# taz.de -- Unistreik in Österreich: Audimax-Besetzer wollen ins Parlament | |
> Den Ruf nach Räumung des Wiener Audimax blockt auch der Unirektor ab. | |
> Dort haben sich Obdachlose in den Protest integriert. Die Studis bieten | |
> an, Audimax gegen Parlament zu tauschen. | |
Bild: Rektor Günther Winckler schaut bei den Besetzern des Audimax vorbei. Rä… | |
WIEN taz | Österreichs protestierende Studentenschaft will ins Parlament. | |
Nicht mittels demokratischer Wahl, vielmehr soll das Hohe Haus quasi als | |
Ersatzquartier für das Auditorium Maximum der Universität Wien dienen. Ihr | |
Rektor Günther Winckler hatte letzte Woche über die hohen Kosten der mehr | |
als anderthalb Monate währenden Besetzung des Audimax durch die Studenten | |
geklagt. | |
Vergangenen Freitag war das fast 1.000 Plätze fassende Audimax wieder | |
einmal zum Brechen voll. Der Rektor, flankiert von der Vizerektorin und | |
vier Mitgliedern des akademischen Senats, begab sich erstmals seit Beginn | |
der Besetzung am 23. Oktober in die Niederungen des größten Hörsaals im | |
Haus an der Wiener Ringstrasse. Er kam allerdings mit leeren Händen. | |
Schließlich richten sich die meisten Forderungen an die Politik. Neben mehr | |
Finanzierung geht es vor allem um die Umsetzung des sogenannten | |
Bologna-Prozesses, also die Vereinheitlichung des Studienbetriebes auf | |
europäischer Ebene, die in der österreichischen Variante zur „Verschulung“ | |
der Universität geführt hat. | |
Winckler erklärte, der Protest hätte eine notwendige gesellschaftliche | |
Diskussion in Gang gesetzt. Das sei begrüßenswert. Den Forderungen einiger | |
ÖVP-Funktionäre, der Besetzung durch polizeiliche Räumung ein Ende zu | |
setzen, erteilte er eine Absage. Allerdings appellierte er an die | |
Studentenschaft, die Aktion freiwillig zu beenden. Er wäre auch bereit, für | |
die Informationsarbeit andere Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. | |
Schließlich müssten im Austria-Konferenzzentrum Auditorien angemietet | |
werden, damit der Lehrbetrieb weitergehen kann. Täglich beliefen sich die | |
Kosten auf über 25.000 Euro. Insgesamt sollen bereits mehr als 1,25 | |
Millionen in zusätzliche Mieten investiert worden sein. | |
Die Besetzer halten es für keine gute Idee, das Audmax aufzugeben. „Es hat | |
Symbolkraft und war schließlich der Ausgangspunkt der Proteste“, meint der | |
Physikstudent Marian, der seit dem ersten Tag dabei ist. Kollege Georg von | |
der Politikwissenschaft pflichtet ihm bei. Außerdem sei im Austria-Center | |
mehr Platz: „Wir setzen die Forderung nach größeren Hörsälen sozusagen | |
selbsttätig durch“. Das Kostenargument halten die beiden für wenig | |
überzeugend. Schließlich wandere das Geld nur von einer staatlichen | |
Institution zur anderen. | |
Am Dienstag überraschten die Besetzer schließlich mit dem Vorschlag, ins | |
Parlament umzuziehen. Nach der Plenarsitzung vom 11. Dezember stehe der | |
große Sitzungssaal bis Mitte Januar leer. Man erkläre sich gerne bereit, | |
die ständige Präsenz dorthin zu verlagern: „Der universitäre Lehrbetrieb | |
könnte damit wieder aufgenommen werden und die Universität Wien die Kosten | |
für die Anmietung von Ausweichräumen einsparen“. | |
Erwartungsgemäß konnte sich Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, SPÖ, | |
für diese Idee wenig begeistern. Daher richten sich die Besetzer darauf | |
ein, Weihnachten und Neujahr im Audimax zu verbringen. Ein Christbaum wurde | |
ihnen schon versprochen. Sogar ein solidarischer Priester soll sich zur | |
Weihnachtsfeier angeboten haben. Dem Politikwissenschaftler Georg schwebt | |
aber eher eine überkonfessionelle Veranstaltung vor. Er kann sich | |
vorstellen, dass er auch noch im Audimax ist, wenn sich im März die | |
Wissenschaftsminister der EU in Wien treffen, um zehn Jahre Bologna-Prozeß | |
zu evaluieren. | |
Wer heute das Audimax besucht, merkt wohl erst auf den zweiten Blick, dass | |
hier eine Besetzung stattfindet. Über dem Podium hängt ein Leintuch mit der | |
aufgesprayten Parole „Widerstand gegen Bildungsabbau“, doch die Besetzer | |
lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. In den hinteren Reihen | |
sitzen allerdings einige Obdachlose, für die die akademische Halle nach dem | |
Kälteeinbruch zur willkommenen Zuflucht geworden ist. | |
Der 44jährige Roman aus Polen ist fast seit Beginn der Besetzung hier. Er | |
wurde von seiner Frau hinausgeworfen. Sein Kumpel, der kein Wort Deutsch | |
spricht, schnorrt um ein paar Euro. Ausländische Obdachlose, die nicht | |
nachweisen können, dass sie schon ein halbes Jahr in Österreich gearbeitet | |
haben, dürfen in kommunalen Notschlafstellen nicht betreut werden. Im | |
Audimax ist man da flexibler. Die Obdachlosen haben inzwischen den | |
Reinigungsdienst übernommen und betätigen sich in der Küche. „Sie sind | |
froh, dass sie was zu tun haben“, sagt Georg, „tragen aber auch die | |
Proteste sehr stark mit“. | |
Getrunken darf im Hörsaal nicht mehr werden, erklärt Marian die | |
Hausordnung. Das sei aber für die meisten in Ordnung: „Die wollen sowieso | |
aufhören und kommen so langsam vom Alkohol weg“. | |
8 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
R. Leonhard | |
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