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# taz.de -- Stadtführung: "Den Bildungsbürger besser zu Hause lassen"
> Die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums von Istanbul schafft neue
> Ungleichheiten. Der Stadtführer Orhan Esen will diesen Prozess mit seinen
> gesellschaftlichen Widersprüchen vor Ort zeigen
Bild: Verkehrsberuhigte Einkaufstraße Istiklal Caddesi
taz: Mit welcher Geisteshaltung sollte der Besucher nach Istanbul kommen?
Orhan Esen: Ohne sich irgendwas darunter vorzustellen. Er sollte die Stadt
auf sich zukommen lassen, ohne ständig Vergleiche anzustellen mit "zu
Hause" oder anderen bereisten Städten. Man sollte Istanbul für sich
wahrnehmen, genießen und zu verstehen versuchen. Je erfolgreicher man die
eigene Schulbildung ausklammert und mit unvoreingenommenen Augen durch die
Straßen streift, desto besser.
Sind denn viele Ihrer deutschen Gäste voreingenommen?
Nun ja, es gibt den notorischen deutschen Bildungsbürger. Den sollte man
bei seinen Reisen an ferne Gestade besser zu Hause lassen.
Wie hat sich die Stadt in den letzten, sagen wir, zehn Jahren verändert?
Istanbul ist nicht eine Stadt. Metropolen dieser Größenordnung bestehen
gewöhnlich aus mehreren Schichten neben- und übereinander. Eine für alle
gleichermaßen geltende Antwort lässt deshalb sich schlecht geben. Etwas
abstrakt kann man sagen: Wir sehen, wie die neuen großen Akteure, die
Konzerne und Global Player, immer stärker die Entwicklung der Stadt
dominieren. Und wir können sehen, dass die Neubauten, die moderne
Umgestaltung der Stadt Istanbul, vor allem der Kapitalakkumulation dient.
Es ist die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums wie überall. Sie
erzeugt hier wie anderswo auch neue Ungleichheiten und
Ungleichzeitigkeiten. Es ist interessant, diesen Prozess vor Ort
wahrzunehmen, aber auch den Widerstand dagegen. Deshalb besuche ich auf
meinen Stadttouren gewöhnliche Wohnquartiere, markante öffentliche Räume
oder die Wasserfront.
Sie sind Historiker und haben sich auf Fragen der Stadtentwicklung
spezialisiert. Wie verbindet sich das mit dem Beruf als Reiseleiter?
In den letzten Jahren haben sich verschiedene Fäden meines Lebens
zusammengefunden - oder besser: Ich habe gezielt an dieser Konzentration
gearbeitet: Der freischaffende Akademiker, der Forscher und Betrachter, der
Wirtschaftshistoriker und der Aktivist in Sachen urbaner Politik
kulminierte im Reiseleiter. Heute konzipiere und führe ich Reisen, die sich
mit dem Unspektakulären, mit dem Alltäglichen der Metropole befassen.
Reisen, die Entwicklungen und die von diesen Entwicklungen betroffenen
Menschen zeigen wollen.
Wo würden Sie außer in Istanbul leben wollen?
Entweder in einer anderen richtigen Metropole mit größerer Heterogenität
und, wenn es sein muss, auch mit mehr Konflikt und Ärger. Oder aber
inmitten der Natur, auf dem Lande. Aber auf keinen Fall in einer
Kleinstadt!
21 Oct 2009
## AUTOREN
Dilek Zaptcioglu
## TAGS
Reiseland Türkei
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