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# taz.de -- "Weltmaschine" LHC endlich in Betrieb: Die Erde dreht sich noch
> Kein schwarzes Loch, aber auch kein Ausfall eines Magneten: Der riesige
> Teilchenbeschleuniger LHC am Cern in der Schweiz hat zum ersten Mal seine
> beiden Protonen-Strahlen aufeinander geschossen.
Bild: Endlich läuft die Anlage: Physiker und Ingenieure heben ihre Gläser auf…
BERLIN/GENF taz/ap | Was war das für eine Aufregung, als der weltgrößte
Teilchenbeschleuniger [1][LHC] am Europäischen Kernforschungszentrums Cern
im September vergangenen Jahres [2][in Betrieb ging]. Von den Physikern als
"Weltmaschine" gefeiert, von den Kritikern verteufelt als
Weltuntergangsmaschine, die ein Schwarzes Loch erzeugen und uns alle in den
Tod reißen würde.
Doch nach nur 36 Stunden hatte ein Kurzschluss die Helium-Kühlung eines der
15 Meter langen und 35 Tonnen schweren Magneten unterbrochen, eine Tonne
Helium trat aus, der Magnet überhitzte und die Anlage musste
[3][abgeschaltet werden], bevor sich richtig am Laufen war.
Seit Freitag nun haben die Physiker am Cern ihre 4 Milliarden Euro teuere
Maschine Stück für Stück [4][wieder in Betrieb] genommen. Weitgehend
unregistriert von der Öffentlichkeit schickten sie ihre Strahlen bestehend
aus Protonen (der Kern eines Wasserstoffatoms) auf die 27 Kilometer lange
Bahn durch ihre Röhre, und beschleunigten sie.
Erst in die eine, dann in die andere Richtung, um sie dann am Montagmittag
um 14 Uhr 22 erstmals im Detektor "[5][Alice]", einem der vier
Hauptmessgeräte der Anlage, erfolgreich zur Kollision zu bringen. Im
"Alice"-Kontrollraum brachen die versammelten Physiker und Ingeniere in
Jubel aus. "Das war einfach unglaublich", erzählt "Alice"-Sprecher Jürgen
Schukraft.
Und das, ohne dass bisher die Welt unterging. Denn bei solchen Kollisionen
können theoretisch Schwarze Löcher entstehen. Nicht solche riesigen, die
ganze Sternensysteme verschlingen, sondern extrem kleine und kurzlebige.
Trotzdem gab es eine Gruppe von Zweiflern, die dem Cern am liebsten den
Strom abdrehen würden, weil sie entgegen der Expertise der etablierten
Physik annehmen, die Welt könne dadurch untergehen. Allen voran [6][Otto
Rösler], der in den Monaten nach Inbetriebnahme offenbar mit dem
Schlimmsten rechnet.
Aber zurück zum Cern: Nach einigen Justierarbeiten konnten die Forscher
schließlich bis Montagabend in allen vier Messgeräten die Protonenstrahlen
erfolgreich kreuzen und auf den Computerschirmen Kollisionen registrieren.
"Es ist ein großer Erfolg, dass wir in so kurzer Zeit so weit gekommen
sind", erklärte Cern-Chef Rolf Heuer hinterher stolz. "Aber es ist noch
immer viel zu tun, bevor wir das eigentlich LHC Forschungsprogramm starten
können."
Schon in wenigen Tagen erwarten die Forscher die ersten aussagekräftigen
Messungen. Noch kreiseln die Elementarteilchen mit einer Energie von 450
Giga-[7][Elektronenvolt], doch die Forscher wollen die Energie im zweiten
Schritt noch mal knapp verdreifachen.
Die Idee so eines Teilchenbeschleunigers ist, die Elementar-Teilchen mit
möglichst großer Geschwindigkeit aufeinander zu schießen. Dabei kommt es
vor, dass sich die Teilchen komplett in Energie auflösen und diese Energie
spontan in neuen Teilchen kondensiert. Je schneller die Teilchen und je
höher damit ihre in der Bewegung gespeicherte Energie, desto exotischer
sind die dabei enstehenden neuen Teilchen.
Die Forscher wollen vor allem dem so genannten "[8][Higgs-Boson]" auf die
Spur kommen, dem letzten fehlenden Puzzle-Teil im [9][Standardmodell] der
Elementarteilchenphysik – also der Theorie die erklärt, aus welchen
Teilchen die Welt aufgebaut ist. Die Ruhe-Energie des Higgs-Bosons liegt in
der Größenordnung von mindestens 100 bis 200 GeV. Zum Vergleich: Ein
ruhendes [10][Proton] hat eine Energie von knapp 1 Giga-Elektronenvolt
(GeV). Mit dem LHC lässt sich nun endlich so viel Energie auf einen Punkt
konzentrieren, dass die Entdeckung des Higgs-Bosons realistisch erscheint.
Durch die Bestätigung oder teilweise Widerlegung des Standardmodells
erhoffen sich die Forscher Aufschlüsse über die Entstehung des Universums,
über Antimaterie und den Ursprung der Materie selbst. Der Nachweis des
Higgs-Teilchens könnte aber noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.
Der Large Hadron Collider (LHC) wird vorerst auch nur mit gedrosselter
Energie betrieben. Erst im nächsten Jahr sollen die Protonen mit 3.500
Giga-Elektronenvolt zirkulieren – mit der 3,5 Mal so starken Energie wie
die der Teilchen im bislang größte Teilchenbeschleuniger Fermilab bei
Chicago. In der letzten Stufe des Experiments sollen gar 7.000
Giga-Elektronenvolt erreicht werden.
An dem Bau und Betrieb der vier Milliarden Euro teuren Anlage bei Genf sind
20 europäische Staaten beteiligt, darunter auch Deutschland. Die
Reparaturen und die zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, um einen erneuten
Ausfall des Kühlsystems zu verhindern, kosteten seither rund 27 Millionen
Euro.
24 Nov 2009
## LINKS
[1] http://public.web.cern.ch/public/en/LHC/Facts-en.html
[2] /1/zukunft/wissen/artikel/1/jagd-nach-dem-higgs-teilchen-beginnt/
[3] /1/zukunft/wissen/artikel/1/zwei-monate-fuer-reparatur/
[4] http://press.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2009/PR17.09E.html
[5] http://aliceinfo.cern.ch/Public/Welcome.html
[6] /1/zukunft/wissen/artikel/1/der-prophet-des-planetentods/
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Elektronenvolt
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Higgs-Boson
[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Standardmodell#Higgs-Boson
[10] http://de.wikipedia.org/wiki/Proton
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