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# taz.de -- die wahrheit: Wer ist Kafka?
> Betriebsausflug nach Prag: Ein fabelhafter Plan, in dem sich Schabernack
> und Vergnügungsabsichten aufs schönste miteinander verbinden
Bild: Jeder Teilnehmer sollte - wie früher auf Klassenfahrten - ein Referatsth…
An einem Sommerabend beschlossen wir, vor unserer Quartierskneipe, dem
Kyklamino, bei Bier und Äppler zusammenhockend, einen Betriebsausflug zu
machen. Hatte es so etwas schon mal gegeben? Dass eine
Kneipenstammkundschaft mit dem Wirt auf Reisen geht? War das nicht ein
fabelhafter Plan, in dem sich Schabernack und ernste Vergnügungsabsichten
aufs schönste miteinander verbanden? An den folgenden Abenden wurden die
Details besprochen. Wohin denn überhaupt?
Einige wollten nach Spanien, andere nach Moskau, und Berry schlug vor, nach
Hanau zu fahren. So kamen wir nicht weiter, und ich entschied, dass Prag
das Ziel sei. "Ououou", sagte Berry. Dann einigten wir uns auf das
Wochenende nach der Buchmesse.
Unser Wirt Apollo organisierte einen Bus und garantierte uns, dass der
Fahrer, ein türkischer Freund von ihm, keinen Alkohol anrühre. Am nächsten
Abend saß der Fahrer mit in der Runde und trank Pils.
Ich hatte mich zum Reiseleiter ernannt und bestand darauf, dass jeder
Teilnehmer - wie früher auf Klassenfahrten - ein Referatsthema übernehmen
und an der Moldau einen Vortrag halten müsse. Ich verteilte die Themen auch
gleich: Apollo spräche über Kafka ("Wer ist das Arschloch?"), Isa über den
Prager Fenstersturz oder irgendwas anderes, bloß nicht über
Genderfeminismus, Lutz über die Licht- und Schattenseiten des modernen
Nachtlebens ("Hä?"), Berry über die Frauengleichstellung in der
postkommunistischen Tschechei usw. Der Reiseleiter wurde von der
Referatspflicht entbunden.
Nun legten wir noch die Sitzordnung - ich neben dem Fahrer, mit der Gewalt
über Mikrofon und Musikanlage, dahinter die Damen und Berry, der Rest in
den Kofferraum, bei freier Platzwahl - und ein paar Regeln für die Pausen
an den Autobahnraststätten fest. Damit uns nicht langweilig würde, würden
zwei Teams gebildet und beim Zwergenwerfen gegeneinander antreten. Der
Zwerg würde Apollo sein.
Kurze Zeit später hing hinter dem Tresen eine Liste:
"Kyklamino-Betriebsausflug vom 23. bis 25. Oktober 2009 nach Prag". Rasch
hatten sich elf Teilnehmer verbindlich eingetragen, ich arbeitete an einem
Konzept für die Kneipenbesuche, das die Restaurants Svejk und Jan Paukert
und den Ausschank der Brauerei Staropramen sowie eine
Mindestprokopfbierverzehrmenge vorsah.
Je näher der Termin rückte, desto zäher gestalteten sich indes die
Betriebsausflugsvorbereitungsgespräche. Der Schwung war endgültig weg, als
unsere exzentrische Knalltüte, die sich um die Übernachtung kümmern wollte,
ihren Namen von der Liste strich, weil auf der keine sechzehn Leute
standen. Dann hatte Apollo die Faxen dicke und erklärte das Unternehmen für
gescheitert.
Seither geht im Kyklamino das Abendland jeden Abend noch ärger unter als
früher. Um die Stimmung zu heben, schlug Berry mal vor, einen "Gast der
Woche" wählen zu lassen (durch ihn) und auf einer Tafel zu ehren. Apollo
vereitelte das, indem er sich für den Wettbewerb "Wirt der Woche"
aussprach, und entließ daraufhin mich als Gast, weil ich gefragt hatte, ob
Gäste womöglich den Wirt entlassen dürften. Es ist doch alles eine
verdammte Schande.
27 Nov 2009
## AUTOREN
Jürgen Roth
## TAGS
Unter Schmerzen
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