# taz.de -- Debatte Irans Atomstreit: Tag der Studenten | |
> Heute wird die Opposition ihre Proteste wieder auf die Straße tragen. Im | |
> Atomstreit ist Ahmadinedschads Regierung schon in die Defensive geraten. | |
Heute wird in Iran der "Tag des Studenten" gefeiert. 1953 hatte der Schah | |
an diesem Tag auf demonstrierende Studenten schiessen lassen, die - vor dem | |
Besuch des damaligen US-Vizepräsidenten Richard Nixon - gegen die | |
Putschregierung des Shahs protestierten. Seit der Islamischen Revolution | |
vor 30 Jahren ist er ein offizieller Feiertag. Heute will ihn die "Grüne | |
Opposition" nutzen, um ihren Protest wieder auf die Straße zu tragen. Da | |
sie für ihre Demonstrationen keine Genehmigungen erhält, nutzt sie dafür | |
seit den umstrittenen Wahlen im Sommer die staatlichen Feiertage, die | |
bislang dazu bestimmt waren, die Herrschaft der Ayatollahs zu legitimieren. | |
Der kleinste gemeinsame Nenner dieser Opposition ist ihre Gegnerschaft zum | |
geltenden theokratischen System. Die beiden Präsidentschaftskandidaten | |
Mussavi und Karubi gelten als ihre führenden Köpfe. Doch seit sich die | |
Schlinge um sie immer enger zusammen zieht, ist ihr Aktionsradius stark | |
eingeschränkt, meist laufen sie der Bewegung nur hinterher. | |
Spätestens seit dem Verbot von Etemade Melli, der Zeitung von Karubi, nach | |
den Wahlen hat sich der Informationsfluss in den virtuellen Raum verlagert. | |
Während die staatlichen Medien als klassische Propagandaapparate fungieren, | |
verbreiten Journalisten, deren Medien verboten wurden, über youtube, | |
Facebook und Twitter weiterhin "unangenehme Wahrheiten". So kommt es, dass | |
die Opposition trotz der massiven Zensur des Informationsministeriums und | |
der neugegründeten Cyberpolizei auch jene Schichten erreicht, die selbst | |
keinen Zugang zum Internet haben. | |
Bei Demonstrationen wie zuletzt am 4. November zeigt sich zudem, dass sich | |
die Opposition aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen zusammen | |
setzt. Das "Wir-Gefühl" der Protestler wird durch im Internet kursierende | |
Aufrufe, Manifeste, Bilder, Videos oder Plakate gestärkt, die von Handy zu | |
Handy, an Häuserwänden oder auf öffentlichen Plätzen unters Volk gebracht | |
werden. Das Internet hat auch zu dem Phänomen geführt, dass viele | |
Exil-Bewegungen, die sich bislang feindlich gegenüber standen, jetzt unter | |
dem Banner der "Grünen Bewegung" vereint haben. Im Ausland unterstützen sie | |
die Proteste im Iran mit Solidaritätskundgebungen im Ausland, die in den | |
westlichen Medien aufmerksam verfolgt werden. | |
Von einem einfachen Durchmarsch der iranischen Regierung in den vergangenen | |
sechs Monaten kann also keine Rede sein. Der amtierende Präsident | |
Ahmadinedschad versucht verzweifelt, die innere und äußere Kritik | |
abzuwehren und seinem Amt einen Hauch von Legitimität zu verschaffen. | |
Gleichzeitig wächst im Atomstreit der Druck der internationalen | |
Gemeinschaft auf das Regime. Zwar nutzt das Regime jede ausländische | |
Einmischung traditionell als Vorwand, um Oppositionelle zu knebeln. | |
Gleichzeitig erwecken Verlautbarungen wie die von letzter Woche, der Iran | |
wolle zehn neue Urananreicherungsanlagen bauen, den Eindruck, die | |
Machthaber agierten mit ihren Entscheidungen nicht mehr rational, sondern | |
eher starrsinnig. | |
Während der innere und äußere Druck wächst, sucht Ahmadinedschad in Afrika | |
und Südamerika neue Verbündete. Seit Obamas Charmeoffensive auf seiner | |
Asienreise ist es um den iranischen Präsidenten einsam geworden. Im Poker | |
um das Atomprogramm hat Iran den Rückhalt seiner bisherigen Schutzmächte | |
Russland und China verloren. Der IAEA-Gouverneursrat verabschiedete letzte | |
Woche in Wien - mit den Stimmen Russlands und Chinas - seit fast vier | |
Jahren die erste Resolution gegen das iranische Atomprogramm. Ahmadineschad | |
bezeichnete das russische "Ja" in einem Fernsehinterview als einen | |
"Fehler". | |
Dass Obama die geplanten Raketenschilde in Polen und Tschechien aufgab, | |
markierte einen Wendepunkt in den russisch-amerikanischen Beziehungen: | |
seitdem verzichtet Russland seinerseits offen auf seine "Irankarte". Seit | |
Wochen schon beschwert sich Teheran über Russlands "Unzuverlässigkeit": so | |
verweigere Moskau die Lieferung von bereits 2005 bestellten | |
S300-Luftabwehrraketen. Und zwischen der neuen US-Regierung und Russland | |
besteht, nach offizieller Lesart, auch über neue Sanktionsrunden | |
prinzipiell Einigkeit. Die Eröffnung eines iranischen Atommeilers in | |
Bushehr wurde gerade erneut um ein weiteres Jahr nach hinten verschoben - | |
aus "technischen Gründen", wie es heißt. | |
Auch China will in Hinblick auf Iran enger mit den USA zusammenarbeiten. | |
Chinas Aufwertung zum "gleichberechtigten Partner" dürfte dabei ein erster | |
Schritt gewesen sein - welche Zugeständnisse Obama Peking noch machen | |
musste, werden wir möglicherweise bald erfahren. Iran hatte mit China | |
Milliardenverträge über Rohstofflieferungen und Warenimporte abgeschlossen. | |
Doch der Bau einer Gaspipeline über Pakistan und Indien nach China, der | |
2007 beschlossen wurde, stockt seit langem. | |
Angst vorm Atom-Kompromiss | |
Obamas diplomatischer Kurs, eine möglichst breite Koalition gegen einen | |
nuklear bewaffneten Iran zu schmieden, trifft die Regierung in Teheran | |
hart. Ihre vermeintliche Legitimität, die sie durch die internationalen | |
Verhandlungen über das Atomprogramm zu untermauern suchte, gerät zusehends | |
ins Wanken. Sie ist durch gezielte, durch die Einbindung Russlands und | |
Chinas verstärkte Sanktionen und den relativ niedrigen Ölpreis in die | |
Defensive geraten. | |
Teheran steckt in einem Dilemma: eine Annährung an die USA empfinden nicht | |
nur die Regierung und der Revolutionsführer, sondern auch weite Teile der | |
Machtelite als existenzielle Bedrohung. Gleichzeitig wäre ein Kompromiss | |
mit den USA in der Atomfrage derzeit die einzige Möglichkeit, sich | |
wenigstens nach außen hin Autorität zu verleihen. Dieser Kompromiss scheint | |
aber in immer weitere Ferne zu rücken. | |
Die USA ihrerseits haben sich in den letzten Monaten mit | |
Solidaritätsbekundungen mit der Opposition zurückgehalten, um die | |
Atomverhandlungen nicht zu gefährden. Nachdem diese nun als gescheitert | |
angesehen werden können, sind die Erwartungen der iranischen Opposition an | |
Obama wieder gestiegen. SHAHRAM NAJAFI | |
7 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Shahram Najafi | |
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