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# taz.de -- Debatte Öko-Konsum: Die Welt rettet nicht der Einkaufskorb
> Die Leidtragenden des Klimawandels – die Armen und die künftigen
> Generationen – können nur durch bindende internationale Absprachen
> geschützt werden.
Bild: Andere Welt: Salz auf meinem Einkaufswagen.
Vergesst Kopenhagen und die Politik. Beide laufen doch nur ins Leere. Setzt
stattdessen auf das private Handeln der Bürger und mehr Öko-Konsum! So
lautete die Botschaft der Unfried-Brüder kürzlich an dieser Stelle. In
einem haben sie recht: Die Klimapolitik ist keine Erfolgsgeschichte.
Weltweit sind die Emissionen seit 1990 um 40 Prozent gestiegen. Auch in den
Industrieländern sind sie nur dank der Industriezusammenbrüche 1990 in
Osteuropa und dank der Produktionsverlagerungen in den Süden auf hohem
Niveau stabil.
Kopenhagen wird die Pleiten der Klimapolitik fortsetzen und selbst bei
günstigstem Verlauf die nötige Festlegung auf die 80 Prozent weit
verfehlen. Oder mangels klarer Vollzugsregeln in der Umsetzung versanden.
Auch die nötigen riesigen Finanztransfers in den Süden werden nur in
kleinen Ansätzen kommen – oder mangels klarer Vorgaben in den Taschen von
Diktatoren enden.
Es ist klimapolitisch und demokratisch fatal, dass eine Art großer
Klimakonsens aus Parteien, Wirtschaft und Verbänden trotzdem Kopenhagen als
Riesenschritt feiern wird, obwohl es besagte Schäden teilweise hinnimmt.
Mehr "ging politisch eben nicht", wird es heißen.
Die Klimapolitik ist also ein Fiasko. Die Unfried-Forderung "mehr
Zivilgesellschaft und Konsumentendemokratie", in der die Bürger von selbst
klimafreundlicher leben und konsumieren, ist gleichwohl nicht hilfreich.
Freiwilliges Klimahandeln war schließlich schon bisher möglich: Und
trotzdem ist unsere Emissionsbilanz unverändert, trotz unendlich vieler
kleiner, sehr zu begrüßender bürgerlicher Initiativen.
Die Forderung nach Umdenken, anderem Konsum und mehr Engagement ist zwar
richtig und wichtig - sie braucht jedoch zwingend eine starke politische
Flankierung. Sonst droht sie eine bloße Selbstbestätigung einzelner
Lifestyle-Ökos anhand einiger symbolträchtiger Handlungen zu bleiben: Heute
kommen wir ausnahmsweise mal ohne Auto zur Arbeit.
Oft behindert nämlich Allzumenschliches meine Rolle als "klimakorrekter
Konsument". Etwa Konformität: Lasse ich den klimapolitisch inkorrekten
Februarkurzurlaub auf Gran Canaria sein, obwohl er so schön billig ist,
werde ich zum Sonderling.
Zudem kann ich mir vom Gefühl her raumzeitlich fernliegende, unsichtbare
Klimaschäden in Indien oder in 80 Jahren kaum vorstellen – also nehme ich
das Klimathema vom Bauch her doch immer nur so halb ernst. Der Drang nach
Bequemlichkeit, Gewohnheit und Verdrängung unliebsamer Folgen meines Tuns
kommt dazu. Außerdem: Warum verzichten, wenn ich allein doch ohnehin nicht
das Klima retten kann?
Dass wir Kunden so ticken, wissen auch die Unternehmen. Das Risiko, sich
mit klimakorrekten Produkten in den Konkurs zu treiben, ist den meisten
daher zu groß. Zudem reichen Lippenbekenntnisse zu "mehr freiwilligem
Klimaschutz im Unternehmen" den Kunden oft. Die Einhaltung können (oder
wollen) die Kunden ohnehin selten prüfen.
Zumal es viele, teilweise gegenläufige Ziele gibt, auf die ich als
Konsument eigentlich achten müsste. Das eine Unternehmen verspricht
vielleicht "Produkte ohne Kinderarbeit", das andere Unternehmen verspricht
"Klimafreundlichkeit". Und jetzt soll ich als Verbraucher entscheiden, was
von beidem wichtiger ist?
Prinzipiell inexistent sind in der Konsumentendemokratie die unendlich
vielen Armen weltweit, ebenso wie künftige Generationen: Ihr Elend
erscheint am Markt "kostenlos", sie können heute ja keinen Konsumentendruck
ausüben. Das ist fatal: Denn der Klimawandel wird vor allem künftigen
Generationen und den Armen in den südlichen Ländern schaden.
Natürlich unterliegen nicht nur Bürger und Unternehmen, sondern auch
Politiker Faktoren wie Eigennutzen (Wiederwahl), Bequemlichkeit,
Konformität. Zweifellos brauchen wir deshalb auch eine Kulturdebatte –
allein schon, damit beherzte Klimapolitiker gewählt und nicht abgewählt
werden. Sonntagsreden über Unternehmensverantwortung und neue Konsumenten à
la [1][utopia.de] helfen dagegen kaum weiter. Sie drohen uns von einem
echten Angehen der Probleme abzuhalten.
Druck in Richtung auf die nötigen politischen Veränderungen ist vielmehr
die Hauptaufgabe für aufgeklärte Bürger - und erst nachrangig die Nutzung
ihrer konsumentendemokratischen Macht. Zumal wir dringend eine
revitalisierte demokratische Debatte brauchen. Statt zensierter
Konsumentendialoge mit vermeintlich änderungswilligen Unternehmen, die wie
bei utopia.de die wirklich unangenehmen Fragen auf ihrer Homepage dann auch
noch löschen.
Auch eine mögliche stärkere Symbolik als Schritt zur Klimawende ("eine von
Windrädern eingerahmte Autobahn") überschätzen die Unfrieds. Der ganze
Umweltschutz ist schon bisher überladen mit symbolischen Bekundungen, die
seit 40 Jahren wenig an unserem weiter steigenden Ressourcenverbrauch
geändert haben.
Außerdem bleibt das Setzen auf die Konsumenten und die freiwillig immer
ökologischer werdenden Unternehmen der Wirtschaftswachstumslogik unserer
Gesellschaft verhaftet. Minus 95 Prozent Klimagase geht aber nicht mit
ewigem Wirtschaftswachstum.
Auch wenn Autos künftig mit Solarstrom fahren, blieben die anderen
Ressourcen in einer physikalisch endlichen Welt endlich. Die tägliche Fahrt
zur Arbeit mit dem Auto für alle Menschen weltweit wird es so nicht geben
können. Und dass nur die anderen verzichten und nicht wir, wäre absurd.
Wie aber geht Marktwirtschaft und Demokratie ohne Wachstum – das sollten
wir debattieren. Nicht ernsthaft reden sollten wir dagegen über den
Irrglauben, Unternehmen könnten freiwillig anfangen, Fahrräder statt Autos
zu bauen – und von ihrem Expansionskurs abzulassen.
Niemals wird der oft primär eigennützige, raumzeitlich kurzsichtige Mensch
rein (!) freiwillig die Emissionen fast auf Null senken. Ökonomen sagen zu
Recht: Das Klima erscheint vordergründig als "kostenlos" und wird deshalb
zu stark genutzt. Das ändern wir nur, indem wir Politik machen. Allerdings
viel entschlossener als in Kopenhagen.
4 Dec 2009
## LINKS
[1] http://utopia.de/
## AUTOREN
Felix Ekardt
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