# taz.de -- Diskriminierung: Aus Tradition unverdächtig | |
> Das Europäische Zentrum für Antiziganismusforschung will Radio Bremen | |
> wegen diskriminierender Berichte über Sinti- und Roma-Familien verklagen | |
Bild: Hier wird "nicht tabuisiert": "buten un binnen"-Studio von Radio Bremen. | |
Das Europäische Zentrum für Antiziganismusforschung (EZAF) in Hamburg will | |
einen Radio Bremen-Redakteur wegen Volksverhetzung verklagen. Der hatte für | |
"buten un binnen" über einen Nachbarschaftskonflikt in Huckelriede | |
berichtet. In dem Beitrag von Anfang Dezember hatten sich AnwohnerInnen | |
über Sinti- und Roma-Familien ausgelassen, die dort leben. | |
Rund 60 Sinti und Roma würden ein Haus auf der Nollendorfer Straße | |
"bevölkern", so die NachbarInnen. "Merkwürdige Dinge" seien zu beobachten: | |
"Autogeschäfte", Frauen und Kinder, die auf Wagen "raufgeschafft" und zum | |
Betteln gebracht würden. Es ist die Rede von Diebstählen, Müll, Lärm und | |
Menschen, die in Autos übernachteten. Um das "Problem einzudämmen" haben | |
die AnwohnerInnen eine Bürgerinitiative gegründet und den Beirat Neustadt | |
mobilisiert. Der hat einen "Krisenstab" einberufen. Abhilfe schaffen, so | |
vermittelt es der Fernsehbericht, konnte der allerdings nicht - außer, dass | |
die Mülltonnen nun häufiger geleert würden. Ein Polizist indes spricht von | |
"keinen verwertbaren Straftaten". | |
Im anschließenden Studio-Gespräch erklärt der "buten un binnen"-Reporter, | |
er "glaube", es gebe dennoch kriminelles Potenzial unter den | |
HausbewohnerInnen. Eine Lösung sehe er allerdings nicht: "Sinti und Roma | |
haben eine Mentalität, die wollen im Clan leben." | |
Von einem Problem ist in Huckelriede vergangene Woche jedoch nicht viel zu | |
sehen. Der Gehweg ist frei, kein Müll liegt herum. Einige Fahrräder stehen | |
neben der Haustür, ein Einkaufswagen mit Sperrmüll. Von den | |
HausbewohnerInnen selbst ist auf der Straße niemand zu sehen. Ihre Mutter, | |
sagt eine junge Rumänin, die nach dem Klingeln die Tür öffnet, lebe seit | |
drei Jahren dort. Manchmal empfange sie Besuch, die Kinder machten ab und | |
zu Lärm. "Was soll man da machen, sie sind Kinder", sagt die Frau. Wer | |
genau sich in der Nachbarschaft an ihnen störe, wisse man im Haus nicht: | |
"Es kam keiner, um darüber zu reden." | |
Auf der Straße campieren, betteln, Kriminalität - "buten un binnen" bediene | |
"auf recht einfachem Niveau eine stattliche Palette antiziganistischer | |
Ressentiments", sagt Marko Knudsen, der Vorsitzende des EZAF. "Der Blick | |
wird gleich zu Beginn gezielt auf die Volkszugehörigkeit der Beschuldigten | |
gelenkt." Jedes folgende negative Attribut beziehe sich dadurch direkt auf | |
Sinti und Roma. Das sei diskriminierend und ausgrenzend, so Knudsen. Selbst | |
die Aussage der Polizei, dass keine nennenswerten Straftaten vorlägen, | |
lasse der Bericht nicht gelten. Das EZAF plant deshalb, im Januar gegen den | |
Journalisten Klage einzureichen. "Vormoderne Lebensformen und eine | |
Unfähigkeit zu zivilisierter Lebensweise" der HausbewohnerInnen vermittle | |
der Beitrag, kritisiert auch Kathrin Herold. Sie ist | |
Kulturwissenschaftlerin und Herausgeberin des Sammelbandes | |
"Antiziganistische Zustände". "Buten un binnen" mache sich "zum Sprachrohr | |
der Bürgerinitiative" und lege nahe, dass "nur die Vertreibung der | |
Menschen" zu einer Lösung führen könne. | |
Bei "buten un binnen" selbst sei man auch unzufrieden mit der | |
Berichterstattung, schreibt Radio Bremen-Programmdirektor Dirk Hansen in | |
einer Stellungnahme. Aufgabe des Magazins sei aber, Konflikte wie den in | |
Huckelriede ernst zu nehmen. "Relevante Themen werden nicht tabuisiert", | |
erklärt Hansen, "selbst wenn sie heikel sind". "Buten un binnen" sei aber | |
aus "Tradition unverdächtig, dumpfe Vorurteile zu verbreiten". | |
Eine weitere Verbreitung des Beitrags scheint man dennoch vermeiden zu | |
wollen. Als Lehrmaterial für Aufklärungsseminare habe man ihn ihr nicht zur | |
Verfügung stellen wollen, sagt Kulturwissenschaftlerin Herold. Auch von der | |
Radio Bremen-Homepage ist er mittlerweile verschwunden. Wegen der "Gefahr, | |
missverstanden zu werden", wie Hansen erklärt. | |
22 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Anna Gras | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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