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# taz.de -- Kitsch in der ARD: Bestes Bügelfernsehen
> "Jeder Mensch braucht ein Geheimnis" hat sich verirrt - am Degeto-Freitag
> wäre die gefällige Schmonzette trotz Hannelore Hoger besser aufgehoben
> gewesen. (20.15 Uhr, ARD)
Bild: Vor allem Hannelore Hoger (r) spielt groß, schmeißt mit Essen um sich u…
Jeder Mensch braucht ein Geheimnis - und dieser deutsche Schuldirektor in
Frühpension hat gleich ein etwas größeres. Beim alljährlichen
Familientreffen an Fronleichnahm macht er völlig unangemeldet die Biege und
reist in sein zweites Leben in Italien: Dort ist Helmut Lürzer (Dietmar
Mues) nämlich das, was er immer werden wollte - Tischler. Doch um Anna
(Hannelore Hoger) und deren akademisches Elternhaus zu beeindrucken, musste
es mindestens ein Lehramtsstudium sein. Anna führt heute als Oma das
Regiment und Helmut wird gern für die niederen Tätigkeiten missbraucht:
"Geh die Hasen füttern." Klar, dass so einer nur zu gern in den sonnigen
Süden zieht.
Doch davon ahnen die zahlreichen Kinder, angeheirateten Partner und die
ganze liebe sonstige Verwandtschaft natürlich noch nichts: Futsch ist der
Opa, also muss er gesucht werden. Und weil das eine Töchterlein Politikerin
ist, schafft es der verschwundene Helmut prompt ins Radio. Im deutschen
Fernsehen geht so etwas als Komödie durch; weil der ORF mitproduziert,
handelt es sich bei der Politik um die österreichischen Grünen, und so sind
auch Salzburg und Wien oft im Bild.
Gefilmt wird sowieso ständig: Die im oberen Pennäleralter angesiedelte
Schar der älteren Enkel ist schwer auf dem "Was mit Medien machen"-Trip und
interviewt die Großfamilie zur Familiengeschichte. Doch weil der
Bergtour-begeisterte Opa zunächst mal in einer Felsspalte in den Abruzzen
gewähnt wird, ist die Aufregung groß. Der Familienclan wäre dabei
eigentlich genug mit sich selbst beschäftigt, schließlich befinden sich
seine Angehörigen in diversen Stadien der Überforderung, der
Karriereplanung und des Sich-gegenseitig-den-Partner-Ausspannens. Das macht
die Sache etwas unübersichtlich, und hinterher fangen alle wieder an zu
rauchen.
Dazu gibt die von ihrer Brut in mutwillig falsch verstandener
Anhänglichkeit rund um die Uhr überwachte Hoger so eine Art großbürgerliche
Variante der Rösslwirtin. Und am Ende wird natürlich gesungen, wenn auch
Klassik. Das ist bestes Bügelfernsehen und besticht doch mit einigen
Kleinodien, die im arg Gefälligen des Films (Buch und Regie: Wolfram
Paulus) leider etwas untergehen: Wenn der schwer in Eisdielen verknallte
Neffe Fips (Luca Facklam) von seiner nur unwesentlich älteren Cousine
salopp gefragt wird: "Kleiner, willst du nicht mal was richtig Geiles
erleben", zum Beispiel. Oder wenn Anna mit dem leeren Schlafanzug des
verschwundenen Gatten eine zutiefst ehrliche Aussprache im Ehebett hat.
Vor allem Hannelore Hoger als Anna spielt groß, schmeißt mit Essen um sich
und bleibt einem bis zum Schluss herzlich unsympathisch, während in ihrer
großen Kinderschar alle Klischees bedient werden. Vom in seine Sekretärin
verknallten aufstrebenden Anwalt bis zur unkonventionellen Nochstudentin,
die mit einem ständig klammen Musiker liiert ist, der das Haar wie weiland
Otto Ludwig Piffl ("Eins, zwei, drei") trägt, ist alles dabei. Und man
fragt sich eigentlich nur noch, warum dieser Film, der dem von
Degeto-Schrott verseuchten Freitagssendeplatz im Ersten alle Ehre gemacht
hätte, ausgerechnet am Mittwoch läuft. Wer übrigens nicht ganz fertig
geworden ist: "Jeder Mensch braucht ein Geheimnis" wird morgen im Ersten
zur besten Bügelzeit (10.30 Uhr) nochmal wiederholt.
6 Jan 2010
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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