hochzeitsrituale, das Ulrike Ottinger | |
| faszinierte. Zurück in Berlin montierte sie daraus "Die koreanische | |
| Hochzeitstruhe", eine kontemplative, leise humorvolle Betrachtung des | |
| "Alten im Neuen", mit dem sich koreanische Hochzeitspaare und ihre Familien | |
| ihrer kulturellen Wurzeln versichern. | |
| In einem ruhigen Bilderfluss (Kamera: Ulrike Ottinger und Lee Sunyoung), | |
| sparsam akzentuiert von traditioneller koreanischer Musik, führt die | |
| Filmemacherin in ein winterlich geprägtes Seoul ein. Sie zeigt einen | |
| verschneiten Tempel, in dem Brautleute ihre Glückwünsche an Zweigen | |
| befestigt haben, sie begleitet ein Paar zu einem Turm hoch über der grauen | |
| Metropole, wo die Liebenden zum Zeichen ihrer Treue ein weiteres zu vielen | |
| hundert anderen Schlössern am Gitter befestigen. Traditionelle und moderne | |
| Bräuche verschränken sich, erzählt die Filmemacherin in Episoden, die ohne | |
| Kommentar auskommen. Zu Beginn nur hört man sie mit ihrem süddeutschen | |
| Zungenschlag ein altes koreanisches Märchen vortragen, in dem zwei | |
| Ginsengwurzeln als Mann und Frau mit einer bilderreichen Hochzeit ihren | |
| Einstand in der menschlichen Gesellschaft feiern. | |
| Die traditionelle Hochzeitstruhe ist solch ein sinnlich fassbarer | |
| symbolischer Gegenstand, der bei einem klassischen Heiratsritual nicht | |
| fehlen darf. Dafür sorgen die Spezialisten unter den professionellen | |
| Festorganisateuren, deren stramme Perfektion der Party am Ende manch einen | |
| skurrilen Unterton verleiht. | |
| Ulrike Ottinger schaut hin und lässt sich die Dinge und ihre Magie | |
| beschreiben. In eine koreanische Hochzeitstruhe gehören kleine, sorgfältig | |
| ausgewählte, in farbige Tücher gewickelte Objekte, zum Beispiel | |
| Nahrungsmittel, die für das künftige Glück (das heißt traditionell: | |
| Kindersegen, Wohlstand und Gesundheit) stehen. Man sieht einer kundigen | |
| Bewahrerin der Sitte in ihrem alten Geschäft beim Packen zu und folgt ihrem | |
| Boten, der die Kiste in einem kompliziert gewundenen Haltegurt zum Haus der | |
| Braut trägt, denn Knoten im Gepäck könnten böse Geister auf den Plan rufen. | |
| Alle Strenge des tradierten Rituals fällt ab, wenn man den Feiern in einem | |
| der großen Hotels in Seoul beiwohnt. Vor der Kamera lösen sich die Rituale | |
| immer wieder in Gelächter auf. Längst nicht mehr alle Gäste haben die | |
| Gänge, die Kopfbewegungen, die Spiele ums symbolträchtige Verspeisen von | |
| Trockenobst präsent. Doch in Ulrike Ottingers Fundstücken koreanischer | |
| Glückszeremonien teilt sich der Spaß am "Alten im Neuen" unmittelbar mit. | |
| 1 Oct 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudia Lenssen | |
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