Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Start der Regierungsperiode: Twitter-Party im Parlament
> Bei seiner Eröffnungsrede zur ersten Sitzung des 17. Bundestags sorgt
> Alterspräsident Heinz Riesenhuber (CDU) unfreiwillig für Gelächter. Die
> Parlamentarier twittern hämische Kommentare
Bild: Ex-Forschungsminister Riesenhuber (CDU): "Die Welt der Quanten kommt."
BERLIN taz | Am Dienstag konstituierte sich der 17. Deutsche Bundestag.
Dieser Umstand war manchen Anwesenden im Plenum anscheinend nicht ganz
klar. Jedenfalls gaben sich einige der 617 angereisten Abgeordneten so, als
nähmen sie den Zusammentritt des Parlaments nicht ganz so ernst. Das wäre
nicht weiter schlimm, wäre einer dieser Abgelenkten nicht Heinz Riesenhuber
gewesen.
Der 73-jährige CDU-Politiker hielt die traditionelle einleitende Rede. Das
tat er offiziell als Alterspräsident des Bundestags, also als ältester
Abgeordneter. Beobachter hatten aber eher den Eindruck, Riesenhuber fühle
sich zurückversetzt in die Zeiten, als er - bis 1993 - elf Jahre
Forschungsminister war.
Statt salbungsvoller Worte zum Wert der Volksvertretung spricht er daher
sehr viel von Wirtschaft und Forschung. Oder was er dafür hält. Zur
Verwunderung selbst der eigenen Fraktion plaudert Riesenhuber vor dem Hohen
Haus deshalb viel von Computerchips, Gentechnik und der Bedeutung der
Grundlagenforschung und hält fest: "Die Welt der Quanten kommt." Unter den
Abgeordnetenpults tippen einige Parlamentarier eifrig Kurzmeldungen fürs
Internetportal Twitter.
Am eifrigsten ist Volker Beck. Als Riesenhuber behauptet, wegen des schier
unbegrenzten Nachschubs an Quarzsand, der für Chips gebraucht werde, stehe
einem unbegrenzten Wachstum ja nichts im Wege, twittert der
parlamentarische Geschäftsführer der Grünen schlicht: "kopfschuettel". Die
Vizevorsitzende der SPD-Fraktion, Elke Ferner, fragt sich per
Twittereintrag, ob "Riesenhuber eine Rede als Exforschungsminister oder als
Alterspräsident hält", und urteilt: "Wirklich grandios". Zwischendurch
streift Riesenhuber die demografische Entwicklung im Lande und kommt zum
interessanten Schluss, "dass wir nicht so viele Kinder gezeugt haben, wie
wir es hätten tun sollen". Riesenhuber ist vierfacher Vater.
Als Riesenhuber bei seinem Vortrag den Umweltschutz streift, fragt er
rhetorisch ins Plenum: "Wer spricht denn heute noch von Waldsterben?"
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast reckt die Hand. In einer Sitzungspause
wird Künast verkünden, immerhin habe sie es dadurch geschafft, als erste
Abgeordnete der neuen, 17. Legislaturperiode namentlich im Protokoll
aufzutauchen.
Doch Riesenhuber hat auch etwas zu tun an diesem Dienstagvormittag. Als
Alterspräsident leitet er die Wahl zum Bundestagspräsidenten. Einziger
Kandidat: der bisherige Amtsinhaber Norbert Lammert von der CDU.
Riesenhuber liest die Wahlvorkehrungen extra vom Blatt ab, schafft es
dennoch, sich zu versprechen: "Die Wahl findet mit versteckten, äh, mit
verdeckten Stimmkarten statt." Volker Beck twittert angesichts des
Versteckspiels: "Ostern im Bundestag".
Der Rest ist Formsache. Lammert wird von 522 der 617 abgegebenen Stimmen
gewählt. Das entspricht einer Zustimmung von 84,6 Prozent. Das liegt
deutlich unter seinem Abschneiden vor vier Jahren. Damals bekam er 93,1
Prozent der Stimmen - das war aber auch das zweitbeste Ergebnis seit 1949.
Auch Lammerts Stellvertreter bleiben dieselben. Diesmal sind es mit fünf
einer weniger, die SPD stellt nur noch einen statt zwei Vizepräsidenten.
Wiedergewählt werden Wolfgang Thierse (SPD), Hermann Otto Solms (FDP),
Petra Pau (Linke), Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Gerda Hasselfeldt
(CSU).
Zuvor kritisiert Lammert, dass ARD und ZDF die Parlamentseröffnung nicht
live übertrugen. Die Öffentlich-Rechtlichen kämen ihrem Bildungsauftrag
nicht nach. Stattdessen, zählt Lammert süffisant auf, liefen im Ersten die
Komödie "Schaumküsse", im ZDF "Alisa - Folge Deinem Herzen" sowie "Bianca -
Wege zum Glück". Da war Riesenhuber natürlich wichtiger.
27 Oct 2009
## AUTOREN
Matthias Lohre
Matthias Lohre
## TAGS
Hans-Christian Ströbele
## ARTIKEL ZUM THEMA
Alterspräsident des Bundestages: Ströbele soll Gauland ausbremsen
2017 wird der amtierende Alterspräsident Riesenhuber aus dem Parlament
ausscheiden. Sein Nachfolger könnte ein AfD-Politiker werden. Oder
Hans-Christian Ströbele.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.