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# taz.de -- die wahrheit: Metallica auf Socken
> Drängende Erinnerungen an goldene Zeiten
Bild: Jeff Hanneman (Mitte, 2. v.r. zwischen Kerry King und Tom Araya) versetzt…
Nach der Lesung in einer kleinen Kreisstadt am Rande der Lüneburger Heide
kam ein glatzköpfiger Mensch in den Fünfzigern nach vorn an den Tisch und
sah mich scharf an. "Du glaubst wohl auch, du hättest die Weisheiten des
Heavy Metal mit silbernen Löffeln gefressen, oder was?"
Ich bat ihn zu entspannen und mir zu berichten, was er auf dem Herzen habe.
Und da brach es aus ihm heraus: das, was er all die Jahre mit sich
herumgeschleppt hatte, was er hier niemandem mehr erzählen konnte, weil er
es allen schon vorher hundertfach erzählt hatte. Er sei nämlich in den
Achtzigern, den goldenen Zeiten, als Tourmanager vor allem von Heavy-Bands
unterwegs gewesen. Slayer, Exodus, Motörhead, Skid Row und nicht zuletzt
Guns N Roses, als diese ihre Amps noch selbst auf die Bühne tragen mussten
- er hatte sie alle.
"Na, dann hast du ja bestimmt ne ganze Menge erlebt", lockte ich
verschlagen. "Das kannst du aber laut sagen", meinte er mit
selbstzufriedenem Lächeln. Er tischte mir die üblichen schmutzigen
Drogenakquise-, Suff- und Groupiestandards auf, die man gelegentlich ganz
gern hört, aber für die man nicht unbedingt dabei gewesen sein muss, um sie
erzählen zu können, weil sie schon seit Jahrzehnten zur
Hard-n-Heavy-Folklore gehören. Led Zeppelin waren schließlich auch mal
jung. Immerhin, Duff McKagans Begrüßung der überglücklichen Bravo-Leserin,
die hinter die Bühne gekommen war, um den Goldenen Bravo-Otto zu
überreichen, blieb gegen meinen Willen hängen: "Darf ich an deinen Zehen
lutschen?"
Aber als das ehemalige Rock-n-Roll-Etappenschwein dann seine
"Lieblingsgeschichte" ankündigte und mit den Worten einzuleiten begann, er
wisse auch gar nicht genau, warum er sie so möge, denn sie sei eigentlich
ganz und gar unspektakulär, da spitzte ich denn doch gleich meinen inneren
Bleistift und hörte genauer hin. Er saß gerade mit Metallica im Nightliner,
sie kamen aus Skandinavien und waren unterwegs nach Süddeutschland, als die
Jungs ein exorbitantes Bedürfnis packte, dem sie auf dem bordeigenen WC
nicht mehr nachkommen mochten. Es war einfach unansehnlich geworden. Schon
in der zweiten Tour-Woche hatte man ernsthaft darüber diskutiert, was man
benötige, um die Kabine vom Rest des Fahrzeugs abzusprengen. Da musste er
sich als Tourmanager natürlich etwas einfallen lassen. Nicht ganz
uneigennützig, versteht sich.
Nun trug es sich zu, dass sie die Gestade jener kleinen niedersächsischen
Kreisstadt am Rande der Lüneburger Heide erreichten und folglich sein
Elternhaus nur mehr zehn Minuten entfernt lag. Er meinte seine alte Heimat
schon riechen zu können, aber dieser Pesthauch entstammte wohl doch eher
jener kontaminierten Zone aus dem hinteren Teil des Nightliners. Also bat
er die Band um Aufmerksamkeit und unterbreitete ihr seinen Plan. Sie
könnten im Haus seiner Eltern austreten, wenn man - und das mussten sie ihm
in die Hand versprechen - die Schuhe vor der Haustür ausziehe, nirgends
Spritzen liegen lasse und vor allem mucksmäuschenstill sei, denn seine
Eltern lägen zu diesem Zeitpunkt bereits ein paar Stunden im Bett. Es war
ja auch schon kurz vor Mitternacht. "Na ja, und so kam es dann", der Mann
wurde jetzt richtig euphorisch, "dass eine der bekanntesten Metal-Bands des
Planeten, auf Socken, von einem Bein aufs andere tretend und stumm wie ein
Stein, im Hausflur meiner Eltern stand und darauf wartete, sich endlich mal
wieder in Würde die Nase pudern zu können."
Es wäre dann aber doch noch beinahe eskaliert, als Kirk Hammett halblaut
durch die Klotür zischte, Ulrich möge jetzt aber langsam mal hinnemachen,
Pickel ausdrücken könne er auch noch im Bus und bei dem eben vernommenen
Zeitungsgeraschel wachse ihm eine Knolle, die bereits deutlich sichtbar
würde. Aber James Hetfield, der sich als Erster erfrischt hatte und
entsprechend gelaunt war, gab ihm eine Kopfnuss, die sehr weh getan haben
muss, und erklärte ihm flüsternd, er habe gehört, seine alte Band Exodus
suche wieder einen Leadgitarristen.
"Aber die beiden haben sich dann schnell wieder eingekriegt", nickte mein
Gewährsmann. "Was hätte der kleine Kirk denn auch anderes tun sollen?" Ein
paar Tage später rief seine Mutter an. Sie tat geheimnisvoll. Er habe wohl
bei seinem letzten Besuch etwas liegen lassen. Er versuchte sich sofort
rauszureden - das sei ja bloß Backpulver, das helfe so gut gegen Sodbrennen
-, daraufhin schwieg sie eine Weile irritiert und erzählte dann, dass sie
in dem leeren Seifenschälchen auf der Anrichte ein paar Scheine und etwas
Kleingeld gefunden habe. "Das müssen so um die 13,50 Dollar gewesen sein."
Die Band hatte für ihn gesammelt! Als er mir das erzählte, schlich sich ein
wehmütiger Zug ins verlebte Gesicht, der mir diesen Veteranen fast schon
sympathisch machte.
28 Nov 2009
## AUTOREN
Frank Schäfer
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