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# taz.de -- HIV in Rumänien: Zwangstest vor der Heirat
> In Rumänien hatten sich in den 90ern Tausende über Bluttransfusionen mit
> HIV angesteckt. Obwohl die Rate der Infizierten stabil bleibt, ist Aids
> in der Bevölkerung weiter ein Tabuthema.
Bild: In Bukarest versucht eine NGO mit einer lebenden Soli-Schleife auf das Th…
BUKAREST taz | Eigentlich wird der Welt-Aids-Tag am 1.Dezember begangen.
Doch in Rumänien ticken die Uhren anders. Da ausgerechnet der
Nationalfeiertag auf den selben Tag fällt, wird der Aids-Tag einfach mal um
ein paar Tage verschoben. Schließlich will man an einem Tag der
pariotischen Freude nicht von bösen Erinnerungen eingeholt werden.
Denn in den 90er Jahren war Rumänien europäischer Negativrekordhalter in
puncto HIV infizierter Kinder und Jugendlicher. Tausende waren durch
Bluttransfusionen und Impfkampagnen mit dem Erreger angesteckt worden. Die
Medien schürten Ängste vor einer explosionsartigen Pandemie, sobald diese
Generation sexuell aktiv werde. Heute stellen die mittlerweile Erwachsenen
noch immer einen Großteil der Patienten mit HIV. Vier von fünf Infizierten
haben überlebt.
Der Skandal vor anderthalb Jahrzehnten hatte zumindest die Politiker in
Bukarest für den Erreger und seine Gefahren sensibilisiert. Man fing an,
darüber zu reden, zu handeln, aufzuklären. Die Erfolge, die das Land im
Kampf gegen die Immunschwäche erzielt hat, geben Grund zur Hoffnung: Seit
2001 schon bleibt die Zahl der bekannten Fälle nahezu konstant bei etwa
10.000 Betroffenen. Bei 21 Millionen Rumänen gibt das eine Quote, die im
internationalen Vergleich als relativ niedrig einzustufen ist.
„Die Situation in Rumänien ist im Verhältnis zu früher verhältnismäßig …
sagt Alina Dumitriu. Sie arbeitet als Sozialarbeiterin in einer Fixerstube,
die ein Bukarester Krankenhaus betreibt. „Wir sind das einzige Land in der
Region, in dem der kostenfreie Zugang zur antiretroviralen Therapie allen
Patienten garantiert wird.“ Zu nennenswerten Preisnachlässen konnten sich
die Pharmakonzerne zwar nicht durchringen, doch engagieren sie sich
vereinzelt bei Forschungs- und sozialen Projekten. Gelder, die dringend
gebraucht werden, denn Bukarest unterstützt finanziell nicht allen
Einrichtungen.
Alina ist gleichzeitig auch die Koordinatorin der NGO SensPozitiv,
ehrenamtlich, versteht sich. Die von ihr beantragten Staatsgelder wurden
bis dato trotzdem nicht bewilligt. Der Fokus ihrer Organisationen liegt auf
der psychosozialen Betreuung von Infizierten. Die Menschen werden über ihre
Rechte aufgeklärt und im Umgang mit den Behörden beraten. Beispielsweise
wird ihnen geholfen, wenn die ihnen zustehende Sozialhilfe nicht ausgezahlt
wird. „Es fehlt uns nicht an Gesetzten bezüglich HIV oder Aids, es fehlt
uns an der Umsetzung und Einhaltung dieser Gesetze.“ So mussten
heiratswillige Paare bis vor kurzem zwangsweise einen HIV-Test ablegen. Und
obwohl diese Praxis von Gerichten als Verstoß gegen die
Persönlichkeitsrechte bewertet wurde, verlangen einige lokale Behörden nach
wie vor ein solches Gesundheitszeugnis, bevor sie eine Ehegenehmigung
erteilen. Alina und ihre Kollegen sammeln diese Fälle und reichen sie bei
der Nationalen Kommission gegen Diskriminierung ein. Und hoffen auf eine
Reaktion.
Einen rationalen Diskurs über HIV hat es in der rumänischen Gesellschaft
bislang aber noch nicht gegeben. Das Thema wird höchstens von der
Boulevardpresse ausgeschlachtet. Der Krankheit haftet ein Stigma des
Unmoralischen an, schließlich kann sie sexuell übertragen werden. Der
schulische Aufklärungsunterricht erzählt den Pubertierenden, dass neben
Präservativen der beste Schutz gegen Aids sei, die Anzahl der Sexualpartner
so gering zu halten.
Keine Studie konnte bisher den Beweis erbringen, dass rumänische
Jugendliche weniger promiscue sind als ihre westeuropäischen
Altersgenossen. Umfragen und den Verkaufszahlen zu Folge, werden Kondome
eher selten benutzt. Die kostenfrei angebotenen HIV-Tests werden ebenfalls
kaum in Anspruch genommen.
Neben Prostituierten, Injektionsabhängigen und männlichen Homosexuellen,
werden in Rumänien auch Angehörige der Roma Minderheit als Risikogruppe
klassifiziert. Das tendenziell niedrige Bildungsniveau und die
Abgeschlossenheit der Familienverbände gestalten Präventionsarbeit
schwierig. Verhütung obliegt traditionell den Frauen. Viele haben keine
Ausweisdokumente und sind gegenüber öffentlichen Institutionen skeptisch.
Deswegen scheuen sie oft den Weg in Krankenhäuser und Beratungsstellen,
obwohl sie vielerorts anonym behandelt werden.
Deshalb gehen Hilfsorganisationen von einer sehr hohen Dunkelziffer in
Rumänien aus. Offizielle Statistiken müssten unter Vorbehalt gelesen
werden. UNAIDS, das HIV-Programm der Vereinten Nationen, schätzt die
tatsächliche Zahl der Infizierten in dem südosteuropäischen Land dann auch
um ca. 50% höher ein.
24 Dec 2009
## AUTOREN
Sebastian Ziegler
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