# taz.de -- Schwarz-gelbe Pläne: Biobauern kritisieren Koalitionsvertrag | |
> Mehr Gentechnik, kostenlose Emissionsrechte für die Industrie, keine | |
> Nährwert-Ampel: viele Pläne der neuen Regierung stoßen bei Ökobauern, | |
> Verbraucher- und Umweltschützern auf Widerstand. | |
Bild: Schwarz-Gelb sei Gentechnik-freundlich, so die Biobauern. | |
Agro-Gentechnik: Ökologisch orientierte Landwirte und Umweltschützer stören | |
sich vor allem an der Gentechnik-freundlichen Haltung der neuen Koalition. | |
Der größte Ökobauernverband Bioland nennt es "bizarr", dass Union und FDP | |
in ihrer Koalitionsvereinbarung sich ausdrücklich für die Zulassung eines | |
bestimmten Produktes aussprechen: der gentechnisch veränderten Kartoffel | |
Amflora des Chemiekonzerns BASF. Wie alle anderen Genpflanzen darf auch die | |
für die Papierproduktion angepasste Knolle hier bisher nicht kommerziell | |
angebaut werden. Zu dem deutschen Verbot des Genmaises MON 810 bekennt sich | |
die Koalition in ihrem Vertrag nicht; sie schreibt nur, dass sie die | |
Gerichtsentscheidung über eine Klage des Herstellers Monsanto abwarten | |
wolle. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht | |
bereits "grünes Licht für die Grüne Gentechnik". | |
Landwirtschaft: Dass die neue Regierung sich weiter langfristig für | |
Agrarsubventionen ohne konkrete Umweltschutz-Gegenleistungen einsetzen | |
will, verurteilen die Umweltschützer. Die versprochenen 500 Millionen Euro | |
für ein "Grünlandmilchprogramm" dagegen begrüßen sie. So viel Geld aus | |
EU-Töpfen will die neue Regierung für das Allgäu und andere Regionen | |
ausgeben, in denen von niedrigen Preisen gebeutelte Bauern schwer von der | |
Milchwirtschaft auf andere Zweige umsteigen können. "Wiesen speichern das | |
Treibhausgas CO2", sagt BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. Das Programm | |
löse aber nicht das Problem der Überproduktion im Milchsektor, meint | |
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Die 500 Millionen Euro sind | |
ein Fliegenschiss gemessen an dem, was durch zu niedrige Milchpreise | |
verloren geht." Es fehlten jährlich 4,2 Milliarden Euro, um die Kosten der | |
Bauern zu decken. | |
Energie/Klima: "Die Rechnung geht nicht auf", sagt Gerd Rosenkranz von der | |
Deutschen Umwelthilfe, die energie- und klimapolitischen Vorstellungen von | |
Schwarz-Gelb seien widersprüchlich. Ein Beispiel: Die Koalition will die | |
Klimagase bis 2050 um 80 Prozent mindern, bis 2020 um 40 Prozent gegenüber | |
dem Jahr 1990. Sie lehnt aber Klimazölle und CO2-Abgaben ab, und | |
energieintensive Unternehmen will sie schonen, etwa indem diese | |
Emissionsrechte umsonst bekommen. Bei der Energieeffizienz setzt | |
Schwarz-Gelb vor allem auf freiwillige Anreize. Union und FDP wollen | |
Ökoenergien fördern, auch wenn die "Überförderung" von Solaranlagen | |
verringert werden soll. Sie wollen zudem den Bau effizienter | |
Kohlekraftwerke ermöglichen und die Laufzeiten von Atomkraftwerken | |
verlängern. Rosenkranz sagt: "Es ist noch nicht einmal eine ideologische | |
Angelegenheit, sondern eine Frage der Physik: Diese Kraftwerke | |
funktionieren einfach nicht alle zusammen." | |
Ernährung/Verbraucherschutz: Die Koalition spricht sich klar dagegen aus, | |
auf den Verpackungen von Lebensmitteln Nährwerte mit Ampelfarben zu | |
kennzeichnen - sehr viel Zucker zum Beispiel bekäme nach diesem System | |
einen roten Punkt. "Wir bedauern diese Äußerung, schließlich ist auch eine | |
Mehrheit der Verbraucher für solch eine Kennzeichnung", sagt Stefan | |
Etgeton, Ernährungsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. | |
Auch bei der geplanten Reform des Verbraucherinformationsgesetzes scheinen | |
sie unter Schwarz-Gelb nicht weiterzukommen. Die Verbraucherlobbyisten | |
wollen, dass die Behörden etwa bei Lebensmittelskandalen die Verursacher | |
öffentlich nennen. Diese Forderung wird in der Koalitionsvereinbarung nicht | |
erwähnt. Genauso wie der Wunsch, auch den Verbraucherschutz zu einem Ziel | |
der Finanzaufsicht zu erklären. Die Verbraucherschützer freut aber, dass | |
die Koalition eine zentrale Telefonhotline für Konsumenten einführen will. | |
Finanzen/Weltwirtschaft: "Allerweltskatalog mit Maßnahmen, die man überall | |
liest" - Rudolf Hickel, Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft | |
der Uni Bremen, kann den Plänen zur Kontrolle der Finanzmärkte nicht viel | |
abgewinnen. Nach dem Willen von Union und FDP sollen die Banken mehr | |
Eigenkapital vorhalten müssen. Ratingagenturen, die faule Kredite zu lange | |
zu gut bewerteten und deshalb eine Mitschuld an der Krise tragen sollen, | |
bekommen neue Auflagen: Sie sollen künftig nicht zugleich Finanzprodukte | |
entwickeln, vertreiben und bewerten dürfen. Die Bankenaufsicht wird unter | |
dem Dach der Bundesbank zusammengeführt. Hickel fordert: Der Staat müsste | |
Instrumente vorhalten, um viel stärker bei maroden Banken einzugreifen. | |
Doch stattdessen erklären die Koalitionäre, dass staatliche | |
Stützungsmaßnahmen nach Ablauf der Finanzkrise möglichst zügig und | |
international koordiniert zurückgeführt werden. | |
26 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
H. Gersmann | |
J. Maurin | |
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