# taz.de -- Schweinegrippe-Impfung in Frankreich: Bestellt und nicht abgeholt | |
> Die französische Gesundheitsministerin Bachelot möchte 50 von 94 | |
> Millionen Impfstoffen abbestellen. Kritiker werfen ihr massive | |
> Fehlplanung vor, die 2,2 Milliarden Euro gekostet hat. | |
Bild: Da konnte sie noch gut lachen: Roselyne Bachelot während der Impfung. | |
PARIS taz | Gegen Polemik gibt es in Frankreich keinen Impfschutz. | |
Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot ist wegen ihrer Strategie zur | |
Bekämpfung der Schweinegrippe massiv unter Beschuss geraten. Die weitgehend | |
erfolglosen Versuche, die riesigen Überschüsse an unbenötigten Impfstoffen | |
im Ausland zu verkaufen oder sonst an interessierte Staaten zu verschenken, | |
sind für die Opposition der schlagende Beweis für das "Scheitern" der | |
Gesundheitspolitik. | |
Die Sozialisten, aber auch die zur Regierungskoalition gehörende | |
Zentrumspartei "Nouveau Centre", verlangen eine parlamentarische | |
Untersuchungskommission, damit die Lehren aus dem "Fiasko" gezogen würden. | |
Bereits jetzt kritisiert beispielsweise der sozialistische Abgeordnete | |
Pierre Moscovici eine "maßlose Überreaktion": "Frankreich hat viel zu viel | |
Impfstoffe gekauft, wovon in geradezu unverschämter Weise die | |
Pharmaindustrie profitiert. Das hat mit mehr als zwei Milliarden Euro einen | |
Preis für die öffentlichen Finanzen, die bereits in einer extrem | |
schwierigen Lage sind." | |
Frankreich wollte die gesamte Bevölkerung von 65 Millionen Menschen impfen | |
und dies, gemäß ursprünglicher Empfehlung der WHO, lieber zwei statt ein | |
Mal. Nicht vorgesehen war, dass die Franzosen und Französinnen überhaupt | |
wollten. Zudem klappte die zentralistische Organisation der Impfkampagne in | |
speziellen Zentren sehr schlecht. Die meisten haben ihr amtliches | |
"Aufgebot" bis heute nicht erhalten. Nur knapp fünf Millionen Personen | |
wurden überhaupt geimpft. | |
Auch renommierte Mediziner, die meist von Beginn weg die Kampagne der | |
Regierung in Frage gestellt hatten, machen jetzt Vorwürfe. Der frühere | |
Minister und Klinikchef Bernard Debré sagte, Frankreich habe zehn Prozent | |
der weltweit produzierten Impfstoffe und einen Drittel der | |
Tamiflu-Antivirenmittel gehortet. Das sei "absurd" gewesen. Und schlimmer: | |
Die Katastrophe mit enormen Überschüssen wäre vorzusehen gewesen. | |
Professor Marc Gentilini, Ex-Präsident des Roten Kreuzes Frankreich und | |
Spezialist für Infektionskrankheiten, hatte ebenfalls die übertriebene | |
Angstmacherei und die Impfung der ganzen Bevölkerung als | |
"disproportioniert" kritisiert. Er rechnet vor, dass Frankreich mit | |
geschätzten Ausgaben von 2,2 Milliarden Euro für die Schweinegrippe drei | |
Mal mehr ausgebe als für das Fünfjahresprogramm der staatlichen | |
Krebsbekämpfung. Für ihn handelt es sich darum um einen krassen Fall falsch | |
gesetzter Prioritäten. | |
Dominique Paillé von der Regierungspartei UMP nimmt dagegen die | |
Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot in Schutz: "Was hätte man im | |
gegenteiligen Fall gesagt, wenn die Regierung nicht genügend vorsichtig | |
gewesen wäre?" Frühere Regierungen mussten sich wegen Skandalen mit | |
HIV-verseuchten Blutkonserven und krankheitserregenden Wachstumshormonen | |
verantworten. Auch bei der Hitzewelle von 2003, der in Frankreich 15.000 | |
Menschen zum Opfer fielen, waren die Behörden der mangelnden Vorbereitung | |
beschuldigt worden. | |
Solche Vorwürfe wollte sich Ministerin Bachelot nicht gefallen lassen. Sie | |
kann auch darauf verweisen, dass andere Länder wie Deutschland, Niederlande | |
und die Schweiz vergleichbare Probleme haben und ihre überzähligen | |
Impfungen zu verkaufen suchen. Um wenigstens Geld zu sparen, hat Bachelot | |
angekündigt, sie mache kurzerhand die Bestellung von 50 Millionen "noch | |
nicht gelieferten und nicht bezahlten" Dosen rückgängig. | |
Das französische Unternehmen Sanofi-Pasteur hatte sich bereit erklärt, über | |
die noch ausstehenden Bestellungen zu "verhandeln". Einen einseitigen | |
Vertragsbruch des französischen Staates werden die Impfstoffproduzenten | |
aber kaum ohne finanzielle Kompensation hinnehmen. | |
5 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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