# taz.de -- Sex-Affäre in Nordirland: Mitgefangen, mitgehangen | |
> Nordirlands Premier Peter Robinson legt wegen der Affäre um seine Frau | |
> alle Ämter vorübergehend nieder. Auch Gerry Adams hat sich in die Affäre | |
> eines Familienangehörigen verwickelt. | |
Bild: Muss die Affäre seiner Frau ausbaden: Peter Robinson. | |
Peter Robinson ist nicht länger Premierminister von Nordirland. Am Montag | |
ließ der Vorsitzende der radikal-protestantischen Democratic Unionist Party | |
(DUP) wissen, dass er seine Ämter "vorübergehend niedergelegt" habe. Bis | |
auf weiteres werde Unternehmensministerin Arlene Foster die Geschäfte | |
übernehmen. Ähnlich wie Gerry Adams, der Präsident der anderen | |
Regierungspartei, der katholischen Sinn-Féin, ist Robinson in einen Skandal | |
verwickelt, bei dem es vordergründig um die Verfehlungen einer | |
Familienangehörigen geht. Doch beide haben sich selbst in die Affären | |
verstrickt. | |
Robinsons Frau Iris musste bereits zuvor ihre Sitze im Belfaster | |
Regionalparlament, im Bezirksrat und im Londoner Unterhaus abgeben. Darüber | |
hinaus wurde sie am Samstag aus der Partei ausgeschlossen. Der Hintergrund, | |
der nun auch ihren Mann zum Rücktritt bewog, ist die kürzlich öffentlich | |
gewordene Affäre, die die heute 60-Jährige vor zwei Jahren mit dem damals | |
19-jährigen Kirk McCambley hatte. | |
Als ihr Mann die Sache im vergangenen März herausbekam, versuchte sie, sich | |
mit Tabletten zu vergiften. Vorige Woche beteuerte sie in einer | |
Presseerklärung, wie sehr sie diese Affäre bedauere und wie glücklich sie | |
sei, dass ihr Mann ihr eine zweite Chance gegeben habe. Am Sonntag | |
enthüllte die irische Zeitung Sunday Tribune, dass Robinson nicht nur mit | |
dem Teenager im Bett war, sondern auch mit dessen Vater sowie, in den | |
Achtzigern, mit einem DUP-Kollegen. | |
All das wäre ihre Privatsache, auch wenn es von extremer Verlogenheit | |
zeugt. Schließlich hat Iris Robinson, deren Lieblingsbuch nach eigenen | |
Angaben die Bibel ist, stets ihre Musterehe und ihren tiefen Glauben | |
herausgestellt und weniger glaubensfeste Menschen geschulmeistert. So hatte | |
sie im Sommer 2008 eine Hasstirade gegen Homosexuelle losgelassen, deren | |
Verhalten sie als "widerliche Abscheulichkeit" bezeichnete, die | |
psychiatrischer Behandlung bedürfe. "Wie ein Mörder, so kann auch ein | |
Homosexueller durch das Blut Christi erlöst werden", sagte sie und fügte | |
hinzu, dass Schwule schlimmer seien als Kinderschänder. | |
Aber es gibt auch einen finanziellen Aspekt der Affäre, und der könnte die | |
Regierung zu Fall bringen. Iris Robinson hatte ihrem Liebhaber in ihrer | |
Eigenschaft als Bezirksverordnete ein ausgemustertes staatliches | |
Fremdenverkehrsbüro zugeschanzt, in dem er einen Schnellimbiss eröffnete. | |
Den Kredit in Höhe von 50.000 Pfund für den Umbau beschaffte sie ihm von | |
zwei Bauunternehmern, für die sie Lobbyarbeit betrieb. 5.000 Pfund davon | |
zweigte sie für sich selbst ab, obwohl sie und ihr Mann über ein | |
Jahreseinkommen von 600.000 Pfund verfügen. Nachdem der Teenager die | |
Beziehung beendete, forderte sie von ihm die restlichen 45.000 Pfund | |
zurück. McCambley musste die Hälfte seiner Anteile an dem Geschäft | |
verkaufen. | |
Robinson hätte laut Parteiengesetz ihre Rolle bei der Kreditvergabe vor dem | |
Parlament offenlegen müssen. Das tat sie ebenso wenig wie ihr Mann. Am | |
Mittwoch wies Peter Robinson bei einem tränenreichen Auftritt vor | |
ausgewählten Journalisten in seinem Haus in Belfast alle Anschuldigungen | |
von sich: "Ich wusste nichts davon, was nicht überraschend ist, wenn jemand | |
eine Affäre vor dir geheim hält." | |
Es war ein Oscar-reife Vorstellung, als Robinson stockend vom | |
Selbstmordversuch seiner Frau sprach. In Wirklichkeit ließ er seine Frau, | |
nachdem sie die Tabletten geschluckt hatte, im Haus zurück und trug ihrem | |
Mitarbeiter Selwyn Black auf, sich um den Rettungsdienst zu kümmern. Black | |
war es auch, der die Affäre nun ans Licht brachte. | |
Der ehemalige Methodistenpfarrer und Militärkaplan hatte die Nase voll von | |
ihrer Rachsucht gegen McCambley und kündigte im Dezember seinen Job als | |
Berater. Iris Robinson hatte ihm mehr als 150 Kurzmitteilungen auf sein | |
Handy geschickt. Eine davon könnte unangenehm für Peter Robinson werden. | |
"Er weiß von dem Geld, und er versucht, sich die Hände nicht schmutzig zu | |
machen", schrieb Iris Robinson im Januar 2009 an Black. "Er sagt, das Geld | |
müsse über Anwälte zurückgezahlt werden." | |
Peter Robinson hat nun beim Rechtsberater der Regierung ein Gutachten | |
bestellt, das klären soll, ob er sich falsch verhalten hat. Die graue | |
