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# taz.de -- Netzneutralität: Tiefe Blicke in den Traffic
> Treibt die Industrie das Ende der Netzneutralität voran? in
> Großbritannien will ein Provider nun Deep-Packet-Inspection gegen
> Filesharer einsetzen. Das kann in Deutschland auch so kommen.
Bild: DPI bedeutet nichts anderes als die Kontrolle jedes einzelnen Datenpakets.
Es gab eine Zeit, da begriffen sich die Netzanbieter als reine
Datentransporteure: Was immer die Kunden über das Internet empfangen oder
senden wollten, sie durften es. Diese Phase der Netzneutralität, ohne die
das Internet nicht wäre, was es heute ist, droht langsam zu Ende zu gehen.
Immer mehr Provider interessieren sich dafür, was ihre Nutzer treiben, sei
es nun zum Zwecke der Netzoptimierung, als Möglichkeit, Zusatzeinnahmen zu
generieren, indem bestimmte Dienste beschleunigt werden, oder als
Handlanger der Unterhaltungsindustrie.
Was Netzaktivisten für eine enorme Gefahr für die Zukunft des Netzes
halten, lässt sich nun ganz praktisch in Großbritannien beobachten: Dort
hat der Großprovider Virgin Media damit begonnen, die so genannte
Deep-Packet-Inspection (DPI) umzusetzen.
DPI bedeutet nichts anderes als die Kontrolle jedes einzelnen Datenpakets,
das durch das Netz eines Providers läuft. Solange der Netzverkehr nicht
verschlüsselt ist, wozu heute noch immer die meisten Surf- oder
Downloaddaten gehören, ist DPI technisch kein großes Problem mehr: Hardware
und Speichersysteme kommen inzwischen auch mit großen Datenmengen zurecht.
Dann lässt sich mittels DPI beispielsweise analysieren, ob ein Kunde zur
Spezies Filesharing gehört; mit Hilfe digitaler Signaturen ist es sogar
möglich, zu ermitteln, was er da konkret herunterlädt.
Bei Virgin Media, wo immerhin 3,6 Millionen Nutzer über Kabelnetze surfen,
will man die Technologie nun explizit zur Verfolgung von Raubkopierern
einsetzen - wohl auch deshalb, weil der Internet-Konzern sich wichtige
Kabelversorgungsverträge mit der Unterhaltungsindustrie erhalten möchte.
Detica, der technische Dienstleister für das Vorhaben, erläutert, man werde
per DPI beispielsweise prüfen können, ob ein Nutzer nur Familienfotos
herunterlade oder ein Musikalbum. Bei letzterem sei sogar möglich, Künstler
und Titel zu ermitteln. Entsprechende Signaturen zu Musikstücken und Filmen
stecken in einer Datenbank.
Ziel der Aktion sei es zunächst, festzustellen, ob die Kunden
urheberrechtlich geschütztes Material "saugten" oder nicht. Dazu werde auch
anderer Datenverkehr wie E-Mail, Web oder Online-Gaming identifiziert.
Den letzten Schritt sparen sich Detica und Virgin Media allerdings noch:
Die IP-Adresse des Nutzers, über die ein Filesharer zweifelsfrei
identifiziert werden könnte, soll zunächst nicht erfasst werden – eine
Trockenübung, sozusagen. "Wir wollen verstehen, wie viel Datenverkehr in
unserem Netzwerk ungesetzlich ist", heißt es dazu von Virgin Media.
Allerdings sei auch nicht ausgeschlossen, dass man die IPs nutze.
Beobachter glauben, dass Virgin Media einer geplanten "Three
Strikes"-Gesetzgebung vorgreifen will – die britische Regierung möchte,
ähnlich wie das in Frankreich bereits möglich ist, Filesharern den
Netzzugang sperren.
Doch um dies zweifelsfrei feststellen zu können, müssen die Provider erst
einmal wissen, was die Kunden tun – DPI hilft. Auch der
Unterhaltungsindustrie würde die Technologie einiges erleichtern: Bisher
muss sie, um der Filesharer haftbar zu werden, mit dessen IP-Adresse zum
Provider, der als einziger den zur IP-Adresse passenden Namen kennt. Würde
dies gleich im Netz abgewickelt, wäre das für die Industrie viel bequemer.
In Deutschland werden Deep-Packet-Inspection und ein Ende der
Netzneutralität ebenfalls in Anfängen debattiert. So kann sich etwa der
IT-Branchenverband Bitkom vorstellen, dass Provider künftig von
Inhalteanbietern etwas mehr Geld verlangen könnten, damit ihre Daten
schneller ausgeliefert werden als andere.
Rechtlich steht dem zumindest auf EU-Ebene nichts entgegen: Eine scharfe
Regelung zur Sicherung der Netzneutralität wurde bei der kürzlich
stattfindenden Überarbeitung der Telekommunikationsgesetze nicht wie von
Aktivisten erhofft umgesetzt. Auch DPI ist nicht grundsätzlich verboten.
Eventuell gibt es jedoch Ansätze, es aus datenschutzrechtlichen Gründen zu
untersagen. Bei Virgin Media heißt es dazu, man breche keine Gesetze. Die
per DPI erfassten Kunden blieben derzeit schließlich noch "anonym".
20 Jan 2010
## AUTOREN
Ben Schwan
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