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# taz.de -- Handwerk: Sag es durch den Sarong
> Batik aus Indonesien gehört seit Kurzem zum Weltkulturerbe der Unesco.
> Die Muster der Batikstoffe erzählen Mythen und Wünsche. In der
> zentraljavanischen Stadt Yogyakarta ist die alte Tradition höchst
> lebendig
Bild: Batik-Festival in Solo, Indonesien
Gusti Bendara Raden Ayu Hajah Murdokusumo hat Dutzende verschiedener
Visitenkarten. Nicht etwa, weil der Name der Schwester des amtierenden
Sultans von Yogyakarta so lang wäre. Adelstitel und Erstnamen sind ohnehin
nur mit dem Initial GBRAy benannt und ebenso wie die Adresse auf jeder
Karte gleich. Darüber ist das Wappen des Sultanspalastes von Yogyakarta
abgebildet. Gusti Murdokusomo, wie die kleine, 66-jährige Dame von allen
ehrfurchtsvoll genannt wird, ist ein wandelndes Lexikon, was die Kunst der
Batik angeht.
Deswegen zieren Dutzende verschiedene Muster die Karten, mit denen sich
Gusti Murdokusumo vorstellt. Eine kleine Auswahl der 300 verschiedenen
Motive, die die Batikmacher im Palast im Laufe der Jahrhunderte
hervorgebracht haben. Manche zeigen Linien, Kreise, Punkte, streng
geometrisch angeordnet. Auf anderen sind Vögel und Blumen scheinbar wild
durcheinander gezeichnet. Vögel zeichnet die blaublütige Dame am liebsten.
Sie kniet vor ihrem Haus im Palastgelände auf dem Fußboden. Ein Mangobaum
spendet Schatten, ein Springbrunnen plätschert, Tauben gurren. Gusti
Murdokusumo zeichnet. Bedächtig taucht sie ein kleines Wachskännchen mit
einer Art Feder, den sogenannten Canting, in den Wachstiegel, der auf einem
kleinen Benzinkocher steht. Die linke Hand legt sie unter den weißen
Seidenstoff, auf dem bereits eine matte Zeichnung von Hähnen mit langen
Federn und riesigen Krallen zu sehen ist. Mit der rechten Hand zieht sie
mit dem Canting die Linien nach. Wenn der Stoff in einigen Wochen fertig
ist, wird der jetzt noch weiße Hintergrund schwarz sein, die Hähne
goldbraun, ihre Federn verziert mit dunkelblauen Strichen und Punkten.
Schon als Fünfjährige habe es sie magisch angezogen, erinnert sich die
Adlige, wenn die Frauen im Palast die Stoffe mit Wachs bemalten. Die
Angebote des kleinen Mädchens zum Mitmachen wurden jedoch abgelehnt. So
schnappte sich Gusti Murdokusumo regelmäßig einen Canting, wenn eine der
Frauen pausierte, und sorgte regelmäßig für Ärger, wenn sie mal wieder ein
sorgsam bemaltes Stück "verschandelt" hatte.
Batik, das Wort wird aus dem Javanischen "ambatik" hergeleitet, "amba"
heißt schreiben, "titik" steht für Punkt. Die Kunst des "Punkteschreibens"
ist eine Geduldsprobe. Schicht um Schicht wird das Wachs aufgetragen, dann
wird der Stoff gefärbt, getrocknet, das Wachs wieder abgeschmolzen. Danach
erneut eine Schicht Wachs, jeder Punkt, jeder noch so kleine Strich von
Hand gezeichnet. Um Perfektion zu erlangen, musste man viel Zeit haben, so
wie die Damen der Königshöfe in Zentraljava.
Im 16. Jahrhundert wurde das Batik-Handwerk auf Java erstmals schriftlich
erwähnt. Manchen gelten jedoch die Darstellungen von Tempeltänzerinnen in
gemusterten Sarongs auf den Reliefs alter hinduistischer Tempel als Beweis,
dass es Batik auf Java schon seit über tausend Jahren gibt. Die alte
Tradition fand vor Kurzem internationale Ehrung. Anfang Oktober nahm die
Unesco die Tradition der handgemachten indonesischen Batik in ihre Liste
des "lebendigen Weltkulturerbes" auf. Damit erkennt die Unesco Traditionen
an, die "Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fähigkeiten umfassen,
die von Generation zu Generation weitergegeben werden und bei
Gemeinschaften und Gruppen fortgesetzt eine gemeinsame Identität stiften".
Aus Indonesien finden sich bislang die Traditionen des Schattenspiels und
der Kris-Dolche auf dieser Liste.
Nun feiert das ganze Land die Würdigung der Batiktradition, die es nicht
nur in Yogyakarta gibt. Auf Java gelten Solo (Surakarta), Cirebon,
Pekalongan und die Insel Madura als weitere Hochburgen der traditionellen
Batikproduktion. Und auch auf zahlreichen anderen indonesischen Inseln
werden Stoffe mit der alten Wachstechnik verziert.
