# taz.de -- Kolumne Kopenhagen-Protokoll: Sloterdijks Irrtum | |
> Der Ausschluss der Negativoption ist ein entscheidender Fehler: Die | |
> Gesellschaft braucht die Negativoption und die Möglichkeit der freien | |
> Entscheidung. | |
Das jüngste Buch des Philosophen und Fernsehmoderators Peter Sloterdijk | |
trägt den Titel: "Du mußt dein Leben ändern". Dieser kategorische Appell | |
scheint wie gemacht für die Herausforderung des 21. Jahrhunderts, also die | |
Transformation von Lebensstilen, Energieerzeugung, Wirtschaft und | |
Gesellschaft. | |
Ist er aber nicht. Niemand muss. Du kannst mit Lungenkrebs weiterrauchen. | |
Oder gerade dann. Auch Bundesumweltminister Röttgen irrt, wenn er im | |
taz-Interview sagt, die Klima-Politik habe "gar keine andere Option, als | |
erfolgreich zu sein". Selbstverständlich hat sie das: nicht erfolgreich zu | |
sein. | |
Der Ausschluss der Negativoption ist ein entscheidender Fehler: Die | |
Gesellschaft braucht die Negativoption und die Möglichkeit der freien | |
Entscheidung. Nur so ist die lähmende Wirkung des grundsätzlichen | |
Klimakonsenses zu sprengen, die Andrian Kreye in der SZ beschrieben hat. | |
Danach sind alle gegen Klimawandel, jeder für Handeln - und keiner handelt. | |
Warum? Weil Nichthandeln nicht als bewusste, individuelle Entscheidung | |
gegen die Bekämpfung des Klimawandels gilt, sondern als Teil einer | |
grundsätzlichen, kollektiven Handlungswilligkeit (fehl)interpretiert wird. | |
Es ist wie bei einem angeschlagenen Fußballteam, das sich einig ist, hinten | |
kompakt zu stehen - aber wenn der Gegner kommt, macht keiner was. Weil er | |
denkt, das Tor werde in Kopenhagen verteidigt. Oder weil er denkt, das | |
bringt ja eh nix mit den anderen Gurken im Team (Chinesen, Inder, USA). | |
Auch, weil er nicht weiß, wo er hinlaufen müsste. Weil er noch nie auf | |
diesem Niveau Fußball gespielt, also Klimawandel gespürt hat. London und | |
Hamburg sind noch nie untergegangen. Wir haben diese Erfahrung nicht. Aber | |
wir können uns dafür entscheiden, sie zu machen. Oder dagegen. | |
Der große Sprung in die Zukunft ist Obama. (Noch) nicht der | |
politikmachende, der nach Kopenhagen kommt. Sondern der, der Sloterdijks | |
lähmendem "Du musst" das zukunftsweisende "Du kannst/wir können" | |
entgegenstellt. Du kannst dein Leben ändern. Schwer, klar. Doch der Rest | |
ist leicht. Um Klimapolitik machen zu können, braucht es Klimakultur in der | |
Gesellschaft. Die beginnt mit individueller Klimakultur. | |
Je tiefer man in die neue Kultur strebt, je konkreter die Erfahrungen | |
werden, desto größer werden Kraft und Lust. Das gilt speziell auch für | |
Techniker, Designer und für die, die von egomanischer Triebkraft angespornt | |
werden. Wir müssen nichts und schon gar nicht von Umkehr, Verzicht und | |
Mäßigung angetrieben werden, wie Sloterdijk fürchtet. Aber wir können den | |
maximalen Kitzel spüren, das ist die egosoziale Verschmelzung von Leistung, | |
Fortschritt und Sinn. | |
Und das kannst du auch. | |
16 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |