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# taz.de -- Fernbeziehung bevorzugt: USA fürchten Haitis Massenexodus
> In den Vereinigten Staaten werden weitaus mehr Spenden für Haiti
> gesammelt als irgendwo sonst. Aber Flüchtlinge will man nicht.
Bild: Gedenken an die Erdbeben-Opfer: Trauernde UN-Mitarbeiter in New York.
WASHINGTON"Stürmt nicht auf die Boote, um das Land zu verlassen", lautet
die kreolsprachige Botschaft. "Die Türen der USA stehen euch nicht etwa
weit offen. Wer flieht, wird nach Hause zurückgeschickt." Raymond Joseph,
der haitianische Botschafter in Washington, hat den Text aufgenommen. Jetzt
wird er in Haiti rund um die Uhr ausgestrahlt. Damit möglichst viele
Menschen in den Trümmerhaufen von Port-au-Prince die Botschaft hören, haben
die USA 50.000 mit Sonnenenergie betriebene Radios nach Haiti geschickt.
Ziel der Operation ist es, den befürchteten Massenexodus aus dem nur 1.200
Kilometer von Florida entfernten Land zu verhindern. In den ersten zehn
Tagen seit dem Erdbeben haben die vor Ort anwesenden US-Soldaten noch keine
Fluchtbewegungen zu Lande und zu See beobachtet. Aber die USA haben bereits
die "Operation Vigilant Sentry" aktiviert. Die im Jahr 2003 für eine Krise
in Kuba oder in einem anderen Land der Karibik konzipierte Operation
"wachsamer Posten" beinhaltet unter anderem die Verstärkung der
Küstenwache. Und die Einrichtung von Flüchtlingslagern.
Vorsorglich haben die USA in Guantanamo-Bay, rund 30 Minuten von dem
Internierungslager entfernt, bereits 100 Zelte aufgestellt. Bis zu 1.000
Haiti-Flüchtlinge könnten dort untergebracht werden. In Florida haben die
Behörden "sichere" Notunterkünfte für maximal 10.000 haitianische
Flüchtlinge organisiert. Das sei die "maximale Aufnahmekapazität", hat
David Halstead, Direktor des Notfallprogramms in Florida erklärt.
Kenner Haitis gehen freilich davon aus, dass in den nächsten Wochen sehr
viel mehr Menschen aus Haiti versuchen könnten, zu fliehen. Russell Honore,
pensionierter US-General in Florida, plädiert dafür, Unterkünfte für
"hunderttausende" Menschen bereitzustellen. Und der aus Haiti stammende
Musiker und ehemalige Fugees-Sänger Wyclef Jean erklärt: "Port-au-Prince
ist eine Leichenhalle. Wir müssen mindestens zwei Millionen Menschen
evakuieren."
Bislang sind nur einige haitianische Schwerverletzte sowie
Familienangehörige von US-BürgerInnen und rund 50 Waisenkinder, die in den
USA in einem Schnellverfahren adoptiert werden sollen, aus Port-au-Prince
in die USA evakuiert worden. Zwar hoffen in Port-au-Prince Unzählige auf
eine Ausreise in die USA. Aber die meisten der Flugzeuge, die seit dem 12.
Januar mit Nahrungsmitteln, Wasser, Notfallmedizin aus den USA dorthin
geflogen sind, kamen ohne Passagiere in die USA zurück.
Nach Informationen der Zeitung Miami Herald gibt es in Port-au-Prince nicht
die nötigen Screening-Geräte, um Flugpassagiere dem Sicherheitscheck zu
unterziehen.
In den USA hält unterdessen ein nie dagewesener Elan von Mitgefühl und
Hilfsbereitschaft für Haiti weiter an. Kaum ein Unternehmen, kaum eine
Schule, kaum eine Kirche spendet oder hungert gegenwärtig nicht für Haiti.
Drei US-Präsidenten gemeinsam - Bill Clinton, George W. Bush und Barack
Obama - sind vor die Kameras getreten, um ihr Haiti-Engagement zu erklären.
Die US-Außenministerin hat ihren Terminplan geändert und in Haiti erklärt,
dass sie unter anderem dafür sorgen wird, Adoptionen von haitianischen
Kindern - im Rahmen der bestehenden Gesetze - zu beschleunigen. Und die
US-amerikanischen Fernsehsender betreiben ihre Nachrichten weiterhin mit
einem großen Anteil von Liveberichterstattung aus Haiti. Bei dem Leben und
Sterben in Port-au-Prince, bei den Notfalloperationen mit der Säge und bei
Niederkünften auf offener Straße ist das US-Publikum ebenso live dabei wie
bei den Ausbrüchen von Chaos und Gewalt in dem Nachbarland.
21 Jan 2010
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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