Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Terrorbekämpfung: Die dritte Front
> Der Jemen hat sich zum Rückzugsort für al-Qaida & Co entwickelt. Das
> beweist: Der Westen muss neue Wege der Terrorbekämpfung entwickeln.
Das vereitelte Attentat eines jungen Nigerianers auf ein Flugzeug der
Northwest Airlines in Detroit hat den Jemen kurz nach Weihnachten
schlagartig in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt. Die jemenitische
al-Qaida hatte den 23-jährigen Umar Farouk ausgebildet, mit Sprengstoff
ausgestattet und ihn beauftragt, die Maschine über amerikanischem
Territorium zum Absturz zu bringen.
Eine merklich erschrockene Weltöffentlichkeit fragte sich plötzlich, wie
das kleine Land am Rande der Arabischen Halbinsel zur Planungszentrale für
Anschläge in den USA werden konnte. Zugleich mehrten sich die Anzeichen,
dass die US-Regierung unter Druck gerät, gegen die jemenitische
Al-Qaida-Filiale vorzugehen, so dass in Deutschland schnell die Befürchtung
laut wurde, dass die Amerikaner militärisch vorgehen könnten.
Die USA brauchen, neben Irak und Afghanistan, keine dritte Front. Aber sie
können und dürfen nicht dulden, dass eine jemenitische Organisation
terroristische Anschläge auf amerikanische Ziele verübt. Jede
Administration gerät in solchen und ähnlichen Situationen innenpolitisch
unter Druck, entschlossen und für die Öffentlichkeit sichtbar zu reagieren.
Zum anderen muss Washington auch aufgrund von sachlichen Erwägungen
handeln. Al-Qaida ist seit 2006 im Jemen erstarkt - und wenn dieser
Entwicklung nicht Einhalt geboten wird, könnten weitere terroristische
Aktivitäten folgen.
Der erste Schritt war naheliegend: Die US-Regierung kündigte an, die
Kooperation mit dem Jemen im Sicherheitsbereich auszubauen. Hier stellt
sich jedoch die Frage, ob dieser Schritt dem Problem wirklich angemessen
ist und zu einer Lösung beitragen kann. Immerhin kooperieren die USA in der
Terrorismusbekämpfung schon seit kurz nach dem 11. September 2001 intensiv
mit der jemenitischen Regierung, und haben bereits in der Vergangenheit
Al-Qaida-Ziele aus der Luft angegriffen. Es war im November 2002 im Jemen,
dass die USA erstmals mittels einer unbemannten Drohne einen
Al-Qaida-Führer liquidierten.
Trotzdem ist es der Organisation gelungen, sich im Jemen zu halten, das
Land als Rückzugsgebiet und Logistikdrehscheibe zu nutzen und seit 2009
zunehmend auch Anschläge im Jemen und in Saudi-Arabien zu organisieren.
Wenn die bisherige Politik also gescheitert ist, sollten die USA nach
alternativen Vorgehensweisen suchen, um die rein repressive Bekämpfung der
al-Qaida zu ergänzen.
In der Tat verweist die amerikanische Reaktion auf die Ereignisse auf einen
schwerwiegenden Fehler westlicher Terrorismusbekämpfung. Sie übersieht
nämlich, dass die autoritären Regime der arabischen Welt ein Teil des
Problems und nur bedingt Teil der Lösung sind.
Al-Qaida und andere dschihadistische Gruppierungen sind in der
Auseinandersetzung mit den Diktaturen ihrer Heimatländer entstanden. Erst
als ihre Führer in den 1990er Jahren einsahen, dass es ihnen nicht gelingen
würde, die Regierungen in Kairo, Riad und anderswo zu stürzen, begannen
sie, auch gegen deren mächtigen Unterstützer im Westen vorzugehen. Das
Ergebnis waren die Anschläge des 11. September 2001 in den USA.
Im Jemen kommt hinzu, dass das Regime in Sanaa trotz seines autoritären
Charakters große Probleme hat, den Staat zusammenzuhalten. Die Politik der
Regierung hat dazu geführt, dass im Norden 2004 ein Bürgerkrieg gegen
zaiditische Rebellen entbrannt ist und sich im ehemals sozialistischen
Südjemen Separatisten gegen Sanaa auflehnen.
Al-Qaida ist hier auch deshalb so stark, weil der jemenitische Staat so
schwach ist. Gelingt es Präsident Ali Abdallah Salih nicht bald, das Ruder
herumzureißen, könnte der Jemen in wenigen Jahren schon ein gescheiterter
Staat sein. In einem solchen Fall könnten die Dschihadisten noch stärker
werden, wie etwa das somalische Beispiel zeigt.
Auch wenn die Ausweitung der Sicherheitskooperation mit Sanaa alternativlos
sein dürfte, ist eine politische Strategie für die Terrorismusbekämpfung im
Jemen gefragt. Sie müsste erstens berücksichtigen, dass die Zusammenarbeit
mit dem Regime des Präsidenten Salih nicht zu einer autoritären
Konsolidierung des Regimes führen darf, die dann wiederum neuen Widerstand
der Opposition schürt. Zweitens müsste sie die Grundlagen für eine langsame
Stabilisierung des Staates schaffen, um einen Zusammenbruch des Jemen zu
verhindern. Der naheliegendste Schritt, diese beiden Ziele zu verfolgen,
wäre, auf ein Ende des Bürgerkrieges im Norden hinzuwirken.
Beide Seiten sind nicht in der Lage, einander militärisch zu besiegen, und
eine Verhandlungslösung könnte dem Land eine dringend notwendige
Verschnaufpause verschaffen. Fast ebenso wichtig ist es, die Spannungen
zwischen Sanaa und den Separatisten im Süden des Landes abzubauen.
Längerfristig sollte westliche Politik auf eine grundlegende Reform des
politischen Systems des Jemen abzielen. Mehr Partizipation und mehr
Rechtsstaatlichkeit wären wichtige erste Schritte.
Nun sind die Ressourcen der USA und ihrer Verbündeten begrenzt, und die
Stabilisierung des Jemen eine anspruchsvolle Aufgabe. Dennoch ist das Land
zu wichtig, um es zerfallen zu lassen. Sollte der Jemen zu einem zweiten
Somalia werden, könnte die Schifffahrt im Golf von Aden und im südlichen
Roten Meer auch von der jemenitischen Seite her bedroht sein. Wichtiger
noch, auch Saudi-Arabien wäre von der Instabilität im Nachbarland
betroffen, würde vermutlich im Jemen intervenieren und könnte im
schlimmsten Fall selbst in einen Abwärtsstrudel geraten.
Schließlich zeigt die Erfahrung mit Afghanistan und al-Qaida, dass auch aus
scheinbar entlegenen Weltgegenden, wenn sie denn nur lange genug von der
internationalen Politik ignoriert werden, Bedrohungen für die westliche
Welt entstehen können.
Der Attentatsversuch von Detroit ist in dieser Hinsicht eine deutliche
Warnung. Westliche Politik darf Länder wie den Jemen nicht mehr ignorieren,
will sie künftigen Konflikten und auch Terroranschlägen wirksam vorbeugen.
8 Jan 2010
## AUTOREN
Guido Steinberg
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.