# taz.de -- Jugendkriminalität: Jugendliche Straftäter schneller vor Gericht | |
> In Reinickendorf und Pankow wird ab Januar ein beschleunigtes Verfahren | |
> für jugendliche Straftäter eingeführt. In fünf Bezirken wird es schon | |
> erprobt. Eine Erfolgsauswertung gibt es nicht. | |
"Neuköllner Modell" heißt das beschleunigte Gerichtsverfahren, mit dem | |
Jugendliche, die kleine Straftaten begangen haben, schneller verurteilt | |
werden können. Ab 1. Januar 2010 soll es auch in Reinickendorf und Pankow | |
(Polizeidirektion 1) zum Einsatz kommen, wie die Senatsverwaltung für | |
Justiz der taz bestätigte. Das Modell sei ein "Baustein zur erfolgreichen | |
Bekämpfung der Jugendkriminalität" und solle im nächsten Jahr sogar auf | |
ganz Berlin ausgeweitet werden, sagte der Sprecher der Senatsverwaltung für | |
Justiz, Bernhard Schodrowski. | |
Das "Neuköllner Modell" wurde 2007 entwickelt, um Jugendliche auf dem Weg | |
in eine sogenannte Intensivtäterkarriere aufzuhalten. Die Jugendrichterin | |
Kirsten Heisig ersann das Schnellverfahren als Reaktion auf "die erhebliche | |
Jugendkriminalität in Neukölln", wie sie der taz sagte. Der beschleunigte | |
Prozess kann nur bei kleineren Straftaten wie Einbruch oder Diebstahl | |
angewendet werden, bei denen die Beweislage klar ist. Jeder Jugendliche | |
bekommt einen festen Sachbearbeiter und Richter. Erkennt die Polizei einen | |
Fall als geeignet für das beschleunigte Verfahren, werden feste | |
Ansprechpartner bei Justiz und Jugendamt kontaktiert. Innerhalb von drei | |
bis sechs Wochen steht der Jugendliche vor Gericht. Das normale Verfahren | |
dauert vier bis fünf Monate. Die Höchststrafe im Schnellverfahren sind vier | |
Wochen Jugendarrest. Meist werden die Jugendlichen allerdings zu | |
Antigewalttrainings, gemeinnützigen Arbeiten oder Schulbesuchsweisungen | |
verdonnert. | |
Schodrowski erzählt: "Mitte Januar hat ein 15-Jähriger seine Lehrerin | |
bedroht, drei Wochen später gab es schon den Gerichtstermin. Das ist so, | |
wie wir es uns wünschen." | |
Bisher beteiligen sich die Polizeidirektionen 5 und 6, also | |
Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und | |
Treptow-Köpenick an dem Schnellverfahren. Insgesamt wurde das Eilverfahren | |
bisher in 93 Fällen angewendet. In Nordneukölln sei von über 20 Straftätern | |
aus dem Schnellverfahren bisher nur "ein Einbrecherpärchen" erneut | |
straffällig geworden, erinnert sich Jugendrichterin Heisig. | |
Was sich die Polizei von dem Modell erhofft, beschreibt Polizeisprecher | |
Thomas Goldack: "Von wesentlicher Bedeutung ist, dass Strafe auf den Fuß | |
folgen muss, um dem Jugendlichen das Verwerfliche seiner Tat sofort vor | |
Augen zu führen." Eine Statistik darüber, wie viele der beschleunigt | |
verurteilten Jugendlichen erneut straffällig wurden, wird allerdings nicht | |
geführt. Daher kann auch nicht überprüft werden, ob Schnellgerichte | |
tatsächlich zu einem Rückgang der Jugendkriminalität führen. Diese sei 2009 | |
zwar tatsächlich rückläufig gewesen, sagte Polizeipräsident Dieter | |
Glietsch, dies liege jedoch auch an der demografischen Entwicklung: Es gebe | |
immer weniger Jugendliche, so Glietsch. | |
Sozialarbeiter, die mit kriminellen Jugendlichen arbeiten, sind geteilter | |
Meinung über das schnelle Verfahren. Gilles Duhem, ehemaliger | |
Quartiersmanager im Nordneuköllner Rollbergviertel, begrüßt es: "In | |
Nordneukölln gibt es viele Menschen, die nur ein Kurzzeitgedächtnis haben", | |
so Duhem. Semih Kneip von Gangway e. V. arbeitet in dem Projekt "Legal | |
Leben" mit aus der Haft entlassenen Jugendlichen. Er sieht das | |
Schnellverfahren kritisch: Besser wäre es, das Geld in präventive Angebote | |
für Jugendliche zu stecken. Aber bei diesen wird derzeit besonders viel | |
gekürzt. | |
29 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Lisa Geiger | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |