# taz.de -- Buy Nothing Day - Aktionstag: Kauf nix! Konsumier doch! | |
> Der Buy Nothing Day ist die Antwort auf den Super-Einkaufstag Black | |
> Friday in den USA. Dass es neben den Neueinkäufen auch einen nachhaltigen | |
> Konsum gibt, zeigen drei Beispiele. | |
Bild: Nicht Kaufen! Der Buy Nothing Day appelliert an das Konsumverhalten der B… | |
Am Donnerstag war in den USA Power-Shopping angesagt: Thanksgiving ist | |
Amerikas wichtigster Einkaufstag. Die Reaktion darauf ist der Buy Nothing | |
Day am Samstag. Dieser "Kauf nichts"-Tag soll daran erinnern, dass unserem | |
Planeten die Puste ausgeht, wenn weiter hemmungslos und ungezügelt | |
konsumiert wird. Die Erkenntnis ist nicht neu - aber reicht es aus, einen | |
Tag innezuhalten? Und muss Konsum immer gleich Ressourcenverbrauch und | |
wachsende Müllberge nach sich ziehen? Drei Beispiele, wie aus dem | |
Verbraucher ein Gebraucher werden kann: | |
Das Prinzip: Als der Arzneimittelhersteller Bionorica 2005 sein neues | |
Verwaltungsgebäude plante, wollte er alles richtig machen. "Im Einklang mit | |
der Natur" sollte das Haus im oberpfälzischen Neumarkt stehen, so Michael | |
Popp, Geschäftsführer des Unternehmens. | |
Gut, dass man bereits im Vorfeld mit dem Hamburger Umweltinstitut Epea | |
zusammengearbeitet hatte. Dort hatte man nämlich die Idee, Fenster und | |
Teppiche nicht als Ware, sondern als Dienstleistung anzubieten. Die Idee | |
dahinter: Man braucht lediglich die Funktion des Fensters, also das | |
"Durchgucken" und den Schutz vor der Witterung, nicht jedoch das Fenster | |
selbst. Das nimmt der Anbieter Schüco nach Gebrauchsdauer wieder zurück und | |
trägt dann dafür Sorge, dass es fachgerecht wiederverwertet wird. | |
Ähnlich bei den Teppichen im Haus. Die bestehen aus zwei Schichten - einer | |
Verbleibschicht und einer Verbrauchsschicht. Ist Letztere abgelaufen, nimmt | |
der Hersteller den Bodenbelag kostenlos zurück und verwertet beide | |
Schichten getrennt, während Bionorica ein neues Exemplar bekommt. | |
Die Idee lässt sich prinzipiell auf alle Gebrauchsgüter übertragen. | |
Anstelle einer Waschmaschine kann man auch einfach 3.000 Waschgänge kaufen, | |
und der Hersteller nimmt die Maschine danach zurück. Mit diesem Prinzip | |
wäre man dem System der Kreislaufwirtschaft näher als mit bisherigen | |
Recyclingtechniken, die oft eher Downcyclingtechniken sind, vermutet Nabil | |
El Schami von Epea: Die Sekundär- und Tertiärrohstoffe werden immer | |
minderwertiger - und enden zuletzt oft in der Verbrennung. El Schami sieht | |
beim Leasingprinzip den Vorteil, dass Hersteller von vornherein "nur die | |
besten und reinsten" Materialien verwenden, weil sie ja als Ressource | |
wieder eingesammelt werden. | |
Sabine Kohl von Bionorica ist jedenfalls zufrieden mit den neuen Teppichen. | |
Die seien zwar nicht "flauschig weiß, sondern grau und funktional", aber | |
sie haben einen netten Nebeneffekt: Sie reinigen die Luft. "Kopfweh am | |
Arbeitsplatz ist jetzt kein Thema mehr." | |
Wo gibt's das? Das EPEA bietet eine Liste von Leasingprodukten unter | |
[1][www.epea.com]. | |
Was kostet es? Wegen geringer Stückzahl und qualitativ hochwertiger | |
Materialien bislang relativ viel. | |
Was bringt's? Tolle Idee, die sich auf viele Gebrauchsgüter übertragen | |
lässt. Schafft Anreize, hochwertige Produkte herzustellen. | |
Das Prinzip: Michael Wünstel aus der Nähe von Karlsruhe kann gut mit dem | |
Computer umgehen. Wem der PC Schwierigkeiten macht, dem hilft Wünstel | |
gerne: Zwar nicht kostenlos, aber anstatt Geld verlangt er für eine Stunde | |
Nachhilfe zehn "Talente". Das ist nämlich die Währung seines Tauschrings, | |
den er unter [2][tauschring.de] betreibt. | |
Wofür er die Talente, die sich auf seinem Konto sammeln, einsetzen will, | |
weiß er auch schon: "Ich brauche Hilfe beim Anlegen eines Kräuterbeets." Es | |
hilft ein Mitglied des Tauschrings. Das kostet Wünstel pro Stunde zehn | |
"Talente". | |
Wünstel ist Gründungsmitglied des vor 13 Jahren gegründeten Tauschrings | |
Karlsruhe. Er wollte damals "eine Alternative zum bestehenden | |
Wirtschaftssystem" schaffen, sagt er. Anderen Betreibern ist "der Einsatz | |
für ein lebendigeres Gemeinwesen" oder eine "stärkere Nachbarschaftshilfe" | |
wichtig. | |
Etwa 200 Tauschringe gibt es in Deutschland, meist in Städten und häufig | |
mit fantasievollen Währungsnamen wie Batzen, Wuppis, Mäxe und dergleichen. | |
Allen Tauschringen gemein ist die Absicht, Dienstleistungen und Waren auch | |
ohne Geld zu tauschen. Die imaginäre Währung erleichtert das, weil so kein | |
direkter Tauschpartner gefunden werden muss. | |
Während manche Ringe lediglich Dienstleistungen vermakeln, kann man in | |
Wünstels Tauschring auch Waren tauschen. Neben den positiven Aspekten, vor | |
allem im "sozialen Bereich", berichtet Wünstel, gibt es auch Probleme - | |
beispielsweise die Möglichkeit, "Schulden" zu machen. Viele Ringe gestatten | |
ihren Mitgliedern, sich bis zu einem gewissen Betrag zu verschulden. Möchte | |
man eine Dienstleistung nutzen, hat aber nicht genügend Punkte, kann das | |
Konto auch überzogen werden - allerdings kommen viele Leute nicht mehr aus | |
den Schulden raus und scheiden dann sang- und klanglos aus den Ringen aus: | |
ein Minusgeschäft für die Gemeinschaft. | |
Außerdem wirft der Fiskus ein Auge auf die Tauschbörsen. Während das | |
Finanzministerium einen "gelegentlichen Austausch" für unbedenklich hält, | |
verlangt es, dass jemand, der regelmäßig und in großem Umfang die | |
immergleiche Dienstleistung erbringt, seine "Einkünfte" dem Finanzamt | |
meldet - sonst werde er zum Schwarzarbeiter. | |
Wo gibt's das? Eine Liste aller Tauschbörsen gibt's unter | |
[3][www.tauschring.de]. | |
Was kostet es? Nichts, das ist ja das Schöne. Die Anmeldung ist kostenlos. | |
Was bringt's? Ein guter Ansatz, allerdings gibt es wenig professionelle | |
Dienstleistungen wie handwerkliche oder medizinische Tätigkeiten. | |
Hauptsächlich Plattform für "nachbarschaftliche" Hilfsangebote. | |
Das Prinzip: Das eigene Auto nutzt der Ulmer Unternehmensberater Rudolf | |
Straschewski für den Samstagseinkauf nur noch selten. Er nimmt lieber einen | |
von 200 weiß-blauen Smarts aus dem Projekt "car2go". Der Stadtplan auf der | |
Internetseite des Betreibers Daimler zeigt ihm die verfügbaren Fahrzeuge | |