Eminenz der DUP, der 83-jährige presbyterianische Pfarrer Ian Paisley, der | |
die Partei 1971 gründete und bis vor zwei Jahren führte, hat seine | |
Unterschrift unter die Solidaritätserklärung für Peter Robinson bisher | |
verweigert. | |
Andere Funktionäre der DUP forderten am Wochenende gar Robinsons Rücktritt. | |
Sie befürchten, dass die Angelegenheit ihrer Partei bei den britischen | |
Parlamentswahlen im Frühjahr schaden könnte. Tatsächlich haben sich die | |
Robinsons sich zum Gespött des Landes gemacht. Über den Premierminister und | |
die First Lady kursieren zahlreiche Witze. Und der Song "Mrs. Robinson" aus | |
dem Film "Reifeprüfung" über die Affäre einer Frau Robinson mit einem | |
20-jährigen, im Film von Dustin Hoffman gespielt, erfreut sich derzeit in | |
Nordirland großer Beliebtheit. | |
Bei einem Rücktritt müssten wohl Neuwahlen in Nordirland ausgeschrieben | |
werden. Daran ist weder der DUP noch Sinn Féin gelegen, denn auch der | |
katholische Juniorpartner in der Koalition hat interne Probleme. Vor kurzem | |
ist der Kindesmissbrauch in der Familie des Sinn-Féin-Präsidenten Gerry | |
Adams bekannt geworden. Die Tochter seines Bruders, Áine Tyrrell, erklärte, | |
dass sie seit ihrem vierten Lebensjahr über einen Zeitraum von acht Jahren | |
von ihrem Vater regelmäßig vergewaltigt worden sei. Gerry Adams erfuhr | |
davon 1987, und er glaubte seiner Nichte, wie er sagt. Unternommen hat er | |
dennoch nichts. | |
Erst jetzt, als die heute 35-jährige den Fall öffentlich machte, äußerte er | |
sich dazu. In einer ähnlich choreografierten Pressekonferenz wie bei | |
Robinson erzählte er, dass sein Vater, ein angesehener Republikaner, der | |
vor sechs Jahren mit militärischen Ehren der Irisch-Republikanischen Armee | |
(IRA) begraben wurde, ebenfalls einige seiner Kinder vergewaltigt habe. Ein | |
solches Eingeständnis war nicht leicht, aber wie bei Robinson halten viele | |
das für ein Ablenkungsmanöver. | |
Adams hat gelogen, als er in derselben Pressekonferenz behauptete, er habe, | |
nachdem ihn seine Nichte über den Missbrauch informiert hatte, keinen | |
Kontakt mehr zu seinem Bruder unterhalten und dafür gesorgt, dass er aus | |
der Partei ausgeschlossen worden sei. | |
Tatsächlich aber arbeitete Liam Adams nicht nur mit Kindern in | |
unmittelbarer Nachbarschaft des Sinn-Féin-Präsidenten in Parteiprojekten in | |
Belfast, er stieg später auch zum führenden Sinn-Féin-Politiker in der | |
irischen Grenzstadt Dundalk auf. Er war Vorsitzender des dortigen Sektion | |
und verantwortlich für den direkten Kontakt zur Sinn-Féin-Führung - also zu | |
seinem Bruder. Der ließ sich beim gemeinsamen Wahlkampf, bei Liams | |
Eheschließung mit seiner zweiten Frau sowie bei der Taufe ihres Kindes | |
einträchtig mit Liam fotografieren, obwohl er angeblich zu der Zeit nichts | |
mehr mit ihm zu tun hatte. | |
Adams ist gläubiger Katholik und regelmäßiger Kirchgänger. Vier Bischöfe | |
seiner Kirche in der Republik Irland mussten um Weihnachten zurücktreten, | |
weil sie bei den Missbrauchsfällen untätig geblieben waren, um ihre | |
Institution zu schützen. Sie versetzten die pädophilen Pfarrer und Mönche | |
höchstens in andere Gemeinden, wo sie neue Opfer fanden. Nichts anderes | |
habe Adams getan, meinen seine Kritiker, als er seinen Bruder in den | |
Jugendprojekten in Belfast und Dundalk gewähren ließ. Die Polizei, der die | |
Vorwürfe bekannt waren, behelligte Liam Adams ebenfalls nicht, was den | |
Verdacht nahelegt, dass sie ihn als Spitzel benutzt hat. | |
Die Skandale treffen eine Regierung, die trotz der bald drei Jahre ihrer | |
Existenz ein fragiles Zwangsbündnis geblieben ist. Zwar ist eine Rückkehr | |
zum bewaffneten Konflikt, der zwischen 1969 und 1998 3.500 Menschenleben | |
kostete, undenkbar. Denn die IRA-Dissidenten haben keinen Rückhalt in der | |
Bevölkerung mehr, wie ihn die IRA früher hatte. Aber sie sind immer noch in | |
der Lage, tödliche Aktionen durchzuführen. Voriges Jahr wurden zwei | |
britische Soldaten und ein Polizist getötet, am Freitag wurde ein Polizist | |
durch eine Autobombe schwer verletzt. Die Instabilität der Regierung nutzt | |
den Dissidenten, und instabil war sie bereits, bevor die Skandale bekannt | |
wurden: Seit Monaten streiten die Koalitionspartner um die Übertragung der | |
Justiz- und Polizeigewalt von London nach Belfast. Sinn Féin wollte das bis | |
Weihnachten abschließen. Robinson argumentierte, dass Sinn Féin, der | |
ehemalige politische Flügel der IRA, noch nicht reif für diesen Schritt | |
sei. | |
11 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotschek | |
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