# taz.de -- Schmuggelaffären in Afrika: Die Rückkehr der Blutdiamanten | |
> Ursprünglich sollten die Regeln des 2003 beschlossenen | |
> "Kimberley-Prozesses" den Diamantenhandel in Afrika auf eine legale | |
> Grundlage stellen. Doch dies droht zu scheitern. | |
Bild: Hier, in Marange, fand 2008 das Massaker gegen Diamantensucher statt. Es … | |
Vor sechs Jahren trafen sich im südafrikanischen Kimberley Vertreter der | |
internationalen Diamantenindustrie. Sie gaben sich ein damals beispielloses | |
Regelwerk, genannt Kimberley-Prozess. Dieses Regelwerk sollte in Zukunft | |
verhindern, dass bewaffnete Gruppen Diamanten schmuggeln, um mit den so | |
erzielten Einnahmen Kriege zu finanzieren. Der Kimberley-Prozess, dem | |
inzwischen 75 Staaten angehören, wurde in der Folge auch zum Modell für den | |
Handel mit anderen Rohstoffen aus Konfliktgebieten. Aber nun ist es der | |
Diamantenhandel selbst, der an der Effektivität des Kimberley-Prozesses | |
zweifelt. Auf der diesjährigen Plenartagung der Kimberley-Vertragsparteien, | |
die am Montag in Namibia beginnt, werden sich die Vertreter mit einer Reihe | |
neuer Schmuggelaffären befassen müssen. | |
Der Kimberley-Prozess stehe "vor dem Scheitern", bilanziert die kanadische | |
Nichtregierungsorganisation PAC (Partnership Africa Canada), eine führende | |
unabhängige Organisation, die die Einhaltung des Prozesses beobachtet. Zwar | |
würden Kriegsherren nicht mehr im großen Stil, wie vor dem Jahr 2002 in | |
Angola oder Sierra Leone geschehen, vom Diamantenhandel profitieren. Aber | |
nun weigerten sich die am Kimberley-Prozess beteiligten Regierungen selbst, | |
gegen Schmuggel, Menschenrechtsverletzungen und Geldwäsche vorzugehen, die | |
mit dem Diamantenexport zusammenhängen. Sanktionen dagegen blieben oft | |
folgenlos. | |
So verhängte im Jahr 2005 der UN-Sicherheitsrat ein Embargo gegen Diamanten | |
aus der Elfenbeinküste, damals ein vom Bürgerkrieg zerrissenes Land. | |
Trotzdem stellt Ende Juni 2009 der Präsident des Kimberley-Prozesses, | |
Namibias Vizehandelsminister Bernard Esau, fest, dass die | |
Diamantenproduktion der Elfenbeinküste seitdem gestiegen sei. | |
Satellitenaufnahmen zeigten ausgedehnte Förderaktivitäten in Séguéla | |
Tortiya im ivorischen Rebellengebiet. Nach Industrieangaben beträgt die | |
Förderung etwa 300.000 Karat im Jahr, womit die Rebellen 20 bis 30 | |
Millionen Dollar verdienen würden. Diese haben inzwischen zwar mit der | |
ivorischen Regierung Frieden geschlossen, und ihr ehemaliger Chef ist jetzt | |
Premierminister, auch sollen Ende November Wahlen stattfinden - doch eines | |
ist klar: Zu Kriegszeiten erwies sich der Kimberley-Prozess in der | |
Elfenbeinküste als wirkungslos. | |
Für Diamanten von dort gibt es mehrere Handelswege. So warten in Malis | |
Hauptstadt Bamako senegalesische, israelische und rumänische Händler auf | |
Kundschaft. Neuerdings werden die Geschäfte auch in Burkina Fasos | |
Hauptstadt Ouagadougou abgewickelt. Dort wird der Handel seit Langem von | |
eingewanderten schiitischen Libanesen kontrolliert, denen Verbindungen zur | |
Hisbollah nachgesagt werden. Schon in den Neunzigerjahren brachte der | |
libanesische Schiit Imad Bakri, ebenfalls bekannt für seine Hisbollah-Nähe, | |
Diamanten der angolanischen Unita-Rebellen über Ouagadougou auf den Markt. | |
Nach US-Regierungsangaben ist das an Mali und die Elfenbeinküste grenzende | |
Guinea, beherrscht von einem brutalen Militärregime, die neueste | |
