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# taz.de -- Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow: "Antisemitismus vererbt sich"
> Dirk von Lowtzow unterstützt die Aktionswochen gegen Antisemitismus. Der
> Tocotronic-Sänger fordert dazu auf, das "antisemitische Süppchen"
> gemeinsam zu "versalzen".
Bild: Von Lowtzow am Tasteninstrument, mit Stoffhund.
taz: Herr von Lowtzow, warum unterstützen Sie die Aktionswochen gegen
Antisemitismus?
Dirk von Lowtzow: Ich verstehe die Frage nicht. Mir ist das Anliegen
wichtig.
Wie nehmen Sie Antisemitismus in Deutschland wahr?
Als nichtjüdischer Deutscher bin ich ja nicht direkt betroffen. Ich nehme
Äußerungen von Antisemiten wahr, zum Bespiel in den Medien. Denen begegnet
man in graduellen Abstufungen immer wieder. Ich kann mich da nur
solidarisieren, denn natürlich erregt das meinen Zorn.
Haben Sie das Gefühl, dass das Problem in den letzten Jahren größer
geworden ist?
Zumindest nehme ich seit der Wiedervereinigung ein Grundbedürfnis in
Deutschland wahr, die Vergangenheit doch bitte ruhen zu lassen. Da wurde
beispielsweise von Auschwitz als "Moralkeule" gesprochen. Seit der
Wiedervereinigung gibt es auch eine Art neues deutsches Selbstverständnis,
ein gesteigertes Selbstbewusstsein – und zwar vom Stammtisch bis zum
Bridgeklub. Schlicht und einfach: Dieses neue Selbstverständnis reicht bis
tief hinein ins bürgerliche, sogar ins bildungsbürgerliche Lager. Und mit
diesem neuen deutschen Selbstverständnis geht einher, dass auch der
Antisemitismus teilweise wieder hoffähig geworden ist.
Dieser Schluss ist nicht unbedingt zwingend, wie kommen Sie darauf, dass
das eine mit dem anderen zu tun hat?
Antisemitismus vererbt sich. Das ist der Grund, warum er sich so hartnäckig
hält. Bestimmte Ressentiments werden von Generation zu Generation
weitergegeben. Vererbte Ressentiments aus der Nazizeit werden heute aber
leider immer öfter offen verlautbart. Man hetzt nicht nur mehr hinter
vorgehaltener Hand. Dieser neue Antisemitismus wird insbesondere bei der
Kritik an Israel offenbar.
Was hat Kritik an Israel mit Antisemitismus zu tun?
Genau das ist das Problem - da wird viel und wild durcheinandergemischt.
Gerne auch als Tabubruch getarnt, vergleichbar mit dem Tabubruch gegen die
sogenannte politische Korrektheit. Und es wird viel mit vermeintlichen
Gleichsetzungen gearbeitet – in Wirklichkeit ist es oft blanker
Antisemitismus, was getarnt als Israelkritik daherkommt.
Welche Rolle spielen linke Antisemiten dabei?
Sie finden sich speziell im antiimperialistischen Lager. Der Vorfall vom
25. Oktober in Hamburg, als eine Vorführung des Films "Warum Israel" von
Claude Lanzmann im B-Movie-Kino von antiimperialistischen Gruppen
verhindert wurde, spricht Bände. Wobei man sagen muss, dass Antisemitismus
zu einem Großteil in der politischen Rechten zu Hause ist – und leider vor
allem auch in der bürgerlichen Mitte.
Das ganz alte Klischee vom "reichen Juden" – glauben Sie, dass das noch
aktuell ist?
Leider ja, verkürzte, opportunistische Kapitalismuskritik ist wieder in
Mode. Und Verschwörungstheorien im Internet, wo die unqualifizierte Meinung
ohnehin ihre größten Triumphe feiert. Also, im Netz findet man eine ganze
Latte an Verschwörungstheorien. Auch die antisemitische. Und die ist wohl
die Mutter aller Verschwörungstheorien.
17 Nov 2009
## AUTOREN
Julia Seeliger
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