Wie viel Arbeit und vor allem wie viel Fantasie in einem Stück
handgemachter Batik steckt, kann erahnen, wer sich die Zeit nimmt, dieses
sehr lange zu betrachten. Aus einem Gewirr von Farben und Linien, das das
Auge auf den ersten Blick überfordert, schälen sich langsam einzelne
Symbole heraus. Zahlreiche Mythen sind in diese Stoffe eingeschrieben.
Teile des ursprünglich aus Indien stammenden Ramayana- Epos zum Beispiel,
in dem die schöne Prinzessin Sita vom Dämonen Ravana entführt und vom
Prinzen Rama befreit wird. Auch die zahlreichen Darstellungen des
Götterboten Garuda, halb Mensch, halb Adler, zeugen von der hinduistischen
Tradition im heute mehrheitlich muslimischen Indonesien. Das mystische
Wesen Garuda findet sich in zahlreichen Motiven, die früher dem
Sultanspalast in Yogyakarta (Kraton) vorbehalten waren. Zu jedem Motiv gibt
es eine Geschichte. Es gibt Muster, die bei der Brautwerbung getragen
wurden, andere bei Hochzeiten. Glückwünsche wurden bei Hofe nicht nur
verbal überbracht, sondern auch optisch signalisiert mit dem Muster, das
man trug. Generell galt: je größer die Muster, desto höher der Rang.
Gusti Murdokusumo kann den Batikkanon herunterbeten wie das Einmaleins. Es
war ihr Vater, Sultan Hamengkubuwono IX., der die einst dem Hofe
vorbehaltenen Muster in den 1940er-Jahren für die Öffentlichkeit "freigab".
Doch ganz frei von Regeln geht es auch heute nicht zu in der höfischen
Batikordnung. Wenn montags und dienstags zum Musizieren mit dem
traditionellen Gamelan-Orchester gerufen wird, dürfen die Palastmusiker
keine anderen Muster tragen als jene, die dem Kraton von Yogyakarta
zugeordnet werden. Man erkennt sie an ihren dunklen Farben, an der
Kombination von Braun, Blau und Schwarz. Und wer als Besucher den Kraton
betritt, darf zwar einen Sarong mit den diagonal verlaufenden abgerundeten
Linien des Parang- Barong-Musters tragen, das einst nur die Sultansfamilie
schmückte. Heute wird das Muster dank billiger Drucktechnik ohnehin
allerorten reproduziert. Doch wird dem Pöbel nur eine maximale Länge der
Linien bis 7 Zentimetern zugestanden, während der Sultan 15 bis 20
Zentimeter lange Linien tragen darf.
Das Zeichnen mit flüssigem Wachs will gelernt sein. Batikmachen ist nichts
für Zappelphilippe. Früher fasteten und meditierten die Batikmacher im
Palast, bevor sie ans Werk gingen. Während sie zeichneten, stimmten sie
gemeinsam Gesänge an. Das wird dem Batikschüler der Neuzeit nicht mehr
abverlangt. Aber wer zu Gusti Mudokusumo kommt, die auch Batikkurse
anbietet, muss zuerst üben, die Hände still und den Canting richtig zu
halten.
Acht Frauen, die das perfekt beherrschen, sind im Tamanan versammelt, einer
überdachten Terrasse am Rand des Palastgeländes. Sie alle haben die
Batikkunst schon als kleine Mädchen von ihren Müttern gelernt. Täglich von
9 bis 15 Uhr ziehen sie die Besucher in ihren Bann. Dann tauchen sie ihre
Cantings in den kleinen Wachstiegel, pusten ihn kurz an und ziehen Linien,
malen Kreise, tupfen Punkte. Zwei bis drei Monate dauert es, bis ein Stoff
fertig bemalt und gefärbt ist. Wer ein Stück echte Kratonbatik erwerben
will, kann das hier tun, für rund 1 Million Rupiah pro Stoff (rund 70
Euro). "Klar gibt es viele Motive inzwischen auch anderswo und billiger",
sagt die 46-jährige Surajiyem. Aber da viele Batikmacher nichts mehr über
die alten Muster wissen, würden Muster schon mal seitenverkehrt auf den
Stoff gebannt oder wichtige Details fielen weg. "Die alten Motive in ihrer
reinen Form, die finden Sie nur hier", sagt Surajiyem.
Beim Verkauf der höfischen Batik erweist sich die Sultansfamilie als
geschäftstüchtig. Die Frauen, die die Batik machen, erhalten nur einen
Bruchteil des Verkaufspreises und Essengeld. Dennoch würde keine von ihnen
ihren Arbeitsplatz tauschen wollen. Denn die Batikfrauen aus dem Palast
genießen hohes Ansehen. Surajiyem ist gerade von einer offiziellen Reise
aus Japan zurückgekehrt, wo sie ihre Batikkunst vorgeführt hat. Sie mag die
Ruhe, die in ihrer Arbeit liegt, das bedächtige Zusammensitzen mit ihren
Kolleginnen. "Das Einzige, was stört", sagt Surajiyem und lacht dabei,
"ist, dass einem so oft die Füße einschlafen."
14 Oct 2009
## AUTOREN
Annett Keller
## TAGS
Reiseland Indonesien
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