# taz.de -- Kulturpolitik in China: Die Kultur, eine Armee ohne Waffen | |
> In China entdeckt die politische Elite die Kultur als "sanfte Macht". | |
> Chinaexperte Michael Kahn-Ackermann verurteilt dieses Konzept: Es | |
> zerstöre die Kunst. | |
Bild: Gegen die Idee von Kultur als sanfter Macht: Michael Kahn-Ackermann | |
Softpower – das ist im Moment der Modebegriff in China. Kulturpolitiker | |
lieben ihn. Stolz erklärt auch der Vizedirektor des vor zwei Jahren in | |
Hamburg gegründeten Konfuzius-Instituts, Wang Hongtu, wie großartig es sei, | |
dass die chinesische Regierung die Kreativindustrie endlich als | |
Machtfaktor, als Stärke begriffen habe. Und nicht mehr allein auf die | |
Stahlindustrie setze, fügt er auf einem Podium der Frankfurter Buchmesse | |
hinzu. Sein Gesprächspartner Michael Kahn-Ackermann, der Leiter aller | |
Goethe-Institute in China, widerspricht. "Softpower" bedeute, dass man eine | |
Armee in ein fremdes Land schicke, nur eben ohne Waffen. Eine sanfte | |
Eroberung. Die Moderatorin lächelt vorsichtig. Kahn-Ackermann ist in China | |
eine hoch geachtete Persönlichkeit. | |
Jeder Kulturinteressierte kennt den Sinologen, der seit zwanzig Jahren in | |
China lebt, das Goethe-Institut Peking in den 70er Jahren aufgebaut hat, | |
zwischenzeitlich nach Moskau ging, und dann in den 90er Jahren wieder nach | |
Peking zurückkam. Kahn spricht fließend Chinesisch, auf der | |
Buchmessenveranstaltung "Ein Dialog zwischen Konfuzius und Goethe" | |
übersetzt und moderiert er sich selbst. Angesichts des ihm leidigen | |
kulturpolitischen Konzepts redet er sich in Rage. Warum dieser Ansatz | |
gefährlich sei? Nimmt die Politik die Kunst in den Dienst, zerstört sie | |
ihre Grundlagen. Sein Kollege aus Hamburg lächelt höflich. Aber es sei ein | |
Anfang, wendet er ein. | |
Jetzt muss man wissen, dass das chinesische Äquivalent zu den | |
Goethe-Instituten erst vor kurzem gegründet wurden. Sie sind das direkte | |
Resultat davon, dass die KP die Kultur als weichen Standortfaktor entdeckt | |
hat. Weicher Standortfaktor, diese Idee ist auch bei deutschen | |
KulturpolitikerInnen beliebt. Mit Kunst hat sie nichts am Hut, eher mit | |
kommerzieller Unterhaltung. Auch sie haben schon erfahren, dass Kunst sich | |
um Nutzungskonzepte nicht kümmert. Jetzt setzt Kahn-Ackermann zur | |
Verteidigung von eben dieser widerspenstigen Kunst an, und man hört gerne | |
noch einmal zu, obwohl seine Argumentation nicht neu ist. Elegant und | |
zielstrebig treibt Kahn seinen Gesprächspartner weiter in die Ecke. Man | |
müsse sich doch nur die zeitgenössische chinesische Kunst ansehen, sagt | |
Ackermann. Sie sei derzeit der treibende Motor innerhalb der chinesischen | |
Gegenwartskultur. Dabei habe sie sich jenseits der staatlichen Förderung | |
entwickelt, in Teilen sogar ganz bewusst gegen die Staatskultur | |
positioniert. Das ist nicht gerade eine Hommage an die chinesische | |
Literatur, aber niemand im Publikum murrt auch nur. | |
Und wie sieht die chinesische Kunst- und Kulturszene die neue staatliche | |
Kulturförderung? Fühlt sie sich von der Softpower gegeißelt oder | |
geschmeichelt? Meine Frage greift Wang Hongtu gerne auf. Nein, sagt er, für | |
die chinesischen Kulturschaffenden sei das kein Problem. Er, der überzeugt | |
ist, dass die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen Deutschen und Chinesen | |
inzwischen die Differenzen überwiege, glaubt in dieser Frage ein typisches | |
interkulturelles Missverständnis zu erkennen. Die Kultur in China benötige | |
jede Unterstützung, die sie bekommen kann, sagt er leise aber entschieden. | |
"Wir stehen am Anfang, und wir brauchen Geduld und Selbstbewusstein." | |
Der chinesische Kollege neben mir blättert schon eine ganze Weile | |
konzentriert im Buchmessenprogramm. Das Konfuzius-Institut sei reine | |
Propaganda, erklärt er mir. Wenn Kulturvermittlung nur so ginge, dann bitte | |
gar keine. | |
14 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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