als grüne blinkende Punkte an. Mit einem Chip, der auf seinem Führerschein | |
klebt, öffnet er den Wagen, fährt in die Stadtmitte und parkt den Wagen, wo | |
er möchte. | |
Vorbild ist das Mietfahrrad der Deutschen Bahn. Das Prinzip ist dasselbe: | |
Es gibt weder eine Grundgebühr noch eine Kaution. Stattdessen steigt man in | |
den Wagen, fährt zum Ziel - und muss sich dann nicht weiter um das Auto | |
kümmern. | |
So macht es auch Straschewski: Entweder reserviert er den Wagen für die | |
Zeit nach dem Einkauf, oder er klappert später die Parkhäuser der Stadt ab, | |
wo eigene Parkplätze für die Smarts reserviert sind. Hätte er ein Handy mit | |
Internetzugang, so könnte er sich die Standpunkte auch darüber anzeigen | |
lassen. | |
Abgerechnet wird erst nach Fahrtende: 19 Cent kostet die Minute. Den | |
eigenen Wagen abschaffen möchte Straschewski jedoch nicht, da er beruflich | |
viel unterwegs ist. Aber "es ist eine echte Alternative zum eigenen Auto", | |
findet er. "Ich spare mir die Parkgebühren und die Suche nach einem | |
Stellplatz." | |
Geht es nach Daimler, ist "car2go" die Zukunft der urbanen Mobilität: | |
Plötzlich will der Stuttgarter Autobauer nicht mehr Autos, sondern | |
Mobilität verkaufen. Und scheint damit vor allem den Nerv junger Leute zu | |
treffen: "60 Prozent der Nutzer sind unter 36 Jahre", weiß Daimler-Chef | |
Dieter Zetsche, der von dem Erfolg des Projekts begeistert ist: "Das | |
Interesse der Bürgermeister ist riesengroß." 2010 soll das Projekt | |
international marktfähig sein. Dass die Idee eigentlich von der Deutschen | |
Bahn abgekupfert ist, verschweigt er lieber. Wie bei dem Mietrad der Bahn | |
ist der Smart auf Zeit eher eine Lösung für Großstädte: "Das Konzept ist | |
vor allem für die verstädterten Räume praktikabel", erklärt Wiebke Zimmer, | |
die beim Öko-Institut zum Thema Nachhaltige Mobilität forscht. | |
Den Ulmern scheint das Projekt jedenfalls zu gefallen. Neben Straschewski | |
haben sich bislang fast 15.000 Einwohner für "car2go" angemeldet: Das ist | |
immerhin jeder fünfte Führerscheinbesitzer. | |
Wo gibt's das? Bisher nur in Ulm ([4][www.car2go.com]) und Austin, USA. | |
Was kostet es? 19 Cent pro Fahrminute, Tagespauschale 49 Euro. | |
Was bringt's? Vielversprechend. Müsste auf weitere Städte ausgedehnt | |
werden. Bringt vor allem was, wenn die Nutzer auf den Kauf eines eigenen | |
Wagens verzichten. | |
27 Nov 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.epea.com/ | |
[2] http://tauschring.de/ | |
[3] http://www.tauschring.de/ | |
[4] http://www.car2go.com/ | |
## AUTOREN | |
Manuel Bogner | |
## TAGS | |
Youtube | |
Pornhub | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
YouTuber über den „Buy Nothing Day“: „Wenige sind bereit zu verzichten“ | |
Einen Tag lang nichts kaufen – das ist das Ziel des „Buy Nothing Day“. Der | |
YouTuber Ralf Roesberger zeigt auf seinem „Selbstversorgerkanal“, wo das | |
geht. | |
Pornografie im Netz: Weihnachten ist tote Hose | |
Das Internet hat die Pornobranche revolutioniert. Aber alles hat seine | |
natürlichen Grenzen. Bei Online-Pornos sind es die Weihnachtsfeiertage. |