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# taz.de -- Affäre Roman Polanski: Missbrauch statt Vergewaltigung
> Polanski soll in den USA nicht wegen Vergewaltigung, sondern wegen
> Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen angeklagt werden. Ihm drohen
> zwei Jahre Haft. Doch vor Gericht will er nicht.
Bild: Polanski wird erst vom Kanton Zürich angehört, bevor über eine Auslief…
Die USA haben förmlich die Auslieferung des in der Schweiz inhaftierten
Regisseurs Roman Polanski beantragt. Laut dem Gesuch drohen Polanski in den
USA maximal zwei Jahre Haft wegen Geschlechtsverkehrs mit einer
Minderjährigen. Das sagte jetzt Folco Galli vom Schweizer Bundesamt für
Justiz auf Nachfrage der taz. Im Strafprozess scheint der
Vergewaltigungsvorwurf damit vom Tisch zu sein.
Der Auslieferungsantrag bezieht sich auf einen Vorfall vom März 1977. Der
damals bereits berühmte Regisseur Roman Polanski bat die 13-jährige
Samantha G., die Modell werden wollte, in die Hollywood-Villa seines
Freundes, des Schauspielers Jack Nicholson. Angeblich wollte Polanski
Photos für eine Modezeitschrift machen.
Dann aber gab er der 13-jährigen Alkohol und ein Sedativum und hatte
anschließend mit ihr Sex. Umstritten ist, ob das Mädchen einverstanden war,
was Polanski behauptet, oder ob es eine Vergewaltigung war, wie damals das
Opfer aussagte. Die Mutter von Samantha G. hatte Polanski angezeigt und die
Ermittlungen ins Rollen gebracht.
Polanski wurde anschließend wegen Vergewaltigung und fünf weiterer Delikte
angeklagt. Auf Vorschlag des Anwalts von Samantha G., der seiner Mandantin
den Medienrummel ersparen wollte, gab es schon im August 1977 einen Deal.
Polanski erklärte sich wegen ungesetzlichen Geschlechtsverkehrs mit einer
Minderjährigen für schuldig.
Im Gegenzug sollten die anderen Anklagepunkte nicht weiter verfolgt werden.
Auch Opfer und Staatsanwaltschaft sprachen sich deshalb für eine
Bewährungsstrafe aus. Als ungesetzlicher Geschlechtsverkehr gilt in
Kalifornien jeder Beischlaf mit Personen unter 18 Jahren, wobei das Unrecht
als umso größer gewertet wird, je jünger die beteiligte Person ist.
Richter war damals Laurence J. Rittenband, der gerne Prozesse mit
Hollywood-Stars leitete. Zunächst ließ er Polanski auf freiem Fuß, der zu
Dreharbeiten nach Deutschland reiste. Auf dem Münchener Oktoberfest ließ
sich der Regisseur aber im Kreis junger Mädchen fotographieren, was
Rittenband erzürnte. Polanski musste nach Los Angeles zurückkehren und
wurde für 42 Tage in Untersuchungshaft gesteckt, wo er auch psychiatrisch
begutachtet wurde.
In seinem Country Club soll Rittenband geprahlt haben, er werde Polanski
für 100 Jahre ins Gefängnis stecken. Er galt als Richter, der sehr auf die
öffentliche Wirkung seiner Urteile bedacht war. Um einer Haftstrafe zu
entgehen, verließ Polanski kurz vor der Urteilsverkündung im Januar 1978
fluchtartig die USA.
In Frankreich war der Regisseur, der die französische und polnische
Staatsbürgerschaft besitzt, vor Auslieferung sicher. In anderen Staaten
blieb er zwar theoretisch gefährdet, allerdings waren die US-Behörden nicht
sehr engagiert. Erst 2005 wurde Polanski über Interpol zur
Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.
Seine Verhaftung in der Schweiz, wo Polanski schon lange ein Haus hat, kam
dennoch überraschend. Polanski war Ende September zu einem Filmfestival
nach Zürich eingeladen. Die Schweizer Behörden fragten vorher bei den USA
nach, was sie tun sollten. Darauf beantragten die USA die Verhaftung
Polanskis. Freunde des Regisseurs werfen der Schweizer Regierung deshalb
überkorrektes Verhalten vor.
Die Tat ist noch nicht verjährt, obwohl sie schon 32 Jahre zurückliegt.
Nach dem Auslieferungs-Staatsvertrag zwischen den USA und der Schweiz gilt
das Verjährungsrecht der USA. Nach US-Recht ist aber keine Verjährung
möglich, wenn der Beschuldigte nach der Anklage-Erhebung flieht.
Um eine Auslieferung zu verhindern, könnte sich Polanski wohl nur auf den
so genannten ordre public der Schweiz berufen, also auf deren grundlegende
Gerechtigkeitsvorstellungen. In der Schweiz wäre die Tat bereits nach 15
Jahren verjährt gewesen. Ob der Alpenstaat allerdings nur wegen
unterschiedlicher Verjährungsregeln die Auslieferung verweigert, dürfte
zweifelhaft sein. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist auch in der
Schweiz kein Kavaliersdelikt und wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.
Dass das Opfer der damaligen Tat, die heute 45-jährige Samantha G., dem
Regisseur inzwischen verziehen hat, spielt strafrechtlich ebenfalls kaum
eine Rolle. Den Verzicht auf eine Strafverfolgung kann sie nicht erreichen,
zumal sie in den 90er-Jahren von Polanski Geld in beträchtlicher Höhe
erhalten haben soll, um ihren Schadenersatz-Anspruch zurückzuziehen. Die
Los Angeles Times sprach von mindestens 500.000 Dollar.
Polanski wird jetzt vom Kanton Zürich angehört, bevor das Bundesamt für
Justiz über die Auslieferung entscheidet. Falls sie angeordnet wird, kann
Polanski das Schweizer Bundesstrafgericht und in zweiter Instanz das
Bundesgericht anrufen. Der Regisseur will sich nach Angaben seiner Anwälte
weiter gegen die Auslieferung wehren. Zunächst bleibt er auch noch in
Auslieferungshaft.
Ein Antrag auf Freilassung gegen Kaution wurde jüngst von der Schweizer
Justiz wegen Fluchtgefahr abgelehnt. Möglicherweise kommt nun aber doch ein
Hausarrest in Frage, wenn Polanski nur noch eine zweijährige Haftstrafe
droht.
27 Oct 2009
## AUTOREN
C. Rath
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