# taz.de -- Untersuchung zum Ayodhya-Konflikt: Dunkler Fleck der Erben Gandhis | |
> Die Kongresspartei schreibt die Geschichte um, wenn sie sich mit | |
> Schuldzuweisungen aus der Mitverantwortung für anti-muslimische Progrome | |
> herauszustehlen versucht. | |
Bild: Eine verschleierte Muslimin bei einer Demonstration in der Stadt Chennai … | |
DEHLI taz | Der Kronprinz suchte selbst die Nähe zum Tatort. "Indien könnte | |
gut einen muslimischen Premierminister haben, nicht weil er einer | |
bestimmten Gruppe angehört, sondern weil er oder sie die Fähigkeit dafür | |
besitzt", sagte Rahul Gandhi auf Tour im nordindischen Bundesstaat Uttar | |
Pradesh. Als Generalsekretär der regierenden Kongresspartei reist Gandhi, | |
Urenkel des Republikgründers Jawaharlal Nehru, diese Woche durch Indiens | |
bevölkerungsreichsten Bundesstaat, um muslimische Wähler zurückzugewinnen. | |
Das ist hier besonders schwer, weil radikale Hindus vor 17 Jahren im | |
Städtchen Ayodhya in Uttar Pradesh eine Moschee zerstörten. Sie stand | |
angeblich am Geburtsort der hinduistischen Gottlegende Rama. Bis heute | |
berührt der Name Ayodhya empfindlich das politische Bewusstsein der Inder, | |
am empfindlichsten das der Muslime. Sie stellen 13 Prozent der Bevölkerung, | |
die Hindus 80 Prozent. | |
Die Muslime werfen der schon 1992 regierenden Kongresspartei vor, damals | |
nichts gegen die radikalen Hindus unternommen zu haben. Für Rahul Gandhi | |
ist das ein schweres Erbe. Seit 1992 verlor die Kongresspartei in Uttar | |
Pradesh viele Wahlen, nicht zuletzt, weil ihr die muslimischen Wähler | |
wegliefen. Seit Gandhi im letzten Jahr die Wahlkampfführung seiner Partei | |
übernahm, kämpft er gegen das Erbe von Ayodhya. Nicht ohne Erfolg. Die | |
Kongresspartei gewann bei der Parlamentswahl im Mai in Uttar Pradesh viele | |
muslimische Stimmen zurück. | |
Damit das so weitergeht, ist Gandhi diese Woche wieder in Uttar Pradesh und | |
umgarnt die muslimische Bevölkerung. Denn sein Projekt geht weit über den | |
Tag hinaus: Er will die Geschichte des 6. Dezember 1992 umschreiben. Seine | |
Kongresspartei soll an den Ereignissen nicht mehr schuld sein. | |
Gandhis Spiel hat diese Woche gleich zwei Schauplätze. Denn während er in | |
der Provinz Basisarbeit verrichtet, tobt im indischen Parlament der Kampf | |
um die Interpretation von Ayodhya. Anlass dafür gibt der Bericht einer | |
Regierungskommission, die schon zehn Tage nach den Ereignissen in Ayodhya | |
eingesetzt wurde, aber erst jetzt einen umfangreichen Bericht über die | |
Geschehnisse vorgelegt hat. Darin wird die Führung der größten | |
Oppositionspartei, der hindunationalistischen BJP | |
(Bharatiya-Janata-Partei), angeklagt, die damalige Ausschreitungen bewusst | |
provoziert zu haben. | |
Neben dem heutigen BJP-Fraktionsführer im Parlament, Lal Krishna Advani, | |
wird auch der ehemalige BJP-Premierminister Atal Behari Vajpayee, der | |
später die Zerstörung der Moschee in Ayodhya bedauerte, der | |
Mitverantwortung bezichtigt. Dagegen wird die Kongresspartei, die damals | |
weder Soldaten noch Polizeiverstärkung nach Ayodhya schickte, von aller | |
Schuld freigesprochen. | |
Die BJP, die Indien mit Vajpayee von 1999 bis 2004 regierte, ist über den | |
Bericht entsprechend empört. Sie streitet bis heute dafür, in Ayodhya am | |
Platz der Moschee einen hinduistischen Tempel zu errichten. "Einen | |
Rama-Tempel zu bauen, ist nicht nur ein hinduistisches Recht, es ist | |
nationales Recht", polterte der BJP-Vorsitzende Rajnath Singh am Montag im | |
Parlament. | |
Das hilft dem Anliegen Rahul Gandhis. Denn nur noch ein harter Kern der BJP | |
verteidigt heute die Zerstörung der Moschee. Der indische Mainstream hat | |
die Fehler von damals längst erkannt. Was er dabei übersieht, sprach jetzt | |
nur der Führer einer kleinen Oppositionspartei aus: "Kongresspartei und BJP | |
waren damals verbündete Verbrecher", sagte Mulayam Singh, Chef der | |
Samajwadi-Partei. | |
9 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Georg Blume | |
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