Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Große Ernüchterung in Kopenhagen: Mega-Gipfel mit Mini-Ergebnis
> Das politische Papier, auf das sich 25 Staatchefs in der Nacht auf dem
> Klimagipfel einigten, enthält keine konkreten Minderungsziele. Diese
> sollen erst im kommenden Jahr folgen.
Bild: Am Ende gab es statt konkreter Zahlen nur leere Listen.
KOPENHAGEN taz | Eine Gruppe von repräsentativen Staats- und
Regierungschefs aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern hatte
sich am Freitagabend zwar auf eine politische Erklärung mit dem Titel
"Copenhagen Accord" geeinigt. Das Gesamtplenum der Klimakonferenz stimmte
dem Papier nach einer turbulenten Nachtsitzung aber nicht zu, sondern nahm
es lediglich "zur Kenntnis".
Damit nicht genug: Die entscheidenden Fragen wurden bereits in der
Vereinbarung ausgeklammert und ihre Klärung ins kommende Jahr verschoben.
An der Stelle im Papier, wo eigentlich angegeben werden sollte, welches
Land seine CO2-Emissionen wie stark reduzieren soll, finden sich lediglich
leere Tabellen. Im Anhang werden nur die bisherigen Angebote aufgelistet.
Für die Länder, die sich bereits unter dem Kioto-Protokoll zur Reduktion
ihrer Treibhausgase verpflichtet hatten, sollen die Zahlen bis zum Februar
2010 nachgetragen werden, heißt es im Dokument. Die übrigen Staaten, zu
denen auch die größten Klimasünder USA und China gehören, sollen bis dahin
Zahlen nennen. Als Fortschritt ist zu betrachten, dass dort erstmals eine
gewisse Form internationaler Kontrolle eingeführt werden soll, sofern die
Länder finanzielle Unterstützung erhalten.
Auch das Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg bis 2100 auf zwei Grad zu
begrenzen, haben sich die Staatchefs in dem Dokument nicht wirklich zu
eigen gemacht. Sie nehmen lediglich zur Kenntnis, dass die Wissenschaftler
des Weltklimarates dieses Ziel empfehlen. Eine Entscheidung, ab wann die
globalen Emissionen ihren Höchststand erreichen und endlich wieder
zurückgehen sollen, fehlt ebenso ("as soon as possible") wie eine Vorgabe,
welches Jahr als Vergleichswert für Reduktionen gelten soll.
Zur geplanten Finanzhilfe für Entwicklungsländer hieß es in dem Text, für
den Zeitraum von 2010 bis 2012 sollten 30 Milliarden Dollar zur Verfügung
gestellt werden. Während die EU und Japan jeweils rund 11 Milliarden dazu
beitragen, wollen die USA laut Text-Anhang lediglich 3,6 Milliarden Dollar
geben.
Für die Zeit ab 2020 wird eine Gesamtsumme von 100 Milliarden jährlich
genannt – allerdings nicht als konkrete Zusage. Vielmehr setzen sich die
Staatschefs "das Ziel", dieses Geld "gemeinsam zu mobilisieren". Dazu soll
ein neues "High Level Panel" eingerichtet werden.
US-Präsident Barack Obama, der in Gesprächen mit Chinas Regierungschef Wen
Jiabao die Voraussetzung für das Papier geschaffen hatte, nannte die
Einigung "sinnvoll" und in ihrer globalen Form "beispiellos". Sie sei aber
nicht ausreichend beim Kampf gegen den Klimawandel.
Obama erklärte vor seinem Abflug aus der dänischen Hauptstadt: "Das hier
ist eine sehr gute Grundlage für die weitere Arbeit." Bundeskanzlerin
Angela Merkel äußerte sich deutlich zurückhaltender. "Wir sind einen
Schritt vorangekommen", sagte sie in der Nacht in Kopenhagen, "ich hätte
mir aber mehr Schritte gewünscht".
Ob das Papier tatsächlich die Zustimmung aller bei dem Treffen anwesenden
Regierungschefs gefunden hatte, blieb zunächst unklar. Während Frankreichs
Präsident Nicolas Sarkozy erklärte, man sei sich einig, beriet die
Europäische Union offenbar noch lange, ob man diesem aufgeweichten Papier
überhaupt zustimmen kann. In Delegationskreisen war zu hören, ein Scheitern
sei besser als eine Zustimmung zu dieser Katastrophe.
