# taz.de -- Tierschutz: Niedersachsen, ein Hühneralbtraum | |
> Geflügelproduzenten wollen jetzt auch Ost-Niedersachsen mit Betrieben | |
> pflastern und ziehen dafür über die Dörfer. Wer sich nur richtig | |
> anstrenge, erzählen sie interessierten Landwirten, der profitiere von der | |
> Mast. | |
Bild: Leben vielfach im Elend: Hühner. | |
Der wegen massiver Tierquälereien in die Kritik geratene Geflügelproduzent | |
Wiesenhof arbeitet mit Verve daran, auch bislang von Geflügelzucht freie | |
Gegenden Niedersachsens zur Rohstoffgewinnung zu nutzen. Das TV-Magazin | |
"Report Mainz" hatte grausame Zustände in einem Wiesenhof-Betrieb | |
aufgedeckt. Rohstoff, das sind für ein solches Unternehmen Millionen von | |
Hühnern, die von 700 Vertragslandwirten in wenigen Wochen zur Schlachtreife | |
gefüttert werden. | |
Seine Basis hat Wiesenhof derzeit noch in Süd-Oldenburg und im Emsland. | |
Weil dort der Platz für Mastbetriebe knapp geworden ist, strebt das | |
Unternehmen ins östliche Niedersachsen. Die Expansionsstrategie hat auch | |
mit der Konkurrenz zu tun: Die Emsland Frischgeflügel GmbH plant in Wietze | |
bei Celle den Bau eines Schlachtbetriebs. Damit der ausgelastet wird, sucht | |
das Unternehmen im Umkreis von 150 Kilometern 170 Mastbetriebe. | |
Die Folge: Der Osten Niedersachsens ist zu einer Art Schlachtfeld im Kampf | |
um Landwirte geworden, die angesichts schwieriger Marktbedingungen im | |
Ackerbau auf andere Einkommensquellen angewiesen sind. Unterstützt werden | |
die Großunternehmen dabei vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, | |
dass das Gebiet entlang der Autobahn A 7 ausdrücklich als Alternative zum | |
Westen des Landes ausersehen hat. Im Emsland etwa ist die Belastung durch | |
Mastbetriebe bereits so hoch, dass sich mittlerweile zwei Dutzend gemeinden | |
gegen weitere Betriebe wehren. | |
Um Landwirte für das Mastgeschäft zu gewinnen, touren Wiesenhof-Mitarbeiter | |
derzeit durch die Landkreise entlang der A 7 und werben für das Geschäft | |
mit den Hühnern. Vergangene Woche nahm sich ein Wiesenhof-Mitarbeiter das | |
Wendland vor. Um die 40 Landwirte waren ins Örtchen Küsten gekommen, um | |
sich über Stallgrößen, das Prozedere der Hühnermast und die | |
Verdienstmöglichkeiten aufklären zu lassen. | |
Landwirte, die mit Wiesenhof zusammen arbeiten, binden sich vertraglich an | |
das Unternehmen und werden Teil einer "geschlossenen Integrationskette": | |
Wiesenhof liefert Küken, die in firmeneigenen Elterntierfarmen und | |
Brütereien regelrecht hergestellt wurden. Das Futter samt Zusätzen kommt | |
ebenfalls von Wiesenhof. Die Mäster müssen sich nur darum kümmern, dass die | |
Tiere in kurzer Zeit zulegen, bis sie schlachtreif sind und abgeholt | |
werden. Danach wird der Stall desinfiziert, eine Woche später kommen die | |
nächsten Küken. | |
Investitionen von 500.000 Euro für den Stall mit Platz für 40.000 Tiere | |
stehen, so verspricht es Wiesenhof, jährlich 32.000 Euro Gewinn gegenüber. | |
Allerdings: Der Wiesenhof-Mitarbeiter klärte auch darüber auf, dass nicht | |
alle Mäster diesen Gewinn schaffen. Ein Viertel der Betriebe hat in den | |
vergangenen Jahren seine Kosten nicht erwirtschaften können. Das liege aber | |
nicht an mangelnder Nachfrage, sondern allein an schlechter Betriebsführung | |
- wer zweimal am Tag durch den Stall gehe, hieß es in Küsten, könne von der | |
Hühnermast profitieren. | |
Eben das bezweifelt Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
Landwirtschaft. Er sagt, Landwirte sollten die 500.000 Euro besser zur Bank | |
tragen: Die zu erwartenden Zinsen seien sicherer als der Erlös aus der | |
Mästerei. Auch bezweifelt er die von Landwirtschaftskammern und | |
Geflügelproduzenten kommunizierten Wachstumsraten beim Geflügelverzehr in | |
Deutschland. Demnach nämlich äße jeder Deutsche allein elf Kilo | |
Hühnerfleisch im Jahr essen, was noch zunehmen werde, weshalb mehr | |
Mastbetriebe her müssten. Glaubt man dagegen Zahlen aus dem | |
niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, stagniert der Verbrauch seit | |
Jahren. | |
Kritik kam am Dienstag auch von den niedersächsischen Grünen: In den | |
Mastbetrieben müssten sich 20 Tiere einen Quadratmeter teilen - Folge seien | |
Federpicken, Kannibalismus und Geschwüre. | |
12 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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