# taz.de -- Feier zum Jahrestag: Der Mauerfall, ganz familiär | |
> Ziemlich ostig: Teltow und Steglitz feiern gemeinsam das "Fest ohne | |
> Grenzen" mit Trabis und Karat. | |
Bild: Während es am Brandenburger Tor zum 20. Jahrestag eng wurde, war es in T… | |
Die Mauer fiel in Teltow mit Verspätung. Mit gehöriger Verspätung sogar. Da | |
war der Mauerfall am 9. November 1989 am Brandenburger Tor oder der an der | |
Bornholmer Brücke fast schon Geschichte. | |
Am 14. November hatten zwei Bagger an der Teltower Philipp-Müller-Allee in | |
Richtung Westberliner Ostpreußendamm einige Mauersegmente hochgezogen. Die | |
Abrissarbeiten dauerten bereits zwei Tage. Ein paar Dutzend Treptower im | |
Osten und die gleiche Zahl Steglitzer auf der anderen Seite guckten sich | |
das Schauspiel an. Auf die Mauer geklettert ist niemand. Hier und da | |
knipsten einige mit Zangen am Grenzzaun herum. Sonst wartete man brav, bis | |
der "antifaschistische Schutzwall" fiel - erst dann gab es kein Halten | |
mehr. | |
Peter Jaeckel war damals mit seiner Kamera dabei, als die Mauer fiel. Seine | |
Fotos sind in einer Ausstellung im Teltower Rathaus zu sehen. Noch am 9. | |
November 1989 war der Teltower abends ganz artig nach Hause gegangen, | |
obwohl ein Anruf ihn alarmiert hatte. "Wir hatten eine Veranstaltung mit | |
Jugendlichen, die ging bis spätabends. Aber denen haben wir natürlich | |
nichts von der Mauer gesagt." Wieso nichts gesagt? "Ich konnte das ja | |
selbst nicht glauben." Jaeckel fuhr erst am 11. November 1989 über den | |
Grenzübergang Drewitz nach Westberlin. Seine Ausreise- und | |
Wiedereinreisedokumente sind auch in der Schau zu sehen. "Noch mit Stempel. | |
Später haben wir das nicht mehr gebraucht." Ein paar Tage nach dem Teltower | |
Mauerfall fuhr bereits ein BVG-Bus zwischen den Stadtgrenzen hin und her. | |
Peter Jaeckel leitet heute den Heimatverein Teltow, der mit dem Bezirk | |
Steglitz-Zehlendorf und der Stadt Teltow das "Fest ohne Grenzen" | |
initiierte. Weil es vor 20 Jahren den Teltowern mit dem Mauerfall nicht so | |
pressierte, hielt man das Jubiläum jetzt einfach einen Tag vor dem 9. | |
November, am gestrigen 8. 11., ab. So holt man Zeit auf und kann mit seinen | |
Steglitzer Nachbarn eine sonntägliche Ost-West-Party feiern, wird man sich | |
im Rathaus gedacht haben. Und Konkurrenzen zum Megaevent kommen auch nicht | |
auf. | |
Was stimmte. Mehr als 1.000 Menschen füllten am Sonntag die Straßen | |
zwischen der Knesebeckbrücke, die Teltow mit Steglitz verbindet, und der | |
Altstadt. Im Stubenrauchsaal des Neuen Rathauses waren eine Kunst- und eine | |
Fotoausstellung sowie Videofilme aus der Zeit des Mauerfalls in Teltow zu | |
sehen. Es sind ganz private Bilder: unscharf, wackelig und trotzdem voll | |
Gefühl für 1989. | |
Über die Knesebeckbrücke donnerten dann alte Trabis. Die Steglitzer hängten | |
ihr damaliges Banner "Willkommen im Bezirk Steglitz" erneut über die | |
Brücke. Erika Gebauer, die am 14. "rübermachte", ist noch immer ganz | |
gerührt. "Ich war so happy, als ich das Schild sah. Echt." | |
Und wie bei jedem ordentlichen Familienfest floss Alkohol - am meisten, als | |
zum Höhepunkt der kleinen Grenzöffnung im Süden Berlins Ecke Teltow die | |
DDR-Kultband Karat rockte. Natürlich war "Über sieben Brücken" im Programm. | |
Den Charme des kleinen Jubiläums sieht Ursula Hüttelmeyer, Teltower | |
Kulturkoordinatorin, im "einem echten Ost-West-Fest". Ein Jahr habe man die | |
Sache vorbereitet, die anfangs wohl etwas hakte, weil man sich über das | |
Konzept nicht ganz verständigen konnte. | |
Martina Baude stand 1989 auf der andern Seite. Sie hatte gerade ihren | |
ersten Job im Bezirksamt angetreten. Der Teltower Mauerfall wurden für sie | |
und das Amt zur ost-westlichen Nagelprobe. "Wir waren erst einmal ziemlich | |
distanziert. Dann haben wir in der umgekehrten Richtung rübergemacht. Und | |
in der Kneipe hier in Teltow fiel dann die Anspannung ab." Von der war | |
übrigens gestern nichts zu spüren. | |
8 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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