# taz.de -- 20 Jahre Mauerfall: Die letzte Geburtstagsparty der DDR | |
> Die Feiern zum 40. Jahrestag der DDR beginnen als schlechter Fake und | |
> enden als Gewaltorgie gegen friedliche Demonstranten. Honeckers Regime | |
> steht am Abgrund. | |
Bild: Erst gab es Küsschen, dann eine Rüge: Gorbatschow und Honecker am 7. Ok… | |
Heute weiß man, dass es die letzten Zuckungen des SED-Regimes waren - aber | |
die wurden noch einmal heftig am 40. Geburtstag der DDR. Mit Militärparaden | |
entlang der Karl-Marx-Allee und bis zur Lachhaftigkeit von der eigenen | |
Bevölkerung entfremdet, feierte damals die greise ZK-Führung sich selbst | |
und 40 Jahre Arbeiter-und- Bauern-Staat: bewacht von Heerscharen von | |
Soldaten, der Volkspolizei und der Stasi. Denn es gärte gewaltig in den | |
Seitenstraßen zur Aufmarschmeile. Es war gefährlich am 7. Oktober 1989 in | |
Ostberlin. | |
Markus Meckel, Mitbegründer der "Ost-SPD" und langjähriger | |
Bundestagsabgeordneter, und andere aus dem Kreis damaliger DDR-Dissidenten | |
haben später den 7. Oktober in den Kontext des Tiananmen-Massakers in | |
Peking vom Frühjahr 1989 gerückt. Sie sprachen von der Angst vor der | |
"chinesischen Lösung", die die Menschen auf den Straßen in Berlin und | |
Leipzig und Potsdam in jener Nacht 1989 fürchteten. | |
Die Furcht war berechtigt. In den Tagen vor dem organisierten Massenjubel | |
hatte die Staatsführung als Signal gegen mögliche "Provokateure" und zur | |
Sicherung der Feierlichkeiten immer mehr Soldaten in der Stadt | |
zusammengezogen. Es galt Alarmbereitschaft. Dass gleichzeitig in Peking - | |
bei dem dortigen Geburtstagsfest zur Gründung der VR Chinas - Egon Krenz | |
mit dem Satz: "In den Kämpfen unserer Zeit stehen DDR und China Seite an | |
Seite" im Neuen Deutschland zitiert wurde, weckte weitere Befürchtungen, | |
dass auch das Politbüro bereit sein könnte, Demonstrationen gewaltsam | |
niederzuschlagen. | |
Hinzu kam, dass trotz des in Szene gesetzten Massenjubels am 7. Oktober der | |
SED-Staat zutiefst irritiert war durch seine politische, materielle und | |
existenzielle Krise. In diesem Kontext eigener Verunsicherung zielte die | |
Stimmung, die die SED im Vorfeld der Feierlichkeiten aufgebaut hatte, | |
darauf ab, "alle Bürger einzuschüchtern", wie es der Historiker | |
Hans-Hermann Hertle beschrieb. Ein Klima aus Macht und Machtlosigkeit lag | |
über Ostberlin. | |
Der 40. DDR-Geburtstag verlief für Erich Honecker zum Teil demütigend. Als | |
Kreml-Chef Michael Gorbatschow in Ostberlin eintraf, wurde er schon auf der | |
Fahrt in die Innenstadt von Zehntausenden für seine Reformpolitik | |
Perestroika bejubelt. "Gorbi"-Rufe erschallten, viele skandierten "Gorbi, | |
hilf!" | |
Gorbatschow in seinen "Erinnerungen": "Honecker wurde kaum beachtet, als | |
wir das Menschenspalier vor dem Palast der Republik durchschritten." Nervös | |
reagierte das Regime auch auf Gorbatschows spontanen Auftritt vor Reportern | |
an der Neuen Wache, wo der berühmte Satz fiel: "Wenn wir zurückbleiben, | |
bestraft uns das Leben sofort." | |
Selbst die abstrusen Geburtstagsbeschwörungen mit den Parteichefs der | |
"sozialistischen Bruderländer" und dem späteren Tänzchen von Erich und | |
Margot Honecker im Palast der Republik verliefen gespannt. Das Regime | |
versucht, sich mit allen Mitteln noch einmal selbst zu inszenieren. Was | |
nicht gelang. "Man sah, dass er [Erich Honecker, d. V.] sich nicht wohl in | |
seiner Haut fühlte", schrieb Gorbatschow. | |
Entladen konnte sich die gespenstische Spannung, kaum dass Gorbatschow am | |
Abend des 7. Oktober abgereist war. Während tausende Demonstranten vor dem | |
Palast und rund 2.500 Oppositionelle in der Gethsemanekirche der | |
Staatsmacht friedlich mit Kerzen entgegentraten, wie die Beauftragte für | |
die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, erinnerte, rief dies beim Regime | |
nur das Trauma des Arbeiteraufstands vom 17. Juni 1953 hervor. Mit dem | |
"Humanismus" sei es jetzt vorbei, brüllte Stasi-Chef Erich Mielke vor dem | |
Palast der Republik. | |
Die Staatsmacht zeigte Härte, es kam zu einer Orgie der Gewalt von | |
Staatssicherheit und Polizei in Prenzlauer Berg. Die "Zusammenrottungen von | |
Randalierern", wie die Nachrichtenagentur ADN höhnte, wurden | |
niedergeknüppelt, alle Proteste wurden brutal beendet, Hunderte verhaftet | |
und abtransportiert. | |
Doch Honecker und Co. hatten Angst. Den Sekretären der SED-Bezirksleitungen | |
wurde noch am Abend telegrafisch mitgeteilt, dass die Demonstrationen | |
"gegen die verfassungsgemäßen Grundlagen unseres sozialistischen Staates | |
gerichtet" seien. Es sei damit zu rechnen, dass es zu weiteren "Krawallen" | |
käme. Für diesen Fall erteilte man den Befehl: "Sie sind von vornherein zu | |
unterbinden." | |
Dazu kam es nicht. Die Sicherheitskräfte griffen nach dem 7. Oktober nicht | |
mehr gewaltsam ein. Die Macht des Volkes ließ keine "chinesische Lösung" | |
zu. Die DDR-Party war an ihrem 40. Geburtstag beendet. | |
6 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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