EU-Präsident Manuel Barroso erklärte später aber: "Diese Vereinbarung ist
besser als keine Vereinbarung – auch wenn sie weit hinter unserem Anspruch
zurückbleibt." Kritik an der europäischen Verhandlungsstrategie wies
dagegen der schwedische Premier und EU-Ratspräsident Frederick Reinfeldt
zurück.
Der Umweltverband WWF äußerte sich bitter enttäuscht. "Die Verhandlungen in
Kopenhagen haben den ersehnten Durchbruch nicht geschafft", sagte Regine
Günther. "Wir haben bisher weder den erhofften rechtsverbindlichen Vertrag
noch eine weitreichende politische Erklärung, um den Klimawandel zu
bekämpfen."
Theoretisch habe man sich in Kopenhagen vielleicht auf das 2 Grad Ziel
geeinigt, in der Praxis werde man aber bei drei Grad Erwärmung oder sogar
mehr landen, ergänzte Regine Günther. Der Grüne Bundestagsabgeordnete
Hermann Ott, langjähriger Beobachter der Klimaverhandlungen, war total
ernüchtert. Die Einigung sei "noch viel schlechter als in den schlimmsten
Befürchtungen vorgestellt".
Damit sehen sich diejenigen, die in den vergangenen Tagen außerhalb des
Tagungsgeländes gegen die Klimakonferenz demonstriert hatten, in ihrer
Haltung bestätigt.
"Die vielfältigen Proteste gegen den UN-Prozess in Kopenhagen zeigen, dass
viele dazu bereit sind, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen, ohne der
offiziellen Klimaretter-Rhetorik auf den Leim zu gehen", sagte Philip Pauls
vom Bündnis Climate Justice Action. Die Regierungen seien "Teil des
Problems und nicht der Lösung". Vor dem Konferenzgebäude sammelten sich in
der Nacht Demonstranten und skandierten "Climate shame" ("Klima-Schande").
Schon bevor das Plenum der UN-Konferenz gegen 3 Uhr am Samstagmorgen wieder
zu tagen begann, übten Entwicklungsländer scharfe Kritik an dem Papier.
Stanislaus Lumumba Di Aping, Sprecher der G77, dem Zusammenschluss von
Schwellen- und Entwicklungsländern, erklärte bereits das Zwei-Grad-Ziel für
unzureichend. "Dieser Deal ist nichts", erklärte der Sudanese vor
Journalisten. "Der Sudan wird niemals einer Vereinbarung zustimmen, die
Afrika zerstört."
Im Plenum der UN-Klimakonferenz sprachen sich neben dem Sudan unter anderem
Venezuela, Bolivien und der Inselstaat Tuvalu dagegen aus. Nachdem klar
wurde, dass das Plenum das Papier nicht wie notwendig ohne Gegenstimmen
annehmen würde, machte das Sitzungspräsidium nach einer längeren
Unterbrechung den Vorschlag, die Erklärung lediglich zur Kenntnis zu
nehmen. Dies wurde am Samstagvormittag gegen 10.30 Uhr dann vom Plenum
gebilligt. Der nüchterne Schlusspunkt eines mit hohen Erwartungen und
großem Aufwand unternommenen Klimagipfels.
Inwieweit die Inhalte der politischen Vereinbarung nun Eingang in die
eigentlich geplanten rechtsverbindlichen Verträge finden werden, ist noch
offen. Über diese soll im nächsten Jahr entschieden werden, entweder im
Sommer in Bonn oder im Dezember 2010 in Mexiko.
18 Dec 2009
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimagipfel gescheitert: Land unter in Kopenhagen
Nach der letzten langen Nacht der Klimakonferenz herrscht allerorten
Katzenjammer. Ein Abkommen kam nicht zustande. Das wird auch den dänischen
Gastgebern angerechnet.
Klimagipfel Kopenhagen: Bauchlandung für den Heilsbringer
Nicht einmal der US-Präsident schafft es, den Klimagipfel herumzureißen.
Denn der Streit zwischen den USA und China ist noch vertrackter als der
zwischen Nord und Süd.
Kommentar Klimagipfel: Die Spielchen der Chefs
Weder Obama noch die anderen Staatschefs der Industrienationen haben sich
in Kopenhagen bewegt. Bisher wurde dort nur gezockt. Das Klima blieb dabei
auf der Strecke.
Merkel auf dem Klimagipfel: Konkurrenz für die Klima-Queen
Kanzlerin Angela Merkel tritt in Kopenhagen als Vorkämpferin auf. Doch die
Alleinherrschaft übers Klima hat sie längst nicht mehr. Zudem sind die
Verhandlungen zu festgefahren.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.