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# taz.de -- Der Kampf im Supermarkt: Hetzerei am Kassenband
> Einkaufen ist zum Hochgeschwindigkeits-Rennen geworden. Kassierer und
> Kunden ziehen und packen gegeneinander an. Der Stress fing an, als die
> Scannerkasse nach Deutschland kam.
Bild: Noch sind die Kassen, an denen man die Ware selbst scannen kann - stressf…
BERLIN taz | Jeder Einkauf endet mit einem Endspurt. Kassierer ziehen Ware
für Ware über den Scanner. 30, 40, 50 Artikel pro Minute. Rhythmisch beept
die Kasse, Kunden packen dagegen an, raffen Joghurtpackung, Chipstüte und
Erbsendose in ihre Rucksäcke, in die Tüten oder in die Einkaufswagen, um
dann schnell den Supermarkt zu verlassen. Die Konzerne geben den Takt vor,
die Kassiererinnen müssen ihn umsetzen und die Kunden damit zurecht kommen.
Wenn sie nicht schnell genug sind, fällt etwas vom Band. Oder die Einkäufe
des Nächsten schieben sich auf ihre eigenen. Das Bezahlen ist zu einem
Hochgeschwindigkeits-Rennen geworden.
Angefangen hat das alles Mitte der Siebzigerjahre in einem Supermarkt in
Augsburg. Damals holte der Betreiber Bert Daiberl die ersten Scannerkassen
aus den USA nach Europa. Damit hat er eine Wende beim Einkaufen
eingeleitet: "Der Stress ist auf den Kunden verlagert worden", sagt Daiberl
der sonntaz. Vorher hatten sich die Kassiererinnen um fast alles gekümmert.
Jetzt musste der Kunde an der Kasse mitarbeiten, die Waren aufs Band räumen
und wieder herunter. Viele haben sich bei Daiberl beschwert.
Die Geschwindigkeit an den Kassen ist in den Jahren darauf weiter
gestiegen. Ähnlich wie die Zahl der Scanner in Deutschland: 1982 gab es
ganze 66 Scannermärkte. 1985 waren es 719. Nach der Wende stieg die Kurve
steil an, Mitte der Neunziger auf über 14.000. Irgendwann verbreiteten sich
auch die Kassentische, die anfangs vor allem in Discountern eingesetzt
worden waren. Sie sind am Ende abgeschnitten. Damit die Kunden noch
schneller einpacken müssen.
Je schneller an den Kassen abgefertigt wird, desto weniger Personal wird
gebraucht, desto mehr lässt sich sparen, desto größer sind die Profite.
Manche Discounter, beklagen Gewerkschafter, würden ihren Angestellten
Vorgaben machen, wie viele Artikel sie pro Minute mindestens zu scannen
hätten. "Da wird Druck gemacht", sagt Günther Voß der sonntaz. Er befasst
sich als Professor für Techniksoziologie damit, wie Unternehmen ihre Kunden
mitarbeiten lassen. Ganz gezielt, sagt er, würden bei manchen Discountern
die Kassen reduziert, damit die Käufer unter Stress gesetzt werden und sich
beeilen. "Kunden und Kassierer werden aufeinander gehetzt."
Zumindest zeitweise könnte eine neue Entwicklung den Stress mindern: Manche
Konzerne wie IKEA und Real setzen auf Selbstscanner. Kunden ziehen ihre
Einkäufe selbst über eine Glasscheibe. Im Augenblick ist das oft eine
relativ stressfreie Angelegenheit, weil es nebenan noch die Kassen mit
Kassiererinnen gibt und sich der Ansturm auf die Bezahlzone so verlagert.
Würden irgendwann alle Kunden selbst scannen, würden wachsende Schlangen
sie genauso unter Druck setzen wie jetzt die Kassiererinnen. Außer es kämen
RFID-Chips, die in jeder Ware stecken und beim Auschecken den Preis
registrieren.
Was genau das bedeutet und wie diese Revolution das Einkaufen verändern
könnte, auch das schildert die sonntaz in einer doppelseitigen Reportage.
Sie verfolgt den Siegeszug der Scannerkasse, beschreibt Bert Daiberl, der
die ersten Geräte nach Deutschland gebracht hat, und Hartwin Tackenberg,
der bei Bochum die Kassentische baut, um den Kunden in eine Zwangshaltung
zu bringen – zum Wohle des reibungslosen Abrechnungsvorgangs.
23 Oct 2009
## AUTOREN
Johannes Gernert
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