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# taz.de -- Familienleben mit Hartz IV: Keine Geschenke und Räder auf Pump
> Während Karlsruhe über Hartz IV verhandelt, versuchen Eltern mit den
> Leistungen klarzukommen. Mona Charkas ist eine von ihnen, sie hat 1.202
> Euro für sich und ihre vier Kinder.
Bild: Hartz IV-Bezug ist für Kinder kein Zuckerschlecken.
BERLIN taz | Ganze 215 Euro für ihre kleine Tochter Mariam - das ist der
Betrag, den der Staat für ein vierjähriges Kind im Rahmen von Hartz IV
vorsieht. Mona Charkas zieht langsam die Schultern hoch und lächelt müde.
Sie lächelt wie jemand, der aufgehört hat sich aufzuregen. Mona Charkas ist
dreißig Jahre alt und versucht mit Hartz IV ihre vier Kinder großzuziehen.
Ihr ältester Sohn Ibrahim ist neun Jahre alt. Die Tabelle der
Hartz-IV-Regelsätze sieht für ein Kind seines Alters 251 Euro vor, seine
zwei Brüder, die Zwillinge Zakarias und Yahay, sechs Jahre alt, jeweils
noch einmal 251 Euro. Mariam hat einen Anspruch auf 215 Euro. Für Mona
Charkas sind diese Zahlen willkürlich. "Ein Mädchen ist viel teurer als ein
Junge, vor allem in diesem Alter", sagt sie.
Die Rechnerei mit Regelsätzen ist mühsam, am Ende zählt, was sie ihren
Kindern bieten kann. Und das ist nicht viel. Dieses Jahr mussten die
Zwillinge auf ihr Geburtstagsgeschenk verzichten. Um beiden ein Fahrrad zu
kaufen, musste sie sich von ihrem Freund Geld leihen. "Wenn mir meine
Schwester und mein Freund nicht helfen würden, müsste ich am Ende des
Monats betteln gehen", sagt sie ruhig und lächelt.
1.202 Euro hat sie im Monat für ihre Familie. Sie erhält für die Kinder
Unterhaltsvorschüsse, dazu Kindergeld. Das Geld wird jedoch von ihrem
Hartz-IV-Anspruch abgezogen. Die Miete übernimmt das Jobcenter. Seit diesem
Jahr bekommen Eltern für Schulkinder 100 Euro extra im Jahr, um ihren
Kindern Schulsachen zu kaufen. Für ihre Zwillinge muss sie jeweils 23 Euro
Kindergartengebühr bezahlen, pro Monat. Mariams Kindergartenplatz kostet 33
Euro. Dazu kommen 26 Euro für den Hort, den Ibrahim besucht. Mona muss sich
jede Ausgabe genau überlegen. Wegen des frühen Wintereinbruchs mussten neue
Winterjacken her, früher als erwartet. Bei Kik fand sie zum Glück
Sonderangebote.
Mona Charkas wurde im Libanon geboren, als Exilpalästinenserin. Mit fünf
Jahren kam sie nach Deutschland. Nach ihrem erweiterten Hauptschulabschluss
begann sie eine Ausbildung als Hotelfachfrau, die sie nie abschloss. Nach
der Heirat wollte ihr Mann nicht, dass sie weiter arbeite. Vor drei Jahren
trennte sie sich von ihm, im April ließ sie sich scheiden. Sie lebt allein
mit ihren Kindern, ihr Exmann zahlt keinen Unterhalt und sieht seine Kinder
nicht.
Ein mehrstöckiger Betonklotz in Kreuzberg, davor Blumenkübel aus Stein, ein
bisschen wie ein Schutzwall. Hier, im vierten Stock, wohnt die Familie
Charkas, fünf Menschen in drei Zimmern. Vor der Wohnungstür liegen vier
winzige Paar Schuhe. Die kleine Mariam weint, als Mona die Wohnung
verlassen will, ihre zwei schwarzen Zöpfchen wackeln beim Schluchzen. "Sie
mag es nicht, wenn ich weggehe", sagt Mona. Gerne würde sie in Teilzeit
arbeiten. Das Jobcenter bot ihr neulich einen Vollzeitjob im Seniorenheim
an, 1.000 Euro Netto. Aber sie will für ihre Kinder da sein können.
Frau Charkas macht sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder: "Ich glaube
nicht, dass ich es mir leisten kann, sie studieren zu lassen." Ibrahim tut
sich in der Schule schwer, er leidet unter der Scheidung. Seine Mutter hat
Nachhilfeunterricht für ihn gesucht, das billigste Angebot war 126 Euro im
Monat. Sie überlegt noch, ob sie ihn anmeldet.
Sie hat Angst davor, dass die Jungs mit 14 oder 15 ins kriminelle Milieu
abrutschen. Damit das nicht passiert, will sie die Kinder in einen
Sportverein bringen. 20 Euro im Monat kostet das pro Kind, das könnte sie
sich leisten. "Ich schäme mich ein bisschen", sagt Mona. Sie will nicht,
dass die Kinder merken, wie wenig Geld sie hat. THOMAS SALTER
21 Oct 2009
## AUTOREN
Thomas Salter
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