# taz.de -- Lobbyarbeit für Pharmakonzerne: Verheugen macht Druck | |
> EU-Kommissar Günter Verheugen möchte noch schnell neue Regeln für die | |
> Pharmindustrie verabschieden. Vor allem möchte er, dass das Werbeverbot | |
> für Medikamente gelockert wird. | |
Bild: Die Pharmaindustrie erhofft sich eine Umsatzsteigerung, wenn sie Patiente… | |
BRÜSSEL/BERLIN dpa/taz | Der scheidende EU-Industriekommissar Günter | |
Verheugen warnt vor immer mehr gefälschten Arzneimitteln. In den zähen | |
Verhandlungen um neue EU-Gesetze für den Pharmasektor erhöhte er damit am | |
Montag den Druck. Gegenüber der Zeitung Die Welt" sagte Verheugen zwar, es | |
gehe um Antibiotika, Krebs- und Malariamedikamente, cholesterinsenkende | |
Arzneien sowie Schmerzmittel und Viagra. Tatsächlich aber geht es dem | |
EU-Industriekommissar darum, der Pharmaindustrie die Tür zu öffnen, um | |
Werbung und Reklame für ihre Medikamente direkt an den Verbraucher und die | |
Patienten zu bringen. | |
Mit der neuerlichen Warnung vor gefälschten Medikamenten will Verheugen | |
offensichtlich Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen um das | |
"Pharmapaket" genannte Bündel aus mehreren EU- Richtlinien und Verordnungen | |
bringen. Eine heftig umkämpfter Streitpunkt ist die Frage, ob und wie die | |
Pharmaindustrie die Patienten beziehungsweise Kunden direkt informieren | |
darf. Damit steht auch das Werbeverbot für Medikamente zur Disposition. | |
Der SPD-Politiker Verheugen scheidet demnächst aus der Kommission aus; das | |
Pharmapaket war eines seiner wichtigsten Dossiers. In der neuen | |
EU-Kommission, die Anfang Februar antritt, übernimmt das Ressort der | |
Italiener Antonio Tajani (bisher Verkehr). | |
Im Europaparlament ist das Pharmapaket umstritten. Die Konservativen haben | |
eine Lockerung des Werbeverbots für verschreibungspflichtige Medikamente | |
als "nicht sinnvoll" bezeichnet, da sie zur vermehrten Verschreibung von | |
teuren und nebenwirkungsreichen Medikamenten führen könnten. Dieses sei nur | |
denkbar für sachgerechte und unabhängige Informationen, die der Patient von | |
sich aus nachfragt, etwa die Veröffentlichung von Beipackzetteln im | |
Internet in verständlicher Übersetzung. | |
In der SPD setzt sich auch die Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt für | |
die Pharmaindustrie ein. "Patientenvertreter verlangen seit langem nach | |
einer Möglichkeit für Patienten, verlässliche krankheitsorientierte | |
Informationen über Arzneimittel und deren Anwendung zu bekommen", sagte die | |
SPD-Politikerin. "Es darf nicht sein, dass jeder Patient Englisch sprechen | |
muss, um sich auf amerikanischen Internetseiten die gewünschten | |
Informationen zusammenzustellen. Wichtige Angaben zu Arzneimitteln müssen | |
leicht zugänglich und nicht nur beim Arzt erhältlich sein." Die | |
Mitgliedstaaten dürften den Bürgern nicht die Mündigkeit absprechen. | |
Der europäische Dachverband der Verbraucher BEUC hingegen hat das Vorhaben | |
wiederholt als "versteckte Werbung" gebrandmarkt. Auch vom EU-Ministerrat | |
gibt es derzeit keine Unterstützung. Nachdem es in einzelnen | |
Mitgliedstaaten Proteste gegen die "Pharma-Werbung" gab, liegt es dort erst | |
einmal gänzlich auf Eis. | |
7 Dec 2009 | |
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