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# taz.de -- HipHopper Blumio: Blumenstrauß statt Totschläger
> "Ich bin gerne Exot", sagt der Düsseldorfer HipHop-Musiker Blumio. Aber
> er hat auch Größeres vor. Das "Yellow Album" des Rappers ist gerade raus.
Mehr als drei Millionen Menschen aus aller Welt besuchen jedes Jahr den
Zoologischen Garten. Heute will sich auch ein Besucher aus Düsseldorf die
Berliner Sehenswürdigkeit nicht entgehen lassen. Blumio hat das Aquarium
besichtigt, den Pandabären Bao Bao und natürlich Knut. Sie haben
schließlich etwas gemeinsam: Der eine ist der prominenteste Eisbär
Deutschlands, der andere der bedeutendste deutsche Rapper mit japanischen
Wurzeln.
Zugegeben, Knut hat eindeutig mehr Konkurrenz als Blumio: denn momentan ist
der zwar eindeutig der beste, witzigste und eloquenteste deutsche Rapper
mit fernöstlichem Hintergrund - allerdings auch der einzige.
"Ich bin gerne Exot", grinst der 24-Jährige. Und meint das nicht nur
bezogen auf seine Herkunft. Denn der Sohn japanischer Eltern, die Anfang
der Achtzigerjahre nach Deutschland kamen, sticht nicht nur aus dem
Stadtbild heraus, sondern trotz seiner Größe von kaum 1,70 Metern auch aus
der aktuellen deutschen HipHop-Landschaft. Der Rheinländer glänzt mit
selbstironischen Texten, die geschickt mit rassistischen Vorurteilen
spielen, und entwirft damit einen wohltuenden Gegenentwurf zum kommerziell
erfolgreichen Gangsta-Rap, der auf die schockierte Entrüstung des
Bürgertums setzt.
Nicht, dass Blumio nicht auch provozieren könnte. Schon sein Umgang mit
seinem ethnischen Hintergrund ist bewusst ambivalent. Auf dem Cover seines
"Yellow Album" prangt ein asiatisches Grinsegesicht, für Magazine lässt er
sich schon mal in Yoga-Pose ablichten. In seinen Texten stilisiert er sich
selbst zum "kleinen Japsen", der freundlich multikulturelle
Befindlichkeiten bedient und zugleich auch als bieder entlarvt: "Das hier
sind Sushi und Technik, Mangas und Origami, das ist meine Kultur." Blumio
spielt bewusst, sagt er, mit diesen "leicht greifbaren Klischees", denn:
"Sich dagegen zu verwahren, das wäre kontraproduktiv. Ich bin erst einmal
für jeden der kleine rappende Japaner. Das ist mein Alleinstellungsmerkmal.
Das nicht zu nutzen, das wäre doch dumm."
Dieses Alleinstellungsmerkmal ist nicht sein einziges Thema. Blumios
inhaltliches Spektrum reicht von Beziehungskrisen und nervtötenden
Bekanntschaften bis zu seinem Verhältnis zu Deutschland und einer
kindlichen Vorliebe für große Oberweiten. In "Hey Mr. Nazi" bremst er
Rechtsradikale aus, indem er sie der Lächerlichkeit preisgibt, und im
"Antigewaltsong" verarbeitet er die eigenen Kindheit und die Angst vor dem
einen brutalen Schläger, den es wohl in jeder Schulklasse gibt: "Hey
Bruder, warum musst Du immer zuhaun? Weg mit dem Totschläger, nimm lieber
den Blumenstrauß."
Entsprechend entspannt geht es auch musikalisch zu. Blumio rappt nicht wie
die Konkurrenz über böse dräuende Beats mit Samples aus Horrorfilmen,
sondern hat sich Musik programmieren lassen, die begeistert von den eigenen
Einfällen zwischen futuristischen Verfremdungen und Zitaten aus
Kinderhörspielen fröhlich hin und her hüpft. Darüber demonstriert er
erstaunliche vokale Fähigkeiten. Mit 13 Jahren begann er mit dem Rappen,
seine technischen Fertigkeiten trainierte er, indem er bekanntere Kollegen
parodierte. Sein erster Erfolg gründet sich auf das dabei erworbene Können.
Der Track "Meine Lieblingsrapper", in dem Blumio Tonfall und Reimstil von
Samy Deluxe, Eko Fresh, Azad oder Jan Delay passgenau imitierte, wurde zum
Hit im Internet.
Gut 15 deutsche Rapper, schätzt er, kann er nachmachen. Er setzt diese
Fähigkeit mittlerweile bei Auftritten allerdings nur mehr sehr vorsichtig
ein. Seine Angst: als Spaßvogel des deutschen HipHop abqualifiziert zu
werden, dem nur ein Platz als Comedian im deutschen Rapgeschäft zugewiesen
wird. Dabei hat er doch Größeres vor. Auch wenn er es ihm mit seiner Musik
"in erster Linie um Unterhaltung geht", sieht er die Kunstfigur Blumio auch
als Kommentar zum Alltagsrassismus in der Bundesrepublik. Blumio, hofft
sein Erfinder, könnte mit der Zeit sogar reifen zum positiven Vorbild für
Deutschasiaten, denen Identifikationsobjekte in der Öffentlichkeit - im
Gegensatz zu Afrodeutschen und Deutschtürken - bislang fehlen.
12 Dec 2009
## AUTOREN
Thomas Winkler
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