# taz.de -- Knast statt Buchmesse: Unbequeme Autoren | |
> Nicht alle chinesischen Schriftsteller dürfen die Buchmesse besuchen. | |
> Einige sitzen im Gefängnis, andere wie zum Beispiel Liao Yiwu wurden | |
> durch Polizisten an der Ausreise gehindert. | |
Bild: Demonstranten in Hongkong fordern die Freilassung von Liu Xiaobo, dem Vor… | |
PEKING taz | Kurz vor der Frankfurter Buchmesse hat die US-amerikanische | |
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch 37 Autoren aus 19 Ländern für | |
ihre Zivilcourage und ihren Einsatz für die Pressefreiheit ausgezeichnet. | |
Zu den Preisträgern gehören vier Schriftsteller aus China: | |
Hu Jia sitzt im Gefängnis. Im April 2008 wurde er wegen „Anstiftung zur | |
Untergrabung der Staatsgewalt“ zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sein | |
Verbrechen: Er hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder für andere | |
Bürgerrechtler eingesetzt, die von den Behörden schikaniert wurden, und | |
zahlreiche Artikel über Themen wie Umweltschutz, Aids, Buddhismus, | |
Gerechtigkeit und Meinungsfreiheit veröffentlicht. 2007 nahm er per | |
Video-Schaltung an einer Anhörung des Europäischen Parlaments zur Situation | |
der Menschenrechte in China teil. Ein Monat später wurde er festgenommen. | |
Hu Jia ist schwer leberkrank, ein Antrag auf Freilassung aus medizinischen | |
Gründen wurde abgelehnt. | |
Shi Tao ist im Jahr 2005 zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er | |
„illegal Staatsgeheimnisse ans Ausland geleitet“ haben soll. Der Journalist | |
und Dichter hatte einer ausländischen Menschenrechtsorganisation anonym von | |
der Pressezensur durch die chinesischen Propaganda-Behörden berichtet. Die | |
Zensoren wollten verhindern, dass an das Tiananmen-Massaker vom 4. Juni | |
1989 erinnert wurde. Hongkongs Yahoo verriet der chinesischen Polizei | |
seinen Namen und ermöglichte so die Verhaftung. Im vergangenen Jahr | |
veröffentlichte der internationale PEN-Club zur Erinnerung an Shi Tao in | |
mehreren Sprachen sein Gedicht „juni“: „Nicht ein tag ohne juni/ im juni | |
starb mein herz starben meine lieder auch meine geliebte starb in einer | |
lache romantischen blutes/im juni platzt in der sonne die brennende haut | |
zeigt sich die wahrheit der wunden/ im juni verlassen die fische das | |
blutrote meer um anderswo in den winterschlaf zu fallen/ im juni ändert die | |
erde ihre gestalt die flüsse geben keinen laut unzustellbar türmen sich die | |
briefe der lebenden an die toten.“ | |
Tsering Woeser steht unter verschärfter Bewachung. Die tibetische | |
Schriftstellerin und Dichterin lebt in Peking. Sie ist mit ihren in | |
chinesischer Sprache veröffentlichten Kurzgeschichten und Berichten über | |
Tibet bekannt geworden. Ihre Bücher sind in China verboten, ihr | |
Internet-Blog, in dem sie über die Entwicklung in ihrer tibetischen Heimat | |
informiert, ist seit den Unruhen vom März 2008 ebenfalls gesperrt. | |
Nurmuhemmet Yasin wurde 2004 verhaftet, nachdem er eine Novelle unter dem | |
Titel „Wilde Taube“ veröffentlicht hatte. Der uigurische Schriftsteller und | |
Poet hatte darin über das Leid eines Taubenkönigs geschrieben, der im Käfig | |
gefangen gehalten wird und eine neue Heimat für seinen Taubenschwarm sucht. | |
Das reichte, um ihn zu zehn Jahren Gefängnis wegen Anstiftung zum | |
Separatismus der uigurischen Bevölkerungsgruppe zu verurteilen. Er sitzt | |
nun, ohne Kontakt zur Außenwelt, im Gefängnis Nr. 1 von Urumqi. | |
Diese vier Schriftsteller aus China sind nicht die einzigen, die an einer | |
Reise nach Frankfurt gehindert werden: | |
Dazu gehört auch der Vorsitzende des unabhängigen Pen-Clubs von China, Liu | |
Xiaobo. Der Philosoph und Autor wurde im vergangenen Dezember von | |
Polizisten aus seiner Wohnung verschleppt – einen Tag, bevor die von ihm | |
mit verfasste „Charta 08“ am 10. Dezember im Internet veröffentlicht wurde. | |
Darin forderten Liu und über dreihundert weitere Chinesen mehr politische | |
Freiheiten und grundlegende Reformen. Obwohl die „Charta 08“ im | |
chinesischen Internet sofort gesperrt wurde, kursiert sie weiter. | |
Inzwischen haben Tausende Chinesen das Dokument unterzeichnet. Liu soll | |
wegen „Anstiftung zur Untergrabung der Staatgewalt“ der Prozess gemacht | |
werden. Ein Buch mit seinen Gedichten wird bei der Buchmesse vom | |
Goethe-Institut ausgestellt werden – allerdings nicht auf den offiziellen | |
Ständen der Volksrepublik zu finden sein. | |
Eingesperrt ist auch Tan Zuoren, Autor und Bürgerrechtler aus der Stadt | |
Chengdu in der Provinz Sichuan. Er wurde im März dieses Jahres | |
festgenommen, nachdem er im Internet über seine Versuche berichtet hatte, | |
die Gründe für die hohen Opfer unter Schulkindern beim Erdbeben vom 12. Mai | |
2008 zu untersuchen. Damals waren besonders viele Schulen eingestürzt, | |
offenbar, weil beim Bau gepfuscht worden war. Zur Last gelegt wird ihm | |
auch, dass er zur Erinnerung an das Tiananmen-Massaker vom 4. Juni 1989 | |
dazu aufgerufen hatte, Blut zu spenden. Tan wird der „Anstiftung zur | |
Untergrabung der Staatsgewalt“ beschuldigt. Als der prominente Künstler Ai | |
Weiwei im August dieses Jahres nach Chengdu fuhr, um beim Prozess gegen Tan | |
dabeizusein, schlugen Polizisten ihn in seinem Hotelzimmer so brutal | |
nieder, dass Ai später – offenbar als Folge – wegen einer Blutung im Gehirn | |
in München operiert werden musste. | |
Der Autor und Musiker Liao Yiwu ist auf freiem Fuß, er darf aber - trotz | |
Einladung aus Deutschland – nicht zur Buchmesse ausreisen. Polizisten | |
hinderten ihn daran. Liao ist bekannt für seine Interviews mit Menschen vom | |
Rand der chinesischen Gesellschaft. Einige davon sind in seinem nun auf | |
Deutsch erschienenen Buch „Fräulein Hallo und der Bauernkaiser“ zu lesen. | |
Nach dem 4. Juni 1989 hatte er ein Gedicht „Massaker“ veröffentlicht und | |
dafür vier Jahre lang im Gefängnis gesessen. In China sind seine Bücher | |
verboten, aber als Raubkopien von in Hongkong und Taiwan gedruckten | |
Ausgaben zu finden. | |
13 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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