Drehscheibe für den westafrikanischen Diamantenhandel zugunsten der | |
Hisbollah. | |
Doch auch die gegnerische Seite im Nahostkonflikt ist nicht untätig. Nach | |
Angaben aus Branchenkreisen reist ein israelischer Diamantenhändler | |
regelmäßig nach Ouagadougou. Auch hat er die ivorischen Rebellen schon | |
einmal mit Waffen versorgt. Neu sind solche Geschäfte nicht. Schon 1999 | |
enthüllten Israels Medien, dass die israelischen Händler Dov Katz und Dan | |
Gertler gemeinsam mit dem israelischen Oberst Yair Klein 1997 in den | |
damaligen Bürgerkriegsländern Sierra Leone und Liberia Diamanten gegen | |
Waffen und Militärausbildung getauscht haben. Heute ist Dan Gertler einer | |
der wichtigsten Geschäftspartner der Regierung der Demokratischen Republik | |
Kongo. Sie spielt ebenfalls eine zunehmend wichtige Rolle in dunklen | |
Diamantengeschäften. | |
Doch libanesisch-israelische Rivalitäten existieren nicht nur in | |
Westafrika. Diamanten aus Marange in Simbabwe landen über diese Schiene in | |
Mosambik, um von dort exportiert zu werden. In Marange, wo Schürfer teils | |
unter Kontrolle des Militärs arbeiten, haben Soldaten im Oktober 2008 | |
zwischen 100 und 200 "illegale" Diamantensucher massakriert. Das Massaker | |
in Simbabwe hatten die kanadische PAC und die britische Organisation Global | |
Witness, eine der Vordenkerinnen des Kimberley-Prozesses, dazu gebracht, | |
die Steine aus Simbabwe als "Blutdiamanten" zu bezeichnen. Zudem forderten | |
sie Simbabwes Ausschluss aus dem Kimberley-Prozess. Dies steht jetzt auch | |
auf der Tagesordnung des Jahrestreffens. Die Statistik aus Simbabwe | |
verdeutlicht das Problem: Die offiziellen Exporte von 797.000 Karat im Jahr | |
2008 sind mehr als doppelt so hoch wie die offizielle Produktion. Der | |
Sektor ist außer Kontrolle. | |
Erschwerend kommt bei den Beispielen Elfenbeinküste und Simbabwe hinzu, | |
dass die beiden Transitländer Mali und Mosambik nicht dem Kimberley-Prozess | |
angehören. Aber selbst wo solche großen Schlupflöcher fehlen, gibt es | |
Probleme. So könnte das Label "Blutdiamanten", das Förderländer ins | |
internationale Abseits stellt, wenn sie sich nicht den Kimberley-Regeln | |
beugen, demnächst auch wieder auf Angola zutreffen. Dort war es während des | |
Krieges der Unita-Rebellen in den Neunzigerjahren einst entstanden. | |
Hunderttausende Diamantenschürfer, die aus der benachbarten Demokratischen | |
Republik Kongo nach Angola eingewandert waren, sind in den letzten Jahren | |
unter brutalen Umständen in ihre Heimat deportiert worden, möglicherweise | |
um die Diamantengebiete für die industrielle Förderung frei zu räumen. | |
Mindestens elf Konzessionsgebiete für den industriellen Diamantenabbau sind | |
von Schürfern überlaufen. Allerdings verdient der angolanische Staat an der | |
industriellen Förderung weit mehr als an den Schürfern - 138,5 Millionen | |
gegen 14,3 Millionen Dollar im Jahr 2006. So besteht ein staatliches | |
Interesse, die Schürfer zu vertreiben. Zwar ist all dies regelkonform - | |
aber konfliktfördernd. | |
In der davon mitbetroffenen Demokratischen Republik Kongo selbst ist das | |
Scheitern des Kimberley-Prozesses am deutlichsten. Informelles | |
Diamantenschürfen dient dort nach wie vor dazu, Rebellenaktivitäten und | |
Waffenkäufe zu finanzieren. Das gilt längst auch für andere Rohstoffe. | |
Dabei sollte der Diamantensektor eigentlich durch den Kimberley-Prozess | |
transparent werden. | |
In der Region Kilau und in der Provinz Nord-Kivu im Osten des Landes | |
pressen ruandische Hutu-Milizen den Schürfern die Diamanten ab. Ungeklärt | |
sind auch die Kongo-Aktivitäten des italienischen Geschäftsmanns Vittorio | |
Dordi. Dordi ist Eigentümer der Bergbaufirma Gold Rock, er steht derzeit in | |
Italien unter Hausarrest. Gegen den angeblichen Freund des kongolesischen | |
Präsidenten Joseph Kabila ermittelt die italienische Justiz wegen des | |
Schmuggels von 500.000 chinesischen Sturmgewehren der Marke T-56. Die | |
Gewehre hat die chinesische Firma North Industries offiziell zwar im | |
Auftrag eines libyschen Obersts hergestellt, doch in Wahrheit sollen sie | |
für Abnehmer in Kongo, Sudan, Tschad und Irak bestimmt gewesen sein. | |
"Das Firmennetzwerk der Demokratischen Republik Kongo ist das effektivste | |
System der Welt für Geldwäsche im Zusammenhang mit Konfliktdiamanten", | |
kritisiert die PAC und verweist dabei auf die bizarren Außenhandelsdaten: | |
Laut Kimberley-Prozess exportierte das Land im Jahr 2008 21,28 Millionen | |
Karat Diamanten, doch laut der kongolesischen Kontrollbehörde CEEC, die die | |
Kimberley-Exportzertifikate ausstellt, waren es 22,09 Millionen. Der | |
Unterschied von 800.000 Karat wird von der CEEC auf einen Computerabsturz | |
zurückgeführt. Aber er ist unwesentlich im Vergleich dazu, dass Kongos | |
Diamantenproduktion im gleichen Zeitraum vom Kimberley-Prozess mit 33,4 | |
Millionen Karat angegeben wird und von Kongos Zentralbank, wo alle Steuern | |
landen, nur mit 20,39 Millionen. | |
Ein Grund dafür könnte sein, dass Kongos legale industrielle Förderung | |
nahezu zusammengebrochen ist. Die Firma MIBA (Minière du Bakwanga), das | |
einzige Industriediamantenunternehmen des Landes, schloss Ende 2008 wegen | |
der Finanzkrise die Tore, so wie fast alle Händler der drei Millionen | |
Einwohner zählenden Diamantenmetropole Mbuji-Mayi im Zentrum des Landes. | |
Der Diamantenumsatz des Kongo fiel nach Angaben des Arbeitgeberverbandes | |
FEC von 85 Millionen Dollar im September 2008 auf 25 Millionen im Oktober | |
und weiter auf 10 Millionen im November. Schon zuvor hatte sich Kongos | |
Regierung unfähig gezeigt, die bankrotte MIBA zu sanieren und ausländische | |
Investoren bei der Stange zu halten, mit der Folge, dass der einst größte | |
Devisenbringer massiv Arbeitsplätze abbauen und Einnahmen einbüßen musste. | |
Gigantischer Schwund | |
Nun stellt sich erst recht die Frage, wo eigentlich Kongos Diamanten | |
bleiben, woher sie kommen und wer an ihnen verdient. Wenn die | |
Kimberley-Zahlen stimmen sollten, wäre im Jahr 2008 ein gigantischer | |
Diamantenhaufen irgendwo zwischen Förderung und Export verschwunden. Am | |
seltsamsten: Die Fördermenge soll lediglich 431 Millionen Dollar wert | |
gewesen sein, die viel kleinere Exportmenge jedoch knapp 552 Millionen. | |
Kongos Diamanten sind dafür bekannt, dass ihr Wert zwischen der | |
Ausfuhrdeklaration im Kongo und der Einfuhrdeklaration, beispielsweise in | |
Belgien, abrupt steigt - ein Hinweis auf massive Steuerhinterziehung, in | |
die nach Angaben von Branchenkennern Kongos Behörden ebenso verwickelt sind | |
wie Endabnehmern in Dubai oder Tel Aviv. | |
All diese Geschäfte werden nach den Regeln des Kimberley-Prozesses legal | |
abgewickelt. Kein Wunder, dass sich die Erfinder dieses Regelwerkes jetzt | |
den Kopf zerbrechen. | |
